Klassische Werbung wird immer wirkungsloser. Deshalb stürzen sich auch bei uns viele Unternehmen auf das Content Marketing als neue Wunderwaffe. Doch ob sie funktioniert, hängt von der richtigen Strategie, geeigneten Tools und vor allem zielgruppengerechten Inhalten ab.
Egal, welche Studie man sich auch anschaut: Ob vom Softwareriesen Oracle oder von der Kommunikationsagentur Waggener Edstrom. Von Adobe oder vom Content Marketing Institute. Unisono sind sich alle Marktbeobachter und Experten einig: Content Marketing ist der Trend im Jahr 2014 und führt Unternehmen zu neuen Marketingerfolgen. Aber glauben das wirklich alle?
Nein, natürlich nicht. So beklagt Karrierebibel-Blogger Jochen Mai, dass sich hinter dem Hype-Begriff „Bullshit – alter Wein von denselben Flaschen wie eh und je…“ verbirgt. Und Peter Bernthaler stieß vor ein paar Wochen im Blog der PR-Agentur Sympra ins gleiche Horn: „Was die Content Marketing Fanfraktion als einen völlig neuartigen Stein der Weisen verkauft, … das machen wir seit 21 Jahren.” Also tatsächlich nur analoger Wein in digitalen Schläuchen?
Der Kunde entscheidet selbst
Das ist etwas zu kurz gedacht. Natürlich ist Content – etwa in Form von Websites, Kundenmagazinen, Fachartikeln, Case Studies, Whitepapers, Videos, Blogbeitragen oder Infografiken – schon immer „der King“. Und Content Manager, PR-Experten oder Corporate Publisher produzieren seit jeher spannende Geschichten, die von den Adressaten gelesen werden. Aber trotzdem verkennt die „Alter Wein in neuen Schläuchen”-These die neue Qualität, die Content Marketing bedeuten kann und die erst in den letzten Jahren möglich geworden ist.
Wer den Schlagabtausch zwischen der Werbe-Ikone Thomas Koch und Jan Steinbach vom jungen Düsseldorfer Start-Up Xengoo verfolgt hat, konnte noch ganz andere Aspekte dieses Themas kennen lernen. Denn auch klassische Werber wie Steinbach erkennen zunehmend den wachsenden Bedeutungsverlust der Push-Kommunikation über Print-Anzeigen, TV-Spots oder Bannerwerbung im Internet. Sie suchen nach neuen Wegen, ihre Zielgruppen zu erreichen und sind beim Inbound-Marketing mit Hilfe von High-Quality-Content gelandet. Das zudem kostengünstiger als klassische Werbung ist.
„Content Marketing beginnt mit einer Strategie und lebt am Ende von den Inhalten“, betont Jan Steinbach. Die dabei eingesetzten Tools sind und sollten nur als Mittel zum Zweck dienen. Es gehe einzig und allein um den Dialog mit dem Adressaten. „Diesen müssen wir einladen, mit uns in den Austausch zu treten. Wann und wie der Kunde dies macht, entscheidet er selber. Wir können ihm durch unser Content-Angebot nur Anreize geben, den Dialog zu beginnen“, so der Xengoo-Gründer. Das Stichwort für anreizschaffende Content-Angebote laute dabei „Relevanz”.
Ziel ist die knallharte Leadgenerierung
Das Erzeugen von relevanten Inhalten und ihre Verbreitung ist allerdings nur die eine Seite von Content Marketing. „Ganz egal was Ihnen Agenturen oder die eigene Marketingabteilung über den neuen Trend Content Marketing erzählen, wenn die Wörter Leads und Kundengewinnung nicht vorkommen, schmeißen Sie diese Leute raus“, hat der Wiener PR-Experte Martin Bredl kürzlich gebloggt. Genau das ist der Punkt. Es geht um das Generieren von Leads – also von Kontakten, mit denen der Vertrieb in den Unternehmen etwas anfangen kann. Abrechenbare Erfolge stehen heute im Zentrum einer Content-Marketing-Strategie. Das unterscheidet sie von vielen anderen Instrumenten im Marketing.
Möglich macht das die Webanalyse, mit der Traffic und Conversions, Downloads von Whitepapers und Case Studies oder die Teilnehmerzahlen an einem Webinar genau gemessen werden können. Mit Hilfe einer suchmaschinengerechten Optimierung der Inhalte werden Interessenten angelockt. Dazu sind erst einmal die Begriffe zu ermitteln, nach denen tatsächlich von der Zielgruppe gesucht wird. Denn oftmals sehen Unternehmen ihre Branche durch eine rosarote Brille voller Begrifflichkeiten, die ein Normalsterblicher gar nicht benutzt.
