KI ist in vielen Branchen eines der Themen der Stunde. Auch im Marketing-Kreisen fällt der Begriff immer häufiger. Welche Potentiale der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Marketing bietet, wie dieser aussehen kann und was zu beachten ist, erklärt uns Lukas Fassbender, General Manager DACH von The Trade Desk ,im Interview.
Contentmanager.de: Die Meinungen zu Künstlicher Intelligenz (KI) gehen auseinander. Für die einen ist sie ein Segen, andere fürchten durch zunehmende Automatisierung in ihrer Branche um ihren Job. Welches Potenzial hat KI aus Ihrer Sicht im Marketing?
Fassbender: Die Technologien werden immer klüger. Ob in Unternehmen oder der Privatnutzung – KI-Lösungen sind längst in unserem Alltag angekommen. Das Potenzial, das KI im Marketing hat, liegt auf der Hand. Doch es kommt auf das richtige Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine an. Sind unbeabsichtigte Ergebnisse zu erwarten? Welche Resultate sind realistisch? Müssen Stellschrauben der KI-Lösung angezogen werden, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen? Werbetreibende müssen sich Gedanken darüber machen, welchen Effekt es hat, eine KI auf bestimmte Marketingziele auszurichten.
Um die eigene Zielgruppe zu verstehen und mit richtig guter, kreativer Werbung abzuholen, müssen unzählige Daten ausgewertet werden. Alle wiederkehrenden Prozesse, die keine kreative oder strategische Denkleistung erfordern, können durch die immer leistungsfähigeren Technologien an die KI delegiert und so automatisiert werden. Marketern bleibt damit mehr Zeit für wertschöpfende Arbeit: Durch Kreativität und Expertise qualitativ hochwertige und erfolgreiche Werbung zu erstellen.
Contentmanager.de: Wie muss man sich den Einsatz der KI im Marketing vorstellen?
Fassbender: Nehmen wir zum Beispiel den Bereich Programmatic Advertising: Hier werden einzelne Ad Impressions beispielsweise von einer Demand Side Plattform (DSP) ersteigert. Jede einzelne wird auf ihre optimale Zielgenauigkeit überprüft und ein Gebot auf sie abgegeben. Das Suchen, Prüfen und Kaufen der erfolgversprechendsten Impressions geschieht mithilfe der leistungsfähigen Technologien innerhalb von Sekunden. Was für Menschen schlichtweg nicht machbar ist, stellt für den Computer keine Herausforderung dar – Rechenpower sei Dank.
KI-basierte Lösungen gewinnen für immer mehr werbetreibende Unternehmen und deren Agenturen an Bedeutung. Sie werden zunehmend wichtig, um die komplexer werdende Datenlage bestmöglich für erfolgreiche Kampagnen nutzbar zu machen. Genauso abhängig wie die Werbetreibenden von den Technologien, sind umgekehrt diese von menschlicher Kreativität, um aus den Datensätzen auch richtige Schlüsse zu ziehen.
Bisher mussten Mediaplaner viel Zeit in administrative Prozesse und aufwändige Analysen investieren. Durch den Einsatz KI-basierter Technologien können sie die neu gewonnene Zeit wiederum in kreative Tätigkeiten stecken. Denn genau das kann Künstliche Intelligenz nicht leisten. Oder zumindest noch nicht.
Contentmanager.de: Gehen Sie denn davon aus, dass KI auch den kreativen oder strategischen Part der Kampagnenplanung übernehmen wird?
Fassbender: Maschinen werden in Zukunft auf jeden Fall noch um einiges smarter werden. Doch eines darf nicht vergessen werden: Künstliche Intelligenzen lernen von uns Menschen das, was wir ihnen beibringen. Bei der Zielerreichung arbeiten die meisten Systeme nach dem Belohnungsprinzip. Die KI geht also immer den Weg, der am schnellsten zum Erreichen des angegebenen Ziels führt. Wir müssen uns daher gut überlegen, welche Ziele wir hierfür auswählen, damit die Technologie unsere Absichten nicht falsch interpretiert.
Contentmanager.de: Was sind Ihre Empfehlungen für die Werbetreibenden, was beim Umgang mit KI beachtet werden muss?
Fassbender: Nicht erst seit dem Einsatz von KI erzielt die Kombination von verschiedenen Zielen die besten Kampagnenergebnisse. Zunächst müssen wir uns klar werden, dass es nie nur um ein einzelnes Marketing-Ziel gehen kann, da sonst die Gefahr besteht, dass die KI das Kampagnenziel insgesamt verfehlt.
