Dem Shitstorm auf der Spur


Die Fälle Wiesenhof und Amazon

Fast jeder größere Shitstorm der vergangenen Jahre hat eine Debatte ausgelöst. Diese beschränken sich in der Regel nicht nur auf die einschlägigen Online-Kanäle wie Facebook und Twitter, sondern werden auch öffentlich in den Medien ausgetragen. Die aktuellen Shitstorms von Amazon und Wiesenhof haben nicht nur für Wirbel im Netz gesorgt, sondern auch den Weg in die Leitmedien gefunden. Sie werden im Folgenden näher betrachtet, um das Phänomen „Shitstorm“ und dessen Auswirkungen besser zu verstehen.

Was bedeutet „Shitstorm“?

Ein (Social Media-)Shitstorm bezeichnet im deutschen Sprachraum pseudoenglisch das Web 2.0 Phänomen plötzliche massenhafte Auftreten größtenteils kritischer Beiträge über eine juristische oder natürliche Person. Häufig sind die Beiträge emotional, anklagend und negativ oder auch sarkastisch. Durch die Konvergenz der Medien kann der Auslöser eines Shitstorms sowohl in den Social Media selbst liegen, als auch aus klassischen Medien in diese hineingetragen werden, sowie unternehmensintern oder -extern ausgelöst werden.

Um die Charakteristiken eines Shitstorms und die Relevanz einer angemessenen Reaktion zu verdeutlichen, betrachten wir zwei bekannte Fälle: Wiesenhof aus dem Jahr 2011 und Amazon aus dem Frühjahr 2013.

Fallbeispiel: Wiesenhof

Im August 2011 strahlte die ARD den Fernsehbeitrag „Das System Wiesenhof“ aus, in dem schockierende Bilder der Geflügelzucht zu sehen waren. Im direkten Anschluss startete der Shitstorm: Nutzer gründeten Facebook-Gruppen wie beispielsweise „Wir hassen Wiesenhof“, welche zum Teil mehrere Tausend Mitglieder sammelten. 5.184 Beiträge wurden während des Untersuchungszeitraums des Shitstorms gemessen.

Diese Beiträge auf Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube entstanden aufgrund des TV-Beitrags und wurden allmählich von Interessensgruppen als auch von der Politik aufgegriffen. Der Shitstorm resultierte in einem erhöhten Interesse einiger Politiker, die sich für eine Verschärfung der Tierschutzrechte in der Zuchtindustrie einsetzten und zusammen mit der Staatsanwaltschaft die Situation auf den Höfen überprüfen ließen.

Dieser und ähnliche Fälle in der Vergangenheit haben die Risiken eines Shitstorms verdeutlicht und zeigen, dass klare Handlungsstrategien für die Schadensminimierung entwickelt werden müssen.

Ein Unternehmen sollte überlegt kommunizieren, vor allem auch intern Informationen austauschen und sich absprechen. Weiterhin sollten Unternehmen den Dialog mit den Usern suchen und das Gespräch auf Augenhöhe führen.

Fallbeispiel: Amazon

Ähnlich zum Auslöser des Wiesenhof-Shitstorms wurde im Februar diesen Jahres ein Beitrag der ARD mit dem Titel „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ ausgestrahlt, welcher für Amazon zum Verhängnis wurde. Nun streiten sich die Experten wiederholt darüber, welche Folgen dieser Shitstorm mit sich tragen wird und wie die Reaktion des Unternehmens zu bewerten ist.

In der am 13. Februar ausgestrahlten Dokumentation werden die Arbeits- und Lebensbedingungen der Leiharbeiter thematisiert. Neben dem Stundenlohn und den Unterkünften in leerstehenden Ferienparks steht die Sicherheitsfirma im Zentrum der Kritik. Der Dokumentation zufolge sollen mutmaßlich rechtsradikale Mitarbeiter dieser Firma die ausländischen Leiharbeiter bedrängt haben.

Eine entsprechende Reaktion entstand zeitnah auf Amazons Social Media Kanälen. Wo sonst schnelle Lieferzeiten und billige Preise gelobt werden, herrschte wochenlang ein anderer Ton.

Amazon entschied in der Anfangsphase der Krise nicht auf die Beiträge einzugehen und zensierte in diesem Zeitrahmen ihre Facebook-Wall, was wiederum zu einem zweiten Ansturm an Kritik führte.

Ob dieser Umgang mit Userbeiträgen sinnvoll ist, wird gerade unter Social Media Experten debattiert. Auf der einen Seite wird behauptet, dass das Phänomen Shitstorm für Unternehmen nicht bedenklich ist, so Achim Himmelreich, Partner bei der Unternehmensberatung Mücke, Sturm & Company: „Es gibt bislang keine substantiellen Analysen über die harte Auswirkung von Shitstorms auf Umsätze“. Andere Experten – wie zum Beispiel Peter Gentsch, Gründer und Gesellschafter der BIG Social Media GmbH – machen die Konsequenzen eines Shitstorms vom jeweiligen Unternehmen abhängig. „Problematisch ist ein Shitstorm immer“, so Gentsch, „vor allem wenn das Unternehmen in einem Markt agiert, der sich durch starken Konkurrenzdruck auszeichnet.“

Außerdem spielt es eine Rolle, ob die Diskussion ausschließlich im Netz stattfindet oder, wie in den Fällen Amazon und Wiesenhof, auch von traditionellen Medien aufgegriffen wird.

Mittlerweile ist der Amazon-Shitstorm in sämtlichen Leitmedien thematisiert worden. Dadurch erleidet nicht nur der Reputation der Marke großen Schaden, vielmehr wird zusätzlich auch noch ein Signal an jegliche Interessensgruppen gesendet: „Wer sich zu diesem Thema äußert, bekommt die Chance im Rampenlicht der Medien zu stehen.“

Christian Maertin, geschäftsführender Gesellschafter der PR-Agentur Siccma Media GmbH, erklärt in einem W&V Gastbeitrag „Amazon: Die Krise hat gerade erst begonnen“, dass Wettbewerb im Online-Handel primär vom Preis abhängig sei. Zusätzliche Personalkosten könnten die gängigen „Geschäftsmodelle in ihren Grundfesten erschüttern und damit erstmals Erfolg und Marke der Unternehmen ernsthaft bedrohen.“

Die Folgen des Shitstorms minimieren

Wie es diese und unzählige weitere Fälle untermauern, ist ein Shitstorm mehr als nur ein kurzfristiger Ansturm negativer Kundenbewertungen. Ein derartig präsentes Thema wird meistens von Medien und Politik aufgegriffen und gefährdet somit nicht nur die Reputation der Marke, sondern hat womöglich auch spürbare negative Auswirkungen auf das operative Geschäft.

Ein gekonntes Eingreifen kann den Schaden nicht beseitigen, aber helfen diesen zu minimieren. Dazu bedarf es aber eines durchdachten Krisenkommunikationsplans, der an eine technisch ausgereifte Social Media Softwarelösung, die unter anderem als Frühwarnsystem fungiert, anknüpft. Nur so ist es im rasanten digitalen Zeitalter möglich, Shitstorms frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu intervenieren.

Das Wichtigste ist aber immer die Fähigkeit und der Wille zur Kommunikation. Denn: Wenn ein Unternehmen offline schon nicht kritikfähig ist, wird es im Social Web extrem schwer.

Weiterführende Artikel:

Das Phänomen „Shitstorm“

Shitstorm-Hysterie: Und wo ist der Schaden?

Co-Autorin: Melissa Bohlsen

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