Das Internet der Dinge verändert den Onlinehandel


Das Internet der Dinge ist in den IT-nahen Branchen eines der wichtigsten Trendthemen. Fast jeder ist überzeugt, dass es unser Leben in allen Bereichen verändern wird. Diese Entwicklung wird auch unser Konsumverhalten und damit den Handel – stationär wie online – betreffen. Womit müssen Handel und Kunden also rechnen?

Was ist das, das Internet der Dinge?

Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst wissen, worum es geht. Das Internet der Dinge ist die kommunikationstechnologische Verbindung von leblosen Gegenständen untereinander und mit dem Menschen in einem globalen Netzwerk. Das ist in weiten Teilen das Internet, mit dem aktuell etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung verbunden sind, sowie die Firmennetze. Das Prinzip des Internet der Dinge oder Internet of Things (IoT) ist einfach: Alles, was man irgendwie mit einer IP-Adresse versehen kann, lässt sich in dieses Netzwerk aufnehmen. Man klebt ein RFID-Etikett (einen kleinen Transponder) unter eine Fußmatte, installiert einen RFID fähigen Router in der Nähe, weist dem Etikett eine IP-Adresse zu … und schwupps ist die eigene Matte im Netz. Klebt man einen Drucksensor neben den Transponder, erhält man zudem eine smarte Fußmatte, die mitteilen kann, wenn jemand auf sie tritt. Damit wird auch klar, dass jedes unbelebte Ding prinzipiell smart und vernetzt sein kann.

Industrie 4.0 und der Alltag

Da der Mensch in dieser Kommunikation keine entscheidende Rolle spielen muss und sich Gegenstände direkt austauschen können, gibt es beim Internet der Dinge eine große Schnittmenge zur industriell geprägten M2M-(Machine-to-Machine)-Kommunikation und dem Thema „Industrie 4.0“. Dabei geht es im Kern um die Vernetzung und Automatisierung von Maschinen wie Prozessen und damit die Kostensenkung in der industriellen Fertigung. Über die Erfassung von Prozessdaten sowie deren sofortige, autonome Verarbeitung sollen sich Systeme zukünftig selbst steuern.

Im Consumerbereich geht es noch etwas beschaulicher zu: Viele nutzen die smarten Heizungsthermostate der Energieversorger oder überwachen ihre Solaranlage übers Tablet. Wir bezahlen Zugtickets online oder via NFC und sehen zu, wie der Schaffner den Ticketcode vom Bildschirm unseres Smartphones scannt. Wir entdecken die antike Geschichte Roms durch die

Augmented Reality-Funktionen einer Reiseführer-App. Wir können über unser Smart-TV den Versandweg von Paketen nachverfolgen, während wir gleichzeitig die neueste Folge unserer Lieblingsserie herunterladen. Und vor dem Schlafen checken wir noch schnell die Daten unseres Fitnessarmbands über eine App. All das ist bereits das Internet der Dinge. Aber laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der Deutschen Telekom können 88 Prozent der Bevölkerung mit dem Begriff nichts anfangen. 

Potenziale

Nichtsdestotrotz schreitet die Entwicklung rasant voran: Je nach Studie werden es dieses Jahr oder spätestens in 2020 25 Milliarden vernetzte Geräte sein. Die Umsatzprognosen liegen für diesen Zeitraum zwischen 300 Milliarden bis zu einigen Billionen – je nachdem ob man Cisco, Gartner oder das IDC bemüht. Das Potenzial ist so groß, dass quasi jeder an Lösungen bastelt: Von Audi und Amazon über Google bis zu Samsung, SAP und Siemens. Schaut man sich bei Crunchbase.com die Start-ups mit IoT-Schwerpunkt an, sieht man praktisch jede Branche und jeden Wirtschaftssektor vertreten. In der Anzahl der Player liegt aber wie immer auch die größte Hürde für den Nutzen. Lange noch werden die unterschiedlichsten Systeme miteinander konkurrieren und eine vollständige Vernetzung verhindern.

