Kunden haben absolut keinen Respekt mehr. Sie lassen sich erst im Store kostenlos beraten, kaufen dann aber online ein, wollen dann aber die Waren selbstverständlich im Laden abholen und fragen schließlich noch über Twitter, ob es die Hose auch in schwarz und einem anderen Schnitt gibt. Verrückt! Wie sollen Handel und Vertrieb damit umgehen? Omnichannel-Strategien machen es möglich.
Es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht jeden Kundenwunsch befriedigen kann. Vertriebs- und Servicemitarbeiter müssen dennoch ihr möglichsten tun, um ein positives Verhältnis zum Kunden oder Interessente herzustellen. Schließlich trifft man sich immer zweimal im Leben. Und im Gegensatz zum Grundsatz „schlechte PR ist besser als gar keine“ gilt im direkten Kontakt „lieber keine Empfehlung als eine negative Mundpropaganda“. Das heißt, auch wenn der Kunde nicht das bekam, was er suchte, so darf dennoch kein schlechtes Gefühl zurückbleiben.
Differenzierte Kundengruppen
Die Anspruchshaltung der Kunden nimmt jedoch im gleichen Maße zu, wie ihre Anforderungen immer individueller werden. Der E-Commerce reagiert darauf mit einem immer breiteren Serviceangebot. Je mehr Einstiege, Beratungsangebote, Bezahl- und Versandarten sowie Kommunikationskanäle für den Support der Shop anbietet, umso größer ist der Komfort und damit die Wahrscheinlichkeit, alle Kundenbedürfnisse abzudecken. Im Onlinehandel hat man den Vorteil, dass sich viele dieser Services recht kostengünstig integrieren lassen – oder zumindest kostengünstig betrieben werden können. Im stationären Handel stoßen Unternehmen hingegen bei Hardware- und Personalkosten schnell an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit, wenn sie Kunden mehr Komfort bieten wollen. Hinzu kommen die immer stärkere Differenzierung der Kundenwünsche und demografische Faktoren. Die Anzahl der potentiellen Käufer im Einzugsgebiet eines stationären Händlers ist daher in den meisten Branchen rückläufig.
Der erste Schritt: Multichannel
Viele stationäre Händler entscheiden sich daher dafür, mit einem Multichannel-Ansatz zumindest einen Teil dieses Problems abzufangen. Arg vereinfacht formuliert: Neben dem lokalen Geschäft gibt es eben mit dem Webshop auch einen Onlinekanal, um diejenigenKunden zu erreichen, die keine Zeit oder Lust haben, bei Wind und Wetter auf Shoppingtour zu gehen. Anstatt nur die Filialen mit Waren zu beliefern, können die Kunden ja auch direkt vom Lager aus beschickt werden. Und ein Fulfillment-Dienstleister ist immer noch günstiger, als viele neue Filialen auf der grünen Wiese im Niemandsland zu errichten.
In vielen Fällen bleibt es nicht nur bei diesen beiden Kanälen. Hinzu kommen Kataloge, Broschüren, Newsletter, Apps, Onlinemarktplätze oder die Partnerschaft mit Affiliate- und Reichweitenanbietern. Mit der Zeit entsteht so eine Fülle unterschiedlichster Absatz- und Kommunikationswege, die in der Regel zumindest lose miteinander verbunden sind, aber von unterschiedlichen Fachabteilungen betreut werden.
Wie wichtig diese Verbindung ist, machen aktuelle Zahlen des ECC Köln deutlich: Beispielsweise bereiten die Kunden über alle untersuchten Produktgruppen hinweg annähernd 40 Prozent ihrer Käufe im stationären Handel durch eine Informationssuche in Onlineshops vor.
Neue Herausforderungen: Vom Cross- zum Omnichannel
Aber ganz so günstig ist es dann vielleicht doch nicht, wenn jedes dritte, online bestellte, Produkt zurückgeschickt wird. Oder sich Kunden beschweren, weil Produkte im Onlineshop lokal nicht erhältlich sind. Als Reaktion auf das mäßige Feedback der Kunden kommen nun bei Marketing und Vertrieb Cross- und Omnichannel-Ansätze ins Gespräch, die zumindest die wichtigsten Kanäle und Tools irgendwie abdecken sollen. Meist ist allen Beteiligten klar: Nur wenn man die Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen ganzheitlich und übergreifend betrachtet, kann man die unterschiedlichen Zielgruppen erreichen, nachhaltig an sich binden und ihre Umsatzpotenziale ausschöpfen.
Wie auch beim Start in den Multichannel ist die Online-Plattform die ideale Ausgangsbasis für die neue Strategie. Sie lässt sich sukzessive zur zentralen Datendrehscheibe und Vertriebsoberfläche ausbauen. Dazu muss die mobilfähige E-Commerce Plattform systemseitig nahtlos mit der Warenwirtschaft, einem Product Information Management System, einem CRM, einem funktionalen CMS, Webtracking und Analysetools, Marketing Automation sowie einer leistungsfähigen Business Intelligence Lösung verknüpft werden. Dann erhält man die Basis für ein umfassendes Vertriebsökosystem.
E-Commerce als Enabler des Omnichannels
Das ist fast schon echter Omnichannel, und auf dieser Grundlage sind nicht nur die wichtigsten Online-Touchpoints miteinander verbunden. Alle – egal ob Kunde, Verkäufer, Außendienstler, Direktmarketer, Messemitarbeiter oder Support – können prinzipiell auf das gleiche Shopsystem zugreifen, indem alle relevanten Daten zu Beständen, Preisen, Aktionen usw. zentral und immer aktuell aggregiert sind. Zwar sind die Oberfläche und die Zugriffsrechte für die jeweilige Rolle angepasst, die technologische Basis ist aber die gleiche. Die Kosten für die Vertriebs- und Marketingprozesse sinken durch die entstehenden Synergien deutlich.
Darüber hinaus erhalten Marketing, Sales und Einkauf aus den verteilten aber verknüpften Systemen alle nötige Daten, um ihre Prozesse zielgerichtet zu optimieren. Für welche Kunden sich immer noch ein Katalog lohnt, lässt sich dann genauso bestimmen wie die Frage, wann welches Produkt am besten zu welchem Preis verkauft werden sollte – vorausgesetzt der Hersteller lässt einem dabei die Wahl. Die Kundenzufriedenheit steigt, die Absatzchancen steigen, die Retouren gehen zurück, der administrative Aufwand sinkt, der Lagerplatz wird besser ausgenutzt und so weiter.
Die Kosten
All dies auf einmal zu realisieren, ist sicherlich für die meisten Unternehmen nicht zu stemmen. Da die Entwicklung aber nicht stehen bleibt, sollte man als stationärer Händler oder B2B-Versandhändler mit Außendienst zumindest schon heute die Weichen für den Omnichannel stellen. Die Grundbestandteile sind ein modulares Shopsystem und ein zukunftsfähiges, gut gepflegtes Warenwirtschaftssystem, die eng miteinander verzahnt sind. Kommt dann noch ein Product Information Management System dazu, um auch die Produktdaten an zentraler Stelle zu managen, hat man quasi das Starterkit für den Omnichannel.
Autor: Daniel Becker ist Content Marketing Manager bei netz98. Er bloggt regelmäßig auf www.regalsprecher.de.
No Comment