Die Technologie der Voicebots und Chatbots befindet sich in einer interessanten Phase. Immer mehr Unternehmen setzen sie ein, gleichzeitig haben sie noch enormes Entwicklungspotential. Im Interview erklärt Sebastian Glock, Technology Evangelist bei Cognigy aus Düsseldorf den Status Quo und wo die Reise hingehen könnte.
Im Rahmen einer aktuellen Studie zeigte sich, dass drei Viertel der befragten Konsumenten bereits Kontakt mit einem Chatbot hatten. Ob im Messenger, Chat auf der Website oder in der eigenen App – Unternehmen bedienen immer mehr Kanäle, in denen sie per Chatbot automatisiert mit dem Kunden kommunizieren. Neben rein textbasierten Bots gibt es auch noch sprachbasierende Voicebots, deren bekanntesten Vertreter(Innen) wohl Alexa oder Google Home sind. Der Bereich „Conversional Commerce“ wächst und wächst. Aber wohin? Sebastian Glock, Technology Evangelist bei Cognigy aus Düsseldorf spricht im Interview mit contentmanager.de über den aktuellen Stand der Technologie, Einsatzmöglichkeiten und ob sie irgendwann den menschlichen Kontakt obsolet machen.
contentmanager.de: Unternehmen machen ihren Kunden die Kontaktaufnahme mitunter schwer: Entweder man muss die üblichen Warteschleifen durchstehen oder man versucht auf der Webseite eine Antwort zu bekommen. Beides frustriert häufig. Welche Lösung sehen Sie?
Quelle: CognigySebastian Glock: Unterm Strich geht es darum, Kunden 1. schnell, 2. kompetent, 3. zu jeder Uhrzeit und 4. möglichst auf allen Kanälen bei einem Anliegen zu helfen. Doch Contact Center sind teuer: IBM hat das in einer globalen Studie berechnet und ist auf Kosten von mehr als 1,3 Billionen US-Dollar für 256 Milliarden Service-Anrufe jährlich gekommen. Jeder Serviceanruf kostet demnach im Schnitt 30 US-Dollar. Contact Center zu skalieren und zu jeder Zeit ausreichend Kapazität bereitzuhalten, ist extrem teuer. In Stoßzeiten sind lange Wartezeiten dann unvermeidbar.
Lösungen wie simple FAQ-Bots auf der Website oder IVR-Systeme, bei denen Anrufer sich per Tastendruck durch lange Menüs hangeln, werden heutigen Anforderungen an Customer Experience nicht mehr gerecht. Viele simple Bots basieren auf einer rudimentären Software, die lediglich auf exakt gestellte Fragen vorgefertigte Antworten liefern kann. Sie bieten keinen wirklichen Mehrwert zu Infos auf der Website oder in der App. Die Folge: Kunden rufen dann noch genervter beim Kundenservice an. Die Technik hinter digitalen Assistenten hat sich jedoch enorm weiterentwickelt und es stehen heute smarte Lösungen zur Verfügung, die mit diesen einfachen FAQ-Bots rein gar nichts mehr zu tun haben.
Was hat sich denn konkret verändert und welche Limitierungen haben Voicebots und Chatbots aktuell noch?
Zunächst einmal ist das KI-basierte Sprachverstehen mittlerweile sehr ausgereift. Eine top NLU (Anm. d. Red.: Natural Language Understanding) KI versteht einen Großteil der geschriebenen oder gesprochenen Anliegen und kann in beliebigen Sprachen eingesetzt werden. Verstehen bedeutet, dass Eingaben nicht exakt sein müssen, sondern in einer großen Bandbreite erkannt werden. Nutzer können also ihre eigenen Formulierungen wählen und der Bot passt sich dem User an – nicht umgekehrt.
