Kiosksysteme am POI/POS – Ideen und Strategien für erfolgreichen Omni-Channel-Commerce


Schon seit längerem sind sie vereinzelt in den Verkaufsräumen verschiedenster Händler zu finden – Kiosksysteme mit unterschiedlich ausgeprägten Funktionsspektren und dem in Aussicht gestellten Potenzial, eine Brücke zwischen Off- und Onlineshop zu bilden. Aufgrund der hohen Anschaffungs- und Wartungskosten für die Hardware, häufig unschlüssiger Konzepte oder schlechter Bedienbarkeit der eigens für das Terminal entwickelten Applikationen zur Steigerung des Kundennutzens, konnte sich dieses Konzept, mit wenigen Ausnahmen, bisher allerdings nicht durchsetzen. Teilweise bieten die Terminals ausschließlich Zugriff auf den Onlineshop des Händlers, in dessen Ladengeschäft sich der Kunde ohnehin befindet. Dabei werden meist Informationen bereitgestellt, beispielsweise mittels Scanner-Funktion für EAN Codes, die der Kunde auch von Zuhause aus, oder über sein Mobilgerät hätte abrufen können. Ein attraktiver Zusatznutzen ist für den Kunden somit nicht gegeben und Infolge dessen stellt sich die Frage, ob sich die verhältnismäßig hohen Investitionskosten auch amortisieren.

Klassische Kiosksysteme grenzen sich zudem gerade dadurch von reinen Internet-Terminals ab, dass sie nicht ausschließlich Internetzugang bieten, sondern gezielt die vom Händler gewünschten Informationen präsentieren[1].

Das Ende des klassischen Kiosksystems?

Dennoch ist das Konzept des Kiosksystems am POI (Point of Information) und POS (Point of Sale), durchaus zukunftsträchtig, allerdings in technisch modifizierter Form. An die Stelle teurer Kiosksystem-Installationen treten Tablet-PCs, beispielsweise in speziellen Halterungen, die gegenüber konventionellen Kiosk-Terminals diverse Vorteile bieten: Tablets sind um ein Vielfaches günstiger als ein großes Kiosksystem (∼200 € für eine Wandhalterung plus z.B. iPad für 380 €) bei gleichzeitig wegfallendem Wartungsaufwand und sofortiger Einsatzbereitschaft. Darüber hinaus sind die Nutzer mit dem Bedienkonzept von Tablet-PCs mittlerweile weitestgehend vertraut und können sich ohne Hilfe durch einen Mitarbeiter oder ein Tutorial-Video an den Geräten zurechtfinden.

Ausgedient haben klassische Kiosksysteme aber nicht. Durch ihre widerstandsfähige Bauweise werden sie auch zukünftig im Außenbereich oder an stark frequentierten Plätzen eingesetzt werden. Als Wegeleitsysteme in Baumärkten, Shopping-Malls oder in den SB-Hallen von Möbelhäusern haben sie zum Beispiel auch zukünftig eine Existenzberechtigung.

Welchen Nutzen unter welchen Voraussetzungen?

Die Anschaffung eines Tablet-Kiosksystems unterliegt, wie bereits erwähnt, nicht mehr der gleichen finanziellen Hürde wie eine klassische Installation. Auch die Erweiterbarkeit durch Peripheriegeräte (Kameras, Drucker, Scanner, Near Field Communication (NFC) etc.) ist attraktiver und flexibler. Dennoch sollten dem Einsatz Strategieüberlegungen vorausgehen. Sonst bleibt das Potenzial der Tablet-Lösung für den erfolgreichen Omni-Channel-Commerce ungenutzt.

Wie können Tablets als Kiosksystem-Substitut also genutzt werden?

Der effiziente Einsatz von Kiosksystemen erfordert grundsätzlich eine Omni-Channel-fähige IT-Landschaft, die den Anforderungen der Kunden gerecht wird. Grundlegend sind dabei zuerst Daten und Strukturen. So ist es zum Beispiel wichtig, Kundeninformationen und Produktinformationen zentral zu erfassen und verfügbar zu machen. Auch bereits verfügbare kundenspezifische Transaktionsdaten und Supportinformationen können für ein personalisiertes Kundenerlebnis und Cross-Selling-Optionen am POI/POS interessant sein. Letztendlich sollten sich natürlich auch einzelne Kampagnen und Marketing-Aktionen auf diesen Touchpoints konsistent wiederspiegeln.

