Seit Ende letzter Woche haben wir unseren Betrieb nahezu komplett auf Home Office umgestellt. Grundsätzlich ist es für uns nichts komplett Neues, da wir unseren Mitarbeitern einen Tag pro Woche Home-Office anbieten. Der große Unterschied besteht nun aber in zwei Aspekten: Erstens entstehen völlig neue Anforderungen an das Remote Management aus Perspektive der leitenden Mitarbeiter. Zweitens muss der Mitarbeiter auf sich selbst gestellt auf unbestimmte Zeit von zuhause aus „funktionieren“. Dieser Artikel fokussiert auf den zweiten Aspekt und gibt praxisorientierte Hinweise, wie Home Worker ihren Arbeitsalltag gestalten, um vielleicht sogar erfolgreicher zu sein als aus dem Office heraus. Nicht eingehen werden wir auf rechtliche Aspekte, die im Netz bereits ausreichend erklärt sind.
Ich habe im Jahr 2001 gesundheitsbedingt mehrere Monate von zuhause aus gearbeitet. Die ersten Tage und Wochen funktionierten noch recht gut. Irgendwann schlich sich aber eine Lethargie in meinen Arbeitsalltag als Home-Office Arbeiter ein. Ich stand später auf als in meinem Büroalltag. Ich entledigte mich erst nachmittags meines Schlafanzugs und manchmal ertappte ich mich sogar dabei, dass ich mich für die nächste Nacht gar nicht umziehen musste. Das Ergebnis: Ich brauchte eine aus mir selbst heraus funktionierende Struktur, die meinen Arbeitsalltag wieder auf ein normales Niveau zurückfahren musste. Da die folgenden Ratschläge sehr persönlich sind hoffe ich es ist für Euch in Ordnung, dass ich Euch als Leser in diesem Fall duze.
1) Das Morgenritual – Zieh Dich an, als wenn Du ins Büro fährst
Nutze einen Wecker, der Dich um die gleiche Zeit weckt wie in Deinem bisherigen Büroalltag. Ritualisiere Deine Weckzeit für jeden Tag Deiner Arbeitswoche. Zieh Dich an, als wenn Du ins Büro fährst oder einen Kunden besuchst. Das Gefühl, dass mit Hilfe dieser Ritualisierung im Kopf entstehen wird, ist dass der Unterschied zur Arbeit im Büro nur sehr gering ausfallen sollte. Der Anspruch an sich selbst ist häufig ein anderer, wenn man im Schlafanzug am Rechner sitzt, oder wenn man Office-Kleidung trägt.
2) Manage Dich über Deine Kollegen
Ein morgendliches digitales Standup-Meeting mit den Kollegen oder dem Vorgesetzten ist absolut zu empfehlen. (Lies hier einen Artikel, wie man Webkonferenzen vorbereitet, durchführt und nachbereitet). Dabei solltest Du nicht nur ein Telefonat führen, sondern unbedingt eine Videokonferenzsoftware einsetzen. Kostenfrei ist zum Beispiel Google Hangout. Auch Skype oder andere Tools kannst Du finden, falls so etwas noch nicht vom Unternehmen angeboten wird. Warum eine Videokonferenz-Software? Es geht darum, den Alltag so gut wie möglich nachzubilden. Dazu gehört, Dein Gegenüber Gesicht zu Gesicht zu sehen. Das muss nicht unbedingt während des kompletten Meetings der Fall sein. Aber eine Begrüßung und eine Verabschiedung per Face to Face Konferenz ist wichtig. Abgesehen davon entsteht dann auch der notwendige Druck, das erwähnte Morgenritual durchzuführen und gestylt und vernünftig angezogen vor dem Rechner zu sitzen.
3) So sieht der perfekte Home Office Arbeitsplatz aus
Finger weg vom Küchentisch. Dein Heimarbeitsplatz braucht ein Umfeld, dass möglichst die Situation im Büro nachbildet. Schaffe Dir daher genug Platz auf einem Tisch, den Du nicht für jede Mahlzeit wieder aufräumen musst. Achte auch darauf, dass der Platz genügend Licht bietet, schließlich beeinflussen die Lichtverhältnisse neben Deinen Augen auch Deine Stimmung. Die sollte gerade im Home-Office hoch gehalten werden. Das bringt mich zum nächsten Tipp…
4) Nutze Vitamin D – Verlege Deinen Arbeitsplatz immer mal wieder nach draußen
Solange Du einen Balkon oder Garten hast, nutze ihn! Soweit es nicht stürmt und schneit, sorgt die Arbeit an der frischen Luft für gute Laune und die Aufnahme von Vitamin D. Wenn möglich, verlagere einfach ein paar Telefonate nach draußen oder setz Dich mit Deinem Laptop auch mal auf die Terrasse. Alternativ zum Laptop hilft auch Zettel und Stift, um ein paar Aufgabenlisten zu erstellen oder Konzepte zu scribbeln, die danach nur noch abgetippt werden müssen. Falls es noch zu kalt ist, pack Dich mit Decke und Mantel ein.
5) Gönne Dir mentale Auszeiten und Bewegung
Die ganze Zeit über allein zuhause zu sitzen ist nicht einfach. Schnell fällt einem sprichwörtlich die Decke auf den Kopf. Warte nicht, bis dieses Problem eintrifft. Nutze proaktiv die Möglichkeiten, die Dir in Deiner direkten Umgebung zur Verfügung stehen. Auf kleinstem Raum kannst Du in jedem Fall ein paar sportliche Übungen einschieben, sei es Yoga, Liegestütze oder Ähnliches. Falls Du noch nicht meditierst, ist jetzt eine gute Zeit, sich damit zu beschäftigen. Meditation führt in diesen Zeiten zu einem „Gedanken-Cleaning“, dass jeder Mensch gut gebrauchen kann. Kauf Dir ein Buch dazu und fang damit an.