IoT und (Online-)Handel

Was resultiert aus dieser Entwicklung für den Handel? Für den E-Commerce als Disziplin und für den Handel als Branche, egal ob nun online, offline oder im Multichannel-Modell tätig, ist sie wahrscheinlich disruptiv. Auf der einen Seite wird es den digitalen Vertriebsformen nochmals einen kräftigen Schub verleihen, wenn wir unseren Kühlschränken, Waschmaschinen oder digitalen Butlern ein eigenes Kundenprofil bei Rewe & Co. einrichten und sie mit einem bestimmten Budget für uns online einkaufen. Um es klar zu sagen: Das sind reine Onlineumsätze und wer als Händler dann nur in stationären Systemen denkt, der wird zumindest die besser verdienende Käuferschicht als Kunde verlieren. Das Internet der Dinge wird so auch die aktuelle Diskussion über die Wachstumsgrenzen im E-Commerce als nette Episode erscheinen lassen. Langfristig bleiben dann bis auf einige Exoten, lokale Projekte oder stationäre Händler in abgelegenen Regionen nur Omnichannel-Systeme am Markt. In diesen spielt allerdings der E-Commerce in jeder Hinsicht die entscheidende Rolle, was den Kauf, die Abrechnung und alle begleitenden Services angeht. Das Shopfrontend und der lokale Store sind nichts weiter als unterschiedliche, miteinander vernetzte Kanäle.

Hersteller ganz nah am Kunden

Auf der anderen Seite bietet das Internet der Dinge Herstellern unter Umgehung des Handels einen direkten Absatzkanal bis in die Badezimmer der Kunden. Ein viel zitiertes Beispiel ist der Rasierer von Gillette, der auf Knopfdruck neue Klingen ordert – vielleicht sogar ganz automatisiert, wenn man der Marke vertraut oder sehr bequem ist. Das Bindungspotenzial zu Marken wird damit extrem gestärkt, denn kein Konsument wird vor der Kaufentscheidung von anderen Reizen, sprich anderen Marken und Herstellern, abgelenkt: Zwischen Konsument und Hersteller steht nur noch ein einziger Knopf – und kein Regal mit Konkurrenzprodukten mehr.

Neue Services und Marketingideen nötig

Natürlich werden wir zukünftig nicht alle Verbrauchsmaterialien immer am Ort des Geschehens nachbestellen. Onlinehändler werden vermutlich ihre Plattformen für bestimmte Gegenstände öffnen. Der Kunde synchronisiert dann vermutlich seinen Kühlschrank und andere Geräte wie den Rasierer, Rauchmelder oder Staubsauger mit einer Shopping-App. Über diese werden dann die Einkäufe ausgeführt und der Kunde steuert nur die grundsätzlichen Parameter (Kostengrenze, günstig oder Premiummarke, Same-Day-Delivery oder Standard-Versand, vegan oder herzhaft).

Hinzu kommt, dass die Ansprache und die Interaktion mit den Kunden in ganz neuen Kontexten erfolgen müssen, wenn diese nicht mehr selbst einkaufen. Die persönliche Kaufentscheidung und ihre direkte Beeinflussung durch Kaufanreize, worauf Handel und Werbung aktuell ausgerichtet sind, werden zumindest bei reinen Verbrauchsgütern an Bedeutung verlieren. Auch Impulskäufe im heutigen Sinne dürften dann deutlich zurückgehen. Umgekehrt wird es für Anbieter von Lifestyle-, Technologie- und Luxusgütern einfacher, Cross- und Upselling-Potenziale zu nutzen, da sie mit ihren Produkten permanent den Kontakt zum Kunden herstellen können.

Der Handel wird sich also auf deutliche Veränderungen im Konsumverhalten einstellen müssen. Daher ist es jetzt schon höchste Zeit über Innovationen nachzudenken, um als Plattform und Botschafter von Marken relevant zu bleiben und Kunden mit eigenen intelligenten, vernetzten Services zu erreichen. Zwar wird sich das Prinzip des Amazon Dash-Button nicht durchsetzen, da der Nutzen zu beschränkt ist, aber zumindest die Richtung stimmt: Der Onlinehändler lässt sich den Kontakt zum Kunden nicht aus der Hand nehmen.

Autor: Daniel Becker ist Content Marketing Manager bei netz98. Er bloggt regelmäßig auf www.regalsprecher.de.

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