Als nächster Schritt sind die Prozesse, Tools und die Organisation zu gestalten. Auch hier muss die Technik stimmen, um Daten und Strukturen mit den Kanälen zu verbinden. Denn der reale Verkaufsraum mit seinem Informationsterminal ist schließlich ein eigener Kanal. Hier entscheiden das auf den Kanal abgestimmte Content Angebot, spezifische Mehrwerte und die intelligente Vernetzung zwischen den einzelnen Kanälen über den Erfolg, dem Kunden ein einmaliges Verkaufserlebnis zu bieten. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, droht mit dem Wechsel des Kanals durch den Kunden oftmals auch der Wechsel des Anbieters hin zur Konkurrenz.

Kundenerwartungen und die Realität

Wie eine Studie von Accenture und dem Software-Unternehmen hybris aus dem März 2014 zeigt, sind für erfolgreichen Omni-Channel-Commerce weitreichende Informationen über Produktverfügbarkeit im Retail-Bereich von essenzieller Bedeutung. Ganze 71% der Befragten, die sich aus 1.500 Omni-Channel Kunden und 256 Entscheidungsträgern aus Frankreich, Deutschland, den USA und Großbritannien zusammensetzen, erwarten zum Beispiel Online-Informationen auf den Warenbestand im Ladengeschäft. 50% möchten die Ware online bestellen und im Laden abholen können. Dieser Erwartungshaltung stehen jedoch nur 39 % der Retailer gegenüber, die die In-Store Abwicklung von Online-Einkäufen meistern können[2].

Denkbar wäre auch, dem Kunden während er sich im Ladengeschäft befindet und der von ihm gesuchte Artikel nicht verfügbar ist, die Möglichkeit zu bieten, den Artikel selbstständig am Terminal zu bestellen und am nächsten Tag im selben oder einem anderen Ladengeschäft abzuholen. Das Verkaufspersonal wird durch die Übertragung des Bestellvorgangs auf den Kunden entlastet.

Unterstützt durch Benachrichtigungsservices kann diese Option beispielsweise dann nützlich sein, wenn es für den Kunden einfacher ist die Filiale aufzusuchen, als sich das Paket nach Hause schicken zu lassen wo er es gegebenenfalls innerhalb der regulären Lieferzeiten nicht entgegennehmen kann.

Bei dringendem Bedarf kann in diesem Zusammenhang das Konzept der Same-Day-Delivery, wie es bereits von der Media-Saturn Gruppe in deutschen Großstädten getestet wird[3], aufgegriffen werden. Der Kunde ist in den meisten Fällen mit einer festen Kaufabsicht in das Ladengeschäft gekommen. Mittels Same-Day-Delivery kann die Kundenzufriedenheit in diesem Szenario auch dann gewährleistet werden, wenn der Kunde das Produkt nicht sofort mitnehmen kann – wird er den gewünschten Artikel doch auf jeden Fall noch am selben Tag in Händen halten.

Ein anderes Feature kann der Hinweis auf die Verfügbarkeit des gewünschten Artikels in einem anderen Ladengeschäft des Händlers in unmittelbarer Nähe ausmachen, inklusive Reservierung des spezifischen Artikels durch den Kunden.

Entsprechend dem Konzept des Omni-Channel Commerce kann die Bezahlung des online bestellten oder reservierten Artikels im Ladengeschäft direkt vor Ort erfolgen.

Neben der Warenallokation können Tablet-Lösungen im Offline-Handel den Kauf von Komplementär-Artikeln einleiten. Man stelle sich einen Kunden vor, der eine neue Kamera kaufen möchte und dazu noch eine Kameratasche benötigt. Über einen EAN- oder QR-Code kann der Kunde die Kamera an einem „Tablet-Terminal“ über die integrierte Kamera erfassen und sich daraufhin das exakt passende Zubehör für seine Kamera und dessen aktuelle Verfügbarkeit anzeigen lassen. Zusätzlich wären in Kooperation mit dem Hersteller exklusive Inhalte denkbar, die dem Kunden nach Registrierung des Produkts direkt am Point of Sale zur Verfügung gestellt werden, wie beispielsweise Expertentipps zum Produkt, besondere Features oder, am Beispiel der Kamera, gratis zur Verfügung gestellte Software, die regulär kostenpflichtig wäre. Denkbar ist natürlich ebenfalls ein APP-Magazin, welches dem Kunden nach der Registrierung am Terminal gratis für zuhause zugänglich gemacht wird. Die darin enthaltenen Inhalte (Tutorials, Hidden Features, Optimierungs- und Individualisierungsmöglichkeiten etc.) können auf das vom Kunden gekaufte Produkt abgestimmt werden.

