Immer mehr Politiker und Unternehmer fordern eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Schulen sollen schrittweise geöffnet werden, das wirtschaftliche und soziale Leben wieder in kleinen Schritten Richtung Normalität zurückgeführt werden. Aber wie können Unternehmen konkret vorgehen? Wie wird der Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten organisiert? Der folgende Artikel gibt Empfehlungen und Hinweise, wie Unternehmen die Normalität wiederherstellen können.
Die Wirtschaftsweisen des Sachverständigenrates sprechen sich für eine Wiederöffnung der Unternehmen aus, soweit sie die gesundheitsrelevanten Richtlinien einhalten können. Christoph Keese, Geschäftsführer der Axel Springer hy GmbH, spricht von „Safer Work“ und zieht Parallelen zum Aidsvirus und dem etablierten Konzept des „Safer Sex“. Er fordert von Unternehmen die Schaffung einer sicheren Arbeitsumgebung und wünscht sich einen stärkeren Wissensaustausch zum aktuellen Thema.
Distanz und Hygiene sind demnach neu geschaffene Standards, die wir im Home Office pflegen und die auch bei einer Wiederbelebung der Büroräume erhalten bleiben müssen. Die folgenden Empfehlungen richten sich hauptsächlich auf die Schaffung und Einhaltung von gesundheitsrelevanten Rahmenbedingungen, die ein wenig über die allseits bekannten Ratschläge von Desinfektionsspray und Aufklärung über Handwasch-Prozesse hinausgehen. Darüber hinaus ergänzen auch betriebswirtschaftliche Überlegungen die Liste der Empfehlungen für eine Corona Exit Strategie für Unternehmen.
1) Die Ab-Teilung der Abteilung
Für Schulen wird bereits diskutiert, ob Klassen jeweils hälftig aufgeteilt werden, also eine Klasse morgens uns die andere nachmittags beschult wird. Diese „Ab-Teilung“ ist auch für Firmen-Abteilungen realisierbar. Ob nun nach dem Vorbild der Schulen alle Mitarbeiter über mehrere Kernarbeitszeiten auf vormittags und nachmittags verteilt werden oder feste Home- und Büro-Tage gelten sollen – die Reduktion der Zahl gleichzeitig im Betrieb anwesenden Personen ist in vielen Fällen möglich. Wenn viele Unternehmen diese Lösungen einführen, werden zusätzlich Spitzenbelastungen Straßen und der öffentliche Nahverkehr entlastet, was die Ansteckungsgefahr weiter eindämmen könnte.
2) 50% Home Office vorerst Dauerlösung?
Laut W&V sind rund 40 Prozent der deutschen Arbeitsplätze für Home Office geeignet. Nicht jedes Unternehmen kann es sich leisten, seine Mitarbeiter auch für die nächsten Wochen und Monate komplett ins Home Office zu schicken, aber vielleicht einen Teil? Vielleicht sogar die Hälfte? Jedes Unternehmen, dass diese Option hat, sollte den Einsatz prüfen. Betriebswirtschaftlich mag dies auch von Vorteil sein, wenn jede Form von Reisekosten vorerst entfällt.
3) Die Frage der Abteilung: Muss und Kann
Müssen sofort alle Abteilungen gleichzeitig wieder im Unternehmen starten? Die Buchhaltung? Der Einkauf? Die Marketing-Abteilung? Die Produktion? Die Geschäftsleitung sollte bei jeder Abteilung zwischen „Muss“ und „Kann“ unterscheiden. Danach kann ein schrittweiser Plan entwickelt werden, welche Abteilung als erstes wieder die Bürostühle besetzen soll und welche erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehrt. Achtung: Hierbei ist aber eine umsichtige interne Kommunikation notwendig.
4) Die Vernetzung mit Lieferanten und Kunden
Bei „Muss“ und „Kann“ sollte auch berücksichtigt werden, inwieweit Arbeitsprozesse mit den Prozessen bei Kunden und Lieferanten ineinandergreifen. Wenn ich beim Lieferanten noch gar nicht neu disponieren kann, weil er vielleicht in einem Land sitzt, das die Beschränkungen noch nicht aufgelöst hat, muss ich auch nicht die Einkaufsabteilung in vollem Umfang einspannen. Ebenso muss der Vertrieb und das Marketing-Team erst für neue Kundenpotentiale sorgen, wenn das nicht bereits mit Hilfe von Webinar-Strategien oder anderen Instrumenten aus dem Home-Office erfolgte.
5) Video-Konferenzen: Gelebter Standard auch im Office
Das Prinzip der Distanz kann auch im Office weitergelebt werden. Selbst wenn der Kollege im Büro nebenan sitzt, muss ich nicht unbedingt für jedes Gespräch zu ihm oder ihr laufen. Auf dem Büroflur vermeide ich so die Nähe zu anderen Flur-Läufern und die Türklinken fremder Büros muss ich auch nicht herunterdrücken. So bleibe ich in meinem Büro und telefoniere mit dem Kollegen über das Video-Konferenz-Tool – übrigens gilt das für 1:1 Meetings ebenso wie für größere Konferenzen.
6) Die Bewerbung für das Konferenz-Zimmer
Noch eine Schippe drauflegen können Sie mit einer Erschwerung bei der Buchung von Konferenzzimmern. Wo in der Vergangenheit in den Büroetagen deutscher Konzerne die Konferenz-Zimmer wochenlang ausgebucht waren, sollte tunlichst vermieden werden, diese wieder von morgens bis abends durchzubuchen. Natürlich können Sie auch die Nutzung der Zimmer komplett untersagen oder zumindest die Anzahl der Teilnehmer massiv einschränken. Machen Sie sich die Meeting-Regel von Amazon Chef Bezos zunutze. Er lässt kein Meeting zu, bei dem die Anzahl der Teilnehmer nicht von zwei Pizzas satt werden konnten. Alternativ machen Sie es den Mitarbeitern schwerer, einen Konferenzraum zu buchen. Jeder muss dazu eine Checkliste durchlaufen und diese abhaken sowie vor einer Buchung eigenhändig unterzeichnen. Folgende Fragen sollten zum Beispiel auf einer solchen Checkliste stehen:
- Ist das Meeting online nicht durchführbar?