Nehmen wir das Beispiel “Viewability” einer Anzeige – ein Ziel, das bei Werbetreibenden häufig einen hohen Stellenwert hat. Wird der KI beigebracht, die Sichtbarkeit einer Anzeige zu maximieren, sucht sie sich nur solche Formate aus, die maximal auf dieses Ziel einzahlen. In-App-Anzeigen haben beispielsweise generell eine sehr hohe Sichtbarkeit. Ohne weitere Zieleingaben wird also eine KI das Budget vor allem auf In-App-Inventar aussteuern. Die Sichtbarkeit der Anzeige wird also garantiert, das eigentliche Ziel der Kampagne allerdings verfehlt, weil Teile der relevanten Zielgruppe außerhalb von Apps überhaupt nicht mit der Werbung in Kontakt kommen.
Daher müssen sich Marketer, die mit KI-basierten Tools arbeiten, gut überlegen, welche Ziele sie kombinieren, damit die Kampagne bestmöglich ausgesteuert wird.
Contentmanager.de: Kann die KI auch im nächsten Schritt nach dem Aussteuern unterstützen?
Fassbender: Erfolgsmessung ist im Marketing ein heiß diskutiertes Thema. Schließlich soll das investierte Mediabudget auch den maximalen Output liefern. Die als Attribution bezeichnete Methode der Zuweisung von Werbebudget über mehrere Kanäle hinweg ist eine sinnvolle Lösung für die Nachvollziehbarkeit des Kampagnenerfolgs. Es gibt unterschiedliche Attributionsmodelle, doch nicht jedes liefert auch in Zusammenarbeit mit einer KI relevante Antworten.
Immer noch höre ich in Diskussionen das Stichwort “Last Touch”. Beim Last-Touch-Attributionsmodell sammelt ausschließlich die letzte vor dem Kauf des beworbenen Produkts gesehene Anzeige die Lorbeeren ein. Abgesehen von der Debatte darüber, dass eine erfolgreiche Customer Journey mit vielen Touchpoints zuvor schon die Kaufentscheidung beeinflusst hat, ist das Last-Touch-Modell vor allem dann obsolet, wenn man sich vor Augen führt, wie ein KI-System “lernt”. Im Fall von Last Touch wird die KI dazu übergehen, Anzeigen bloß Sekunden vor dem Kauf eines beworbenen Produktes auszuspielen, um so eine vermeintlich maximale Performance der Anzeige zu erzielen. Das Konzept von gutem Marketing wird somit ad absurdum geführt, da die Customer Journey völlig unbeachtet bleibt und die Anzeige an sich keinen Einfluss mehr auf die Kaufentscheidung hat.
Contentmanager.de: Welche Potentiale ergeben sich für das Data Driven Marketing, besonders in Bezug auf die First-Party-Daten?
Fassbender: First-Party-Daten sind der Schatz eines jeden Unternehmens. In Kombination mit einem KI-basierten Tool können diese Daten effektiv genutzt werden, um die eigene Zielgruppe zu verstehen und bessere Werbung zu entwickeln. Die Technologien nehmen den Mediaplanern Arbeit ab, indem sie die zeitaufwändige Datenauswertung automatisieren. Während die KI also die Analyse übernimmt, können sich die Marketingverantwortlichen auf die Entwicklung der Kampagnenstrategie konzentrieren.
Contentmanager.de: Zum Abschluss: Wie sehen Sie zukünftig das Zusammenspiel zwischen „Mensch und Maschine“ im Marketing?
Fassbender: Erfolgreiche Kampagnen werden auch in Zukunft aus der Zusammenarbeit von Mensch und einer KI-basierten Lösung entstehen. Alles in allem bin ich überzeugt, dass der Einsatz von KI im Marketing definitiv viele Vorteile bringen kann. Es ist wie mit neuen Mitarbeitern: diese werden aufgrund ihrer Motivation und ihrer Talente in die Firma geholt. Nach der Einstellung brauchen sie jedoch jemanden, der ihnen die firmeninternen Prozesse näherbringt und Werte und Ziele des Unternehmens vermittelt. Menschen werden einer Technologie immer um Längen voraus sein, wenn es darum geht, kreative, strategische und kontextuelle Entscheidungen zu treffen. Aber es besteht kein Zweifel, dass die smarten Tools die Steuerung, Geschwindigkeit und Messbarkeit von Kampagnen auf das nächste Level bringen.
Über den Interviewpartner Quelle: The Trade Desk
Lukas Fassbender ist General Manager DACH bei The Trade Desk. Vor dieser Position war Fassbender bereits als Director Business Development und Director Client Services in derselben Region für das Unternehmen tätig. Erfahrung im Bereich des Online Advertising sammelte er als Sales Manager bei Sizmek und im Bereich des Kampagnenmanagements bei der auf digitale Werbeprodukte spezialisierten Firma EyeWonder. Lukas Fassbender hält einen Bachelor in Business Administration der Fachhochschule Bad Honnef bei Bonn.
Bildquellen
- LukasFassbender_TheTradDesk: The Trade Desk
- pexels-photo-97077: Negative Space / Pexels
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