Zu wissen, was ein Kunde will, und mit ihm natürliche Dialoge führen zu können, reicht aber nicht. Eine smarte Lösung erhalten Sie nur durch die Anbindung des Bots an Backend-Systeme. Dem Bot steht dann in Echtzeit sämtliches Wissen zu Produkten, Services oder auch persönlichen Informationen des Kunden aus der Kundendatenbank zur Verfügung. Der smarte Bot oder virtuelle Assistent kann aber auch schreibenden Zugriff im Backend erhalten, das heißt er kann zum Beispiel eine Adresse oder eine Bestellmenge ändern, einen Termin anlegen, eine Buchung stornieren, einen Rückruf hinterlegen etc. Dafür wird unsere Plattform, Cognigy.AI, bereits vielfach eingesetzt.
Cognigy hat dazu drei Beispieldialoge zwischen der KI und einem Kunden aufgezeichnet:
Limitiert sind virtuelle Agenten vor allem dadurch, dass alle Anliegen und deren Bearbeitung vorab bekannt und definiert sein müssen. Kein Bot kann einem Kunden helfen, der mit einem bis dato unbekannten Problem anruft – das ist immer ein Fall für einen erfahrenen Service-Mitarbeiter. In der Praxis hat das zwei Konsequenzen. Erstens: Bots konzentrieren sich auf wiederkehrende Kundenanliegen. Das macht sie allerdings nicht weniger sinnvoll, denn häufig verteilen sich 80% aller Kundeninteraktionen auf weniger als zehn verschiedene Anliegen. Und zweitens ist vollständige Automatisierung nie das Ziel beim Einsatz virtueller Agenten. Vielmehr arbeiten Bots und menschliche Mitarbeiter zusammen, wobei die Menschen sich auf die komplexen Cases konzentrieren und Routineaufgaben von Bots übernommen werden.
Was sind die Vorteile von Voicebots gegenüber Chatbots? Kann man pauschal sagen, dass eine der beiden Lösungen „besser“ ist?
Beide Arten von Bots haben unterschiedliche Stärken, die z.B. vom Kontext der Interaktion abhängen. Chatbots brauchen visuelle Aufmerksamkeit und werden in der Regel per Tastatur oder Display mit den Händen bedient. Insbesondere Messenger-Apps haben dabei den Vorteil, dass asynchron kommuniziert wird: Nutzer können ein Anliegen vortragen, ihr Smartphone beiseitelegen, und später einfach im Thread hochscrollen, um den Faden wieder aufzugreifen. Zusätzlich können Rich-Media Elemente zum Einsatz kommen wie Bilder, Videos, Buttons etc.
Voicebots erfordern ein anderes sogenanntes Conversation Design: Alle Gesprächsinhalte müssen extrem kompakt und dennoch verständlich sein. Der Bot muss flexibel reagieren, sich unterbrechen lassen, zuletzt Gesagtes jederzeit wiederholen können usw. User haben keinerlei visuelles Feedback, aber können dafür allein über Stimme und Gehör ihr Anliegen lösen, eben wie bei einer Telefon-Hotline. Für viele Menschen ist die Interaktion per Sprache die natürlichste und bequemste Variante der Kommunikation – und state-of-the-art Voicebots werden hohen Erwartungen durchaus gerecht.
Aus technischer Sicht sind beide Ansätze übrigens recht ähnlich. Conversational AI Plattformen wie Cognigy.AI können beide Kanäle bedienen und auch eine nahtlose „Übergabe“ von Kunden vom einen in den anderen Kanal ermöglichen.
Was sind die Einsatzmöglichkeiten von Chatbots und Voicebots – auch abseits des Kundenservices?
Unternehmen mit einem großen Dialogvolumen im Kundenservice und Hunderten oder Tausenden Mitarbeitern in Contact Centern profitiert definitiv am meisten von der Automatisierung. Hier sind die Vorteile für alle Beteiligten leicht ablesbar. Für die Firmen, weil sie mehr Probleme automatisiert lösen. Für die Kunden, weil ihnen schneller kompetent geholfen wird. Und für die Service-Agenten, weil sie mehr Zeit für die wirklich wichtigen Fälle haben und sich weniger mit genervten Warteschleifenkunden und ihren Standardfragen beschäftigen müssen. In der Praxis gibt es oft Fälle, in denen viele Menschen gleichzeitig etwas wissen oder ändern möchten. Solche Peaks lassen sich mit einer Conversational AI-Plattform leicht und effizient abfedern. Chat-/Voicebots können zudem den Vertrieb unterstützen.
