Die Briten haben abgestimmt und mit knapper Mehrheit den Ausstieg aus der Europäischen Union beschlossen. „Auch wenn künftige Freihandelsabkommen wahrscheinlich sind – die Phase, bis Klarheit über den Brexit bestehen wird, stellt eine harte Belastungsprobe für den florierenden Cross-Border E-Commerce dar. Das gilt für die Briten wie auch für den Rest Europas“, sagt Roland Fesenmayr, Vorstand der OXID eSales AG.
Das Softwareunternehmen aus Freiburg zählt zu den führenden deutschen Anbietern von Shopsoftware im E-Commerce. Vor allem Abstriche im Service würden schwer ins Gewicht fallen. „Im Moment kann in der EU grenzüberschreitend bestellt werden, die Ware ist nach drei Tagen beim Endkunden. Demnächst könnte es heißen: Heute bestellt, morgen beim Zoll – Wochen später beim Endkunden. Dazu kommen Gebühren und Zusatzkosten“, so Fesenmayr.
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Angelpunkt des europäischen E-Commerce
Seit vielen Jahren führt Großbritannien das E-Commerce-Feld in Westeuropa an. 2015 kauften 86 Prozent der britischen Bevölkerung online ein. Mit einem Umsatz in Höhe von 157 Milliarden Euro stellt der E-Commerce bereits heute beachtliche 13 Prozent an der Gesamtwirtschaft und soll noch weiter wachsen: für 2017 werden 174 Milliarden Euro (15 Prozent) erwartet. Ein deutlicher Indikator für die Offenheit und digitale Reife des britischen E-Commerce ist die Tatsache, dass laut einer Studie von PayPal/Ipsos bereits 2015 20 Prozent der Vorjahresumsätze – 31,1 Milliarden Euro – mobil realisiert wurden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass bei aller Heimattreue knapp die Hälfte (48 Prozent) der britischen Online-Shopper auch auf ausländischen Seiten einkauft – zumeist Produkte, die in Großbritannien nicht erhältlich oder teurer sind. Sollte das Pfund nachhaltig schwächer als der Euro bleiben, fiele der Preisvorteil als Kaufanreiz weg – diese Umsätze gingen den europäischen Onlineshops verloren.
Beliebtes Shopping-Ziel für China, USA … und Deutschland
Seinerseits ist auch das Vereinigte Königreich bei Cross-Border Einkäufen sehr beliebt und rangierte 2015 auf Platz 1 in Europa vor Deutschland und Frankreich, und weltweit auf Platz 3, wie eine Studie von PayPal und Ipsos belegt. Die Popularität britischer Produkte und der weltweite Gebrauch der englischen Sprachen spielen neben dem fortschrittlichen Offering eine zentrale Rolle. Geschätzte 86,4 Millionen Online-Shopper aus 29 Ländern bestellten 2015 in britischen Shops. 21 Prozent der Cross-Border Umsätze entfallen auf die USA und 15 Prozent auf China, das mit einer absoluten Zahl von 21,9 Millionen Online-Shoppern im Vorjahr den größten Wachstumsschub brachte. Damit liegt Großbritannien in den USA und China jeweils auf Rang 2 der beliebtesten ausländischen Online-Shopping Ziele. Unter den Deutschen Online-Shoppern ist Großbritannien mit 15 Prozent der Befragten auf Platz 1 – noch vor den USA.
Bisher günstige Preise
Generell sind Verfügbarkeit und günstige Preise die Hauptgründe für einen Kauf in britischen Shops. Unter den Europäern klickten 2015 allein 6 Millionen Deutsche und 6 Millionen Franzosen den „Buy“-Button. Bei einer Verunsicherung der Konsumenten durch mögliche Brexit-Konsequenzen stehen also auch für britische Online-Händler etablierte Absatzmärkte und vor allem neues Wachstum auf dem Spiel.
Was in den nächsten Wochen und Monaten tatsächlich passieren wird, vermag derzeit niemand abzusehen. Jedoch ist E-Commerce für seine Schnelllebigkeit und rasanten Entwicklungen bekannt. Wer zögert, verpasst schnell den Anschluss. „Es besteht die Gefahr, dass nötige Investments hinausgeschoben werden, weil Händler die Auswirkungen des Austritts aus der Wirtschaftsunion abwarten wollen. Ein verheerendes Signal, denn gerade jetzt sind die Konsumenten besonders sensibel“, mahnt Roland Fesenmayr. „Zwei Jahre Zitterpartie bis zum eigentlichen Austritt aus der EU würden den Handelsbeziehungen und der Entwicklung des grenzüberschreitenden E-Commerce erheblichen Schaden zufügen – auf beiden Seiten“, so Fesenmayr abschließend.
Bildquellen
- Britain: unsplash.com - Chris Lawton
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