- Falls nicht, nennen Sie bitte Gründe.
- Bietet der Meeting-Raum genug Platz, so dass zwischen jedem Teilnehmer zwei unbesetzte Plätze sind?
- Wurde genug Zeit dafür eingeplant, dass der Meeting-Raum durch den Bucher vorbereitet werden kann, so dass das Meeting sofort startet?
- Ist die Zeit des Meetings auf das absolut mögliche Minimum begrenzt?
7) Masken-Kultur
Womöglich wird das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit in Kürze Pflicht. Warum hier nicht vorgreifen und im Betrieb das Tragen von Masken am Arbeitsplatz als neue Betriebskultur etablieren? Sicher lassen sich hier verschiedene Abstufungen des Maskentragens definieren. Im Einzelbüro muss das Tragen ebenso wenig Pflicht sein wie für bereits genesene Corona-Patienten, die ihre Antikörper durch einen Test nachweisen können. Auf allen Fluren, auf WCs und an den Stellen, wo viele potentielle Mitarbeiter verkehren, sollte eine Maske aber angezogen werden. Bleibt nur die Frage, wer die Masken beschafft. Im Zweifelsfall ist das die moralische Pflicht des Arbeitgebers, dem hier die Möglichkeit obliegt, die Maske im Corporate Design anfertigen zu lassen.
8) (K)alter Kaffee – So wie früher
Ich kann mich noch daran erinnern, als ich Mitte der 90iger meine ersten beruflichen Erfahrungen in einer Buchhaltungsabteilung sammelte. In jedem Büro stand eine kleine Kaffeemaschine auf einer der umlaufenden Fensterbänke. Ob in der Registratur, im Verkaufsraum, in der Einkaufsabteilung oder sonst wo. Natürlich sind wir alle verwöhnt von der teuren Großkaffeemaschine in der Kantine. In diesen Zeiten sollten sich die CEOs fragen, ob der Invest in ein paar kleine Kaffeemaschinen sinnvoll ist und stattdessen die Kantinen noch so lange geschlossen werden, bis der Virus im Griff ist. Mit der Bestellung von Essen kennen sich die Mitarbeiter bereits aus. Auch das Mitbringen von eigenen Lunchpaketen oder einem gesunden Joghurt ist sinnvoll, zumal letzter auch die unproduktive Müdigkeit nach dem Mittagessen entscheidend bremsen kann.
9) Gesundheitskontrolle schon vor dem Büro
Zu Beginn der Corona-Krise in Deutschland zeigte der WDR im Fernsehen ein Unternehmen, bei dem der Hausmeister im Eingangsbereich jeden Mitarbeiter vor dem Betreten des Firmengebäudes mit einem Fieber-Thermometer empfing. Erst wenn der Mitarbeiter kein Fieber aufwies, durfte er zu seinem Arbeitsplatz. Einen ähnlichen Weg nimmt auch die Corona-App vom RKI, die unter anderem die Temperatur über Wearables prüft.
Womöglich könnte man Mitarbeiter auch dazu bewegen, selbst Fieber zu messen und es in einem Online-Protokoll einzutragen, bevor das Haus oder die Wohnung verlassen wird. Der Umgang und die Achtsamkeit mit dem eigenen Gesundheitszustand wird so gefördert.
10) Die (Re-)Fokussierung auf Umsatzbringer
Bei der Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeiten ist neben allen gesundheitlichen Bedingungen auch der betriebswirtschaftliche Fokus wichtig. Unternehmen wissen, von welchen Kernprodukten und –Dienstleistungen deren Umsatz und Gewinn abhängig sind. Gemäß dem Paretoprinzip (80-zu-20-Regel) werden bei vielen Unternehmen mit 20 Prozent der Aufwände 80 Prozent der Ergebnisse und damit der Umsätze erwirtschaftet. Diese 20 Prozent der Kerntätigkeiten sind, soweit dies möglich ist, in der Wiederaufnahme der Tätigkeiten zu priorisieren. Lesen Sie auch unseren weiterführenden Artikel zur Optimierung von Budgets in Zeiten der Krise.
11) Das (digitale) Lernen fördern
In Rezessionen kürzen Unternehmen fast immer als erstes ihre Kosten im Bereich der Weiterbildung. Das daraus entstehende Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der Firma dürfte hinreichend bekannt sein. Dank Digitalisierung stehen heute viel mehr Möglichkeiten für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zur Verfügung als früher. Außerdem sind die Kosten für digitale Trainings meist günstiger, zumal schon die Reisekosten wegfallen. Aus den genannten Gründen sollte die Weiterbildung der Mitarbeiter auch in Corona-Zeiten nicht zu kurz kommen. Wir merken auf unserem Magazin ein verstärktes Interesse für E-Learning. Zum einen wird unser Softwarevergleich zu Learning Management Systemen stärker heruntergeladen. Zum anderen verzeichnen wir einen höheren Leseranteil bei unserem Webinarkalender. Interesse für die digitale Weiterbildung ist somit in ausreichender Form vorhanden. Klasse wäre es, wenn die Weiterbildung auch von den Unternehmen unterstützt und begleitet wird.
Bildquellen
- restart_corona-strategie: Pexels
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