Der Google Keyword-Planner oder der Google Suggest Funktion helfen dabei, die richtigen Suchworte zu finden, die dann nach bestimmten Kriterien in die Texte eingebaut werden. Denn guten, lesbaren, spannenden Content zu schreiben ist nur die eine Seite. Die andere ist aber, dass Unternehmen mit ihren Keywords bei Google & Co. gefunden werden müssen, wenn heute 90 % aller Kaufentscheidungen im B2B-Bereich durch eine Internet-Recherche vorbereitet werden.
Buyer Personas schaffen ein plastisches Bild
Unternehmen, die es schaffen, ihre Zielgruppe wirklich zu verstehen und sich in deren Denken, Fühlen und Handeln hineinzuversetzen, sind dabei im Vorteil. Denn sie können die Adressaten ihrer Inhalte in der passenden Tonalität ansprechen. Mit Hilfe von sogenannten „Buyer Personas“ lassen sich die gewünschten Zielgruppen genauer beschreiben. Hierbei reicht es nicht aus, die Adressaten allein mit soziodemografischen Merkmalen zu beschreiben. „Was man vor allem braucht, ist eine lebendige Beschreibung eines idealtypischen Kunden, die auf recherchierten Daten basiert“, so Xengoo-Gründer Steinbach. Diese liefere dann den Hintergrund für die Themenfindung und Content-Produktion.
Dazu gehören demografische und biografische Angaben, Verhaltensmuster, Motivationen, Wertevorstellungen und Ziele. Es ist wichtig zu wissen, wie potentielle Interessenten und Kunden das Web nutzen. Mit welchen Keywords sie recherchieren, welche Informationsquellen sie nutzen, welchen sie vertrauen und folgen. Diese Informationen werden in einer Persona-Studie ermittelt, die dann die Basis für eine Content-Strategie mit verschiedenen Kanälen, möglichen Inhalte und Medien bildet.
Um diese Personenbeschreibungen zu erstellen, sollte am besten der Vertrieb mit einbezogen werden. Denn er kennt die Merkmale seiner Kunden (z.B. Ausbildung, Arbeitsgebiete, Zuständigkeiten), deren Arbeitsweise (Welche Informationen benötigt die Person für ihre tägliche Arbeit?) und die Ziele, Probleme oder Ängste der Zielgruppe am genauesten. Auch, über welche Kanäle sie sich optimal erreichen lässt. Die Analyse von Social-Media-Profilen typischer Zielpersonen, wie bei Xing und LinkedIn oder deren Aktivitäten auf Twitter und Facebook, hilft ebenfalls bei der Erstellung der „Buyer Personas“. Damit hat man beim Produzieren der Inhalte immer ein konkretes Bild vor Augen, an wen sich der Content richtet und kann besser den richtigen Ton treffen.
Lead Nurturing lässt die Beziehung wachsen
Ein weiteres wichtiges Element im Content Marketing ist das Lead Nurturing – die stufenweise Qualifikation der Leads von der Erstanfrage bis zum Abschluss. Zu Grunde liegt dabei ein Trichtermodell, in dem sich angebotenen Informationen über mehrere Phasen immer mehr verfeinern und in dem sich die Spreu vom Weizen trennt – bis am Ende nur die tatsächlich kaufwilligen Kunden übrigbleiben. Das englische Verb „to nurture“ bedeutet dabei soviel wie etwas wachsen lassen, nähren oder aufziehen. Entscheidend ist dabei, immer zu erkennen, in welcher Entscheidungsphase sich der Lead befindet und eine dementsprechende Ansprache. Das fängt schon bei den Betreffzeilen der mehrstufigen Nurturing-Mails ein. Denn sie entscheiden über Öffnen oder Papierkorb.
Dieser Nurturing-Prozess beginnt in der Regel mit einer Willkommensnachricht, wenn sich z.B. ein Interessent sich für einen Newsletter angemeldet oder seine Kontaktinformationen für einen Download hinterlassen hat. Dann muss schnell reagiert werden: Innerhalb von zwei Minuten sollte der Interessent die angeforderten Inhalte oder den gewünschten Rückruf erhalten. Sonst besteht die Gefahr, dass er sich anderen Dingen zuwendet und nicht mehr ansprechbar ist. Anhand der Reaktion des potenziellen Kunden auf die angebotenen Inhalte lassen sich auch Rückschlüsse ziehen, in welcher Entscheidungsphase er sich gerade befindet. Klickt er zum Beispiel nur allgemeine Informationen an oder interessiert er sich für spezielle Aspekte?
