Wie Marketeers Scrum erfolgreich einsetzen – und wann sie es besser lassen


Die offensichtlichen Vorteile eines Scrum-basierten Projektmanagements sind eine hohe Transparenz, ein besserer Projektüberblick für alle Beteiligten und eine verkürzte Time-to-Market, da funktionsfähige Ergebnisse schneller vorliegen. Kein Wunder also, dass Scrum als agile Projektmanagement-Methode auch bei Marketingverantwortlichen im B2B-Bereich immer beliebter wird – sei es beim Relaunch der neuen Unternehmenswebsite oder bei der Umsetzung eines B2B-Shops.

Um ein Projekt mit Scrum erfolgreich durchzuführen, müssen Marketeers die folgenden Prozesse planen und durchführen:

1. Projektvision und messbare Ziele formulieren

Die wichtigste Aufgabe im Vorfeld besteht darin, eine konkrete Projektvision und messbare Ziele zu formulieren. Was will ich mit der neuen Unternehmenswebsite erreichen? Welche Ziele verfolge ich mit meinem B2B-Shop? KPIs können z.B. die Anzahl von Kundenanfragen oder Content-Downloads sein, oder dass ein bestimmter Prozentsatz an Bestellungen oder Rechnungen zukünftig über den Shop abgewickelt wird. Nur mit messbaren Zielen lässt sich im Verlauf der Projektumsetzung feststellen, ob die durchgeführten Maßnahmen erfolgreich und zielführend sind.

2. Backlog mit User-Stories aufbauen

Alle Anforderungen und Ideen sollten im sogenannten Backlog festgehalten werden. Für diese Liste eignen sich „User Stories“ am besten. Diese beschreiben in einer Überschrift und ein bis zwei Sätzen in allgemein verständlicher Sprache eine Anforderung aus Benutzersicht, einschließlich des Nutzens.

3. Backlog/User-Stories priorisieren

Haben alle Projektbeteiligten ihre User Stories formuliert, werden sie priorisiert. Nicht im Sinne einer ABC-Einteilung, sondern in Form einer eindeutigen, numerisch geordneten Liste. So wird sichergestellt, dass tatsächlich das Wichtigste zuerst umgesetzt wird. Im Zuge der Priorisierung sollte man für jedes Feature eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen. Anhand der festgelegten Ziele werden die Features am höchsten priorisiert, die den größten Nutzen bei geringen Kosten erzielen.

4. Anforderungen gemäß der festgelegten Reihenfolge umsetzen und prüfen

Nach der Priorisierung wird die Backlog-Liste von oben abgearbeitet. Dabei gilt stets: „inspect and adapt“ – testen und anpassen. Es ist einer der großen Vorzüge von Scrum: Zeigt sich bei den zwei- bis dreiwöchentlich stattfindenden Sprint-Reviews, dass Änderungen an einem bestimmten Feature nötig sind, können diese im laufenden Projekt zeitnah umgesetzt werden – und tauchen nicht erst ein Jahr später als Change Request auf. Durch kontinuierliche Messungen wird zudem schnell sichtbar, ob die entwickelten Features auf das Erreichen der festgelegten Ziele einzahlen.

Um die Vorteile von Scrum nutzen zu können, müssen allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Ansonsten sollten Marketingverantwortliche von einem Projektvorgehen mit Scrum absehen. Im Vorfeld eines Projekts sind darum folgende Aspekte zu prüfen:

1. Zeitliche Ressourcen des Auftraggebers (Product Owner)

Während bei einem Scrum-Projekt der zeitliche Aufwand für Konzeption, Planung und Abstimmung im Vorfeld zwar deutlich geringer ist als bei herkömmlichen Projekt-Verfahren, darf man den Zeitbedarf während des Projekts aber nicht unterschätzen. Marketeers sind es gewohnt, dass sie zwar im Vorfeld viel Zeit in die Konzeption und Planung investieren – die Umsetzung obliegt dann aber meist anderen, z.B. der Werbeagentur. Der Marketingverantwortliche muss meist nur noch Abstimmungs- und Freigabeprozesse mit überschaubarem Zeitaufwand durchführen. In einem Scrum-Projekt hingegen finden regelmäßige Abstimmungen statt – vom täglichen Status-Meeting bis zu den zwei- oder dreiwöchentlichen Sprint-Planning- und Sprint-Review-Treffen. Der verantwortliche Product Owner muss also sicherstellen, dass er 30 bis 50 Prozent seiner Zeit auf das Projekt verwenden kann.

2. Entscheidungskompetenz des Projektverantwortlichen

Ist der Marketeer der Hauptansprechpartner für das Projekt und übernimmt er die Rolle des Product Owners, so muss er auch die Entscheidungskompetenz mitbringen. Um Anforderungen im Rahmen der Sprints umsetzen zu können, sind zeitnah Entscheidungen zu treffen. Wenn der Projektverantwortliche etliches nur in Absprache mit der nächsthöheren Führungsebene entscheiden darf, wird aus dem agilen Vorgehen ein behäbiges Voranschleichen.

3. Vertrauensvolle Zusammenarbeit und positive Fehlerkultur

Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter und in beteiligte Dienstleister sind die Grundlage eines erfolgreichen Vorgehens mit Scrum. Ebenso unverzichtbar sind eine positive Fehlerkultur und die Freiheit des Teams, eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten zu dürfen. Nicht jeder Sprint kann gleichermaßen erfolgreich verlaufen. Hier braucht das Unternehmen bzw. der Product Owner eine gewisse Toleranz – und das Vertrauen, dass die Beteiligten aus Fehlentwicklungen lernen und Lösungen finden.

4. Flexible und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit

Während in großen Unternehmen oft das vielzitierte Silo-Denken vorherrscht, arbeiten in einem Scrum-Projektteam alle benötigten Experten eng zusammen. Diese abteilungsübergreifende Bündelung von Know-how trägt dazu bei, dass Fehlentwicklungen und der Korrektur- und Ergänzungsbedarf im Projekt deutlich schneller identifiziert werden. Im Unternehmen braucht es also die Bereitschaft, Mitarbeiter unterschiedlichster Abteilungen selbstorganisiert zusammenarbeiten zu lassen.

Marketingverantwortliche, die sich nicht sicher sind, ob Scrum in ihrem Unternehmen die passende Methode für ein geplantes Projekt ist, können das agile Vorgehen zunächst im Rahmen eines kleineren, überschaubaren Projekts ausprobieren. Hierfür eignet sich beispielsweise die Erweiterung einer bereits bestehenden Software oder Plattform um zusätzliche Features, mit einer veranschlagten Projektlaufzeit von zwei bis drei Monaten. In diesem Rahmen können alle Beteiligten testen, ob eine agile Arbeitsweise erfolgreich möglich ist – und etwaige Bedenken durch gute Ergebnisse widerlegen. Für den Einstieg in Scrum empfiehlt sich gegebenenfalls auch die Begleitung durch erfahrene Scrum-Experten. Kick-off-Workshops und begleitende Beratung durch Scrum-Coaches tragen gerade in Unternehmen, die noch keine Erfahrung mit agilen Projektmethoden haben, dazu bei, dass sich ein Projekt mit Scrum erfolgreich realisieren lässt.

Autor: Axel Jahn, Geschäftsführer Netpioneer GmbH

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