Nutzung auch außerhalb des stationären Handels denkbar

Abseits des stationären Handels können Tablets den Messeauftritt von Unternehmen unterstützen und die Lead-Generierung erleichtern. Gerade im B2C-Bereich kann der Einsatz von Tablets auf Messen sinnvoll sein, da der Interessent seine Daten initial sofort in digitaler Form hinterlässt. Andere Formen der Adressengenerierung sind oftmals mit der späteren Übertragung der Daten per Hand in ein CRM-System verbunden. Der Einsatz von Tablets mit Adressformular und mit direkter Anbindung an das jeweilige CRM-System kann den Schritt der manuellen Eingabe umgehen. Eine hohe Besucherfrequenz führt dieses System jedoch an seine Grenzen, da die Eingabe am Tablet länger dauert als per Hand in ein Kartenformular o.Ä. und bei großem Andrang die vorhandenen Tablets eventuell schnell belegt sind.

Die Möglichkeiten von Tablets sind dabei jedoch nicht stationär beschränkt, sondern können auch mobil vom Verkaufspersonal genutzt werden. Ein Beispiel für die Unterstützung von Verkaufspersonal und die Verknüpfung von On- und Offline-Geschäft stellt der Schrauben- und Werkzeughersteller Würth dar. Das Unternehmen, dessen Hauptabsatzkanal der Vertrieb über Außendienstmitarbeiter ist, hat sich das erklärte Ziel gesetzt, seinen Online-Absatz und damit den Gesamtumsatz zu stärken. Zu diesem Zweck sollen die Verkäufer zukünftig mit Tablets ausgestattet werden, um Kunden Produkte vorführen und diese auch sofort online bestellen zu können.

Mobil genutzte Tablets können so vom Verkaufspersonal als Unterstützung genutzt werden, um den Kunden, die sich bei komplexen und/oder hochpreisigen Produkten meist schon online informiert haben, zusätzliche Informationen und Details bieten zu können. Gerade die Beratung stellt einen wichtigen Vorteil des stationären Handels gegenüber der Online-Konkurrenz dar. Mittels des Einsatzes von Tablets kann der Vorteil der persönlichen Beratung mit dem Online-Geschäft verbunden werden: die Beratung vor Ort unterstützt die Kaufentscheidung, die Abwicklung des Bestellprozesses findet dann online über das Tablet statt.

Das Tablet befähigt den stationären Handel darüber hinaus dazu, den Kunden das gesamte Produktsortiment zu präsentieren und das trotz eingeschränkter Verkaufsfläche, wenngleich auch nicht mit physischer Präsenz.

Fazit:                       

Das Tablet als Omni-Channel-Standbein im stationären Handel ist eine interessante und kostengünstige Alternative zur klassischen, solitären Säule. Allerdings werden Kiosksysteme erst durch zielführende Nutzungskonzepte und eine vernetzte IT-Struktur (Lagerverwaltung, CRM, CMS etc.) zu einer Bereicherung für Ladengeschäfte und Kunden. Dabei sollte auf einfache und intuitiv verständliche Handhabung geachtet werden, bedingt durch unterschiedliche Nutzererfahrung im Umgang mit Tablets.

Ein einfacher Zugriff auf die Onlinepräsenz (Internet-Terminal) schöpft die Möglichkeiten des Systems nicht aus, kann allerdings dann sinnvoll sein, wenn der Online-Shop Verfügbarkeiten in nahegelegenen Ladengeschäften abbildet oder die Lieferung des vergriffenen Artikels direkt zum Kunden via Same-Day-Delivery anbietet.

Um das Potenzial stärker zu nutzen, sollten Tablets echte Mehrwerte für die Kunden bieten, sei es in Form von Beratungsunterstützung für das Verkaufspersonal oder stationär im Ladengeschäft. Mehrwerte können Produktinformationen, Zubehörinformationen, Expertentipps, Registrierungsmöglichkeiten mit kostenlosen Software-Downloads die sonst kostenpflichtig sind usw. sein.

[1] Taubert, Janin; „Absentia in Praesentia? – Zur Präsentation und Vermittlung digitaler Medien im physischen Raum“; Dinges & Frick GmbH; Wiesbaden; 2013; S.79.

[2] http://www.hybris.com/de/news-events/press-releases/140317-accenture-hybris-research (13.05.2014)

[3] http://www.ecin.de/aktuell/18943-media-saturn-und-tiramizoo-testen-same-day-delivery.html (14.05.2014)

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