6) Der Plausch mit den Kollegen
Richtet im Team einen Online-Chat an, den Ihr beruflich wie auch für den freundschaftlichen Austausch nutzen könnt. So bleibt Ihr untereinander up to date. Außerdem ist ein kleiner Spruch oder eine neue Empfehlung für eine Serie auf Netflix zwischendurch gern gesehen und sorgt für Abwechslung. Achtet nur darauf, dass Abwechslung nicht in Ablenkung endet. Ein permanentes Bedudeln durch Chats und Messenger kann für eine Aufgabe schnell kontraproduktiv werden. Braucht Ihr deshalb viel Konzentration, schaltet für diese Zeit die Chats auf stumm.
7) Achtung Süßigkeiten
Die Schublade mit den Leckereien, die im Office vielleicht fehlt, ist in der heimischen Wohnung oder im Haus immer erreichbar. Das verleitet zu ungesundem Essen. Um hier vorzubeugen, zwei Tipps, die vielleicht ungewöhnlich sind.
Bastelt Euch gesunde Snacks. Möhren, Salat-Sticks, Paprika und frisches Obst zwischendurch sind allemal besser als Schokolade und Fruchtgummi.
Wenn Ihr Euch ein Stück Schokolade aus der Süßigkeiten-Schublade gönnen wollt, legt Euch die Aufgabe auf, vorher immer eine Sportübung – zum Beispiel 10 Liegestütze oder 10 Kniebeugen – zu machen. Erst dann greift Ihr zur Schokolade. Während Ihr die Übung macht, könnt Ihr immer noch einmal darüber nachdenken, die Süßigkeit später zu essen.
8) Manage Deine Ziele – Tagesziele, Wochenziele, Monatsziele
Wahrscheinlich existieren einige Ziele, an denen Deine Arbeit gemessen wird. Als Contentmanager werden ein paar Deadlines für Texte angegeben, an die man sich halten muss. Sollten nur Monats- oder sogar Jahresziele kommuniziert sein, ist es jetzt an der Zeit, diese herunterzubrechen. Was muss pro Woche und was muss pro Tag erledigt werden? Die richtige Planung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Arbeit im Home Office Früchte tragen kann. Natürlich liegt die Verantwortung auch beim Vorgesetzten, der das Remote Management beherrschen sollte. Wer selbstständig ist, muss sich auch selbst um die Erreichung der eigenen Ziele kümmern. Trotzdem sollten auch abhängig Beschäftigte ihre Ziele hinterfragen und für sich planen und kontrollieren, ob die Ziele erreichbar sind. Die Gespräche über Tages- und Wochenziele sind immer auch Thema in den Standup-Meetings, die täglich ein bis zwei Mal stattfinden sollten.
9) Herausforderung Kinder und Home Office
Ein paar Worte möchte ich noch zum Thema Kinder und Home-Office verlieren. Gerade kleine Kinder beanspruchen viel Zeit. Soweit die Kleinen zuhause sitzen, weil gerade die Schule oder Kita geschlossen ist oder weil sie krank sind, sollte man sich freie Zeiten schaffen, indem man die Kinder mit anderen Dingen beschäftigt. Fast alle Kinder lieben das IPad und den Fernseher. Eine gewisse Zeit am Tag kann man ihnen diese Zeit spendieren. Vielleicht mit informativeren Sendungen wie Was ist Was, bei dem sie noch etwas lernen. Die gewonnene Zeit sollte man investieren, die Aufgaben zu bewältigen, die wirklich viel Konzentration erfordern.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Wecker auf eine Uhrzeit zu stellen, in der die Kinder noch schlafen. So kann man zum Beispiel von 5.30-7.30 Uhr eine Menge Arbeit erledigen und erst dann die Kinder wecken, wenn es möglich ist.
Unabhängig davon muss man die Kinder darüber aufklären, dass man bei der Arbeit Ruhe braucht. Je älter die Kinder sind, desto verständnisvoller werden sie reagieren.
10) Das Ende des Arbeitstags
Am Ende des Büro-Arbeitstags schaltest Du den Rechner ab und fährst nach Hause. Da Du nun von zuhause aus arbeitest, verschwimmt die Arbeitszeit schnell. Auch wenn ich ein Freund davon bin, aufgaben- und zielorientiert zu arbeiten, anstatt auf die Uhrzeit zu schauen, sollte man sich im Home Office selbst reglementieren und zumindest einen Zeitpunkt festlegen, an dem man den Computer ausschaltet und seinen Freizeitgewohnheiten nachgeht, soweit das möglich ist. Legt deshalb selbst eine Uhrzeit fest, zu der Ihr spätestens Euren wohlverdienten Feierabend einläutet.
Hoffentlich helfen diese Ratschläge dabei, die Performance im Home Office zu erhalten oder sogar zu steigern und dabei soziale Beziehungen zu erhalten, soweit dies vor allem über digitale Lösungen möglich ist. Wenn Dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns darüber, wenn Du ihn teilst.
Alles Gute im Home Office!
Bildquellen
- home-office-regeln-und-organisation: Photo by Andrea Piacquadio from Pexels
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