Marketing Automation Software unterstützt Prozesse
Mit diesem Wissen kann in Follow-up-Nurtures passender Content angeboten werden und es lassen sich zusätzliche Informationen abfragen. Zum Beispiel nach Branche und Unternehmensgröße. Schritt für Schritt lernt man so in einem individualisierten aber gleichwohl automatisierten Dialog den möglichen Kunden besser kennen. Wichtig ist dabei, zeitnah auf seine Interessen zu reagieren und ihm die zum jeweiligen Zeitpunkt relevanten Inhalte anzubieten.
Marketing Automation Software, die mit einem Scoring-System arbeitet, unterstützt diesen Prozess. Die Leads werden dabei je nach Wissensstand in verschiedene Kategorien eingeteilt. Zu Beginn kennt man vielleicht nur Namen und E-Mail-Adresse. Später kommen Unternehmen, Funktion, Größe und Zeitpunkt einer Anschaffung hinzu. Ist der Lead „reif“, wird er an den Vertrieb übergeben. Andernfalls bleibt er im Nurturing-Prozess. Gerade im B2B-Geschäft sollte man aber immer die internen Entscheidungswege seiner Kunden im Auge behalten, die oft etwas länger dauern. Hier lässt sich nichts erzwingen, das Pflänzchen muss wachsen. Aber es kann gehegt, gepflegt und manchmal auch gedüngt werden.
Marketing-Automation-Systeme bieten in der Regel auch ausgefeilte Testmöglichkeiten an, mit deren Hilfe sich zum Beispiel sehr effizient unterschiedliche Betreffzeilen für Mails ausprobieren und optimieren lassen. So lassen sich auf Dauer immer wieder neue Hingucker für jede Stufe einer Nurturing-Kampagne finden, die den Menschen hinter der E-Mailadresse emotional ansprechen und den Spam-Filter in dessen Kopf überwinden.
Heute spielen auch die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle beim Verbreiten von Inhalten und der direkten Ansprache von möglichen Kunden. Wenn zum Beispiel ein IT-Verantwortlicher darüber twittert, dass er sich auf einer Messe eine bestimmte Software anschauen will, könnte dies der Anlass sein, ihn persönlich zu einem Standbesuch einzuladen. Voraussetzung dafür ist, dass man die Diskussion in den sozialen Netzwerken verfolgt und ein Monitoring zu bestimmten Begriffen durchführt.
10 Top-Strategien zur Verbreitung von Inhalten
Der „2014 B2B Content Marketing Report“ des Content Marketing Institute mit Sitz in Cleveland nennt zehn Top-Strategien für den Erfolg von Content Marketing:
1. Social Media-Kanäle wie Facebook, Twitter, Pinterest und andere gezielt nutzen
2. Veröffentlichung von aktuellen Artikeln auf der Website
3. Regelmäßige Newsletter
4. Corporate Blogs mit immer wieder neuen Inhalten
5. Veranstaltungen mit persönlicher Beteiligung
6. Referenzmarketing mit Hilfe von Case Studies
7. Videos mit informativem Content oder Hilfestellung für den Betrachter
8. Veröffentlichung von Artikeln auf anderen Websites
9. White Papers zur Unterstreichung der Kompetenz
10. Webcasts oder Webinare als Schulungs- und Diskussionsangebot
Wenn man diese Ratschläge konsequent umsetzt, stellt sich – so die Studie – der Erfolg auch ein. 93 Prozent aller dafür befragten B2B-Marketingverantwortlichen in den USA setzt inzwischen Content Marketing als Teil der Maßnahmen zur Neukundengewinnung und Bindung langjähriger Geschäftspartner ein. 44 Prozent gaben sogar an, eine dokumentierte Content-Strategie zu besitzen.
Und die Budgets dafür wachsen weiter. Im Durchschnitt sind es 30 Prozent der gesamten Marketingausgaben, die inzwischen dafür verwendet werden. 73 Prozent der Umfrageteilnehmer haben sogar eine eigene Stelle zur Planung und Umsetzung ihrer Content Marketing-Strategie geschaffen. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass sich hinter dem Hype-Begriff mehr verbirgt als „analoger Wein in digitalen Schläuchen“.
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