Auch intern für HR ist die Technologie wertvoll. Bei Konzernen mit zigtausend Mitarbeitern kann die Arbeit des internen Contact Center mit smarten Dialog-Bots deutlich verbessert werden. Und nicht zu vergessen: Gut eingesetzt können Voicebots auch innovativ wirken und zur Markenbildung beitragen.
Gerade im beschriebenen Personalwesen oder bei Kundendaten ist Datenschutz wichtig. Können Interaktionen mit Bots diesen gewährleisten?
Eine wichtige Frage, die definitiv bei der Auswahl einer Conversational AI-Plattform beachtet werden muss. Wenn der Bot eine geschäftskritische Anwendung ist, müssen dieselben hohen Ansprüche an Sicherheit, Datenschutz etc. bestehen, wie beispielsweise bei einem CRM. Zu einer guten Enterprise-Plattform gehören deshalb grundsätzlich verschlüsselte Datenübertragung, umfassende Kontrolle über alle User-bezogenen Inhalte und granulare Steuerung von Benutzerrechten. Die Dialogdaten müssen auch DSGVO-konform in europäischen Rechenzentren gespeichert oder von Unternehmen vollständig „on-premises“ verarbeitet werden.
Werden Bots irgendwann menschliche Gesprächspartner obsolet machen?
Mit Sicherheit nicht. Keine Maschine kann menschliche Intuition, Empathie, Kreativität ersetzen. Auf absehbare Zeit werden komplexe Kundenanfragen und neue, unbekannte Problemstellungen immer durch Menschen bearbeitet werden. Daher gehört zu einem guten Conversation Design immer auch die Übergabe an einen Menschen: Bots sollten also immer ihre eigenen Grenzen kennen. Digitale Assistenten werden auch zunehmend in Hybrid-Szenarien Menschen unterstützen. Viele Kunden nutzen unsere Agent-Assist-Lösungen, die vollständig im Hintergrund agieren: Die KI hört einem Gespräch zu und liefert dem Menschen im Kundendienst beispielsweise Daten zur Kundenhistorie oder Details zu der Produktspezifikation, um die es im Gespräch gerade geht. Solche Agent-Assist-Lösungen macht den Menschen schlauer und verbessern die Antwortqualität.
Welche Empfehlung haben Sie für das Aufsetzen eines Voice- oder Chat-Bot-Projekts?
Der Einsatz professioneller, sinnvoller Voice- und Chat-Bots ist denkbar einfach. Auch die Vernetzung mit Backend- und anderen Systemen ist simpel. Wir raten Interessenten, Conversational AI einfach im Service oder HR auszuprobieren und mit kleinen Projekten zu starten und Erfahrungen zu sammeln. In einem Video zeigen wir, wie jeder in nur 15 Minuten einen Voice-Bot aufsetzen kann.
Über Cognigy
Cognigy ist ein weltweit führender Customer-Service-Automation-Anbieter. Mit der leicht einsetzbaren Cognigy.AI Plattform können Unternehmen ihren Kundenservice mithilfe intelligenter Sprach- und Textagenten auf Enterprise-Level automatisieren – in jedem Kanal und in beliebigen Sprachen. Die smarte, nahtlos mit Backend-Systemen integrierbare KI-Plattform versteht Anliegen wie ein Mensch, kann sie im Kontext richtig zuordnen und im Dialog in natürlicher Sprache lösen. Resultat: Business-Prozesse werden automatisiert, die Customer Experience verbessert und signifikant Kosten in Contact Centern eingespart. Zu den Kunden zählen Bosch, Daimler, Henkel, Lufthansa, Salzburg AG uvm. Für schnelle Projekterfolge stehen der Hersteller sowie ein weltweites Partnernetzwerk zur Verfügung. Weitere Informationen: cognigy.com
Bildquellen
- Sebastian Glock – Technology Evangelist von Cognigy: Cognigy
- pexels-startup-stock-photos-212288: Start Up Stock Photos / Pexels
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