Wie Sie Soziale Medien richtig nutzen


Instagram Broadcast Channel

Auch wenn Sie selbst Twitter, Facebook und andere soziale Medien nicht nutzen, sollten Sie sich mit diesen auseinander setzen. Das ist um so wichtiger, je größer Ihr Unternehmen ist. Denn sonst kann von Ihnen zunächst unbemerkt Ihr Ansehen (oder Ihre „Marke“, wie die Marketer sagen) großen Schaden nehmen. Aber auch wenn Sie nur die Website für sich selbst, für eine kleine Firma oder einen Verein betreiben, sollten Sie ein bisschen Aufwand in Kauf nehmen, um hier zumindest auf dem Laufenden zu bleiben.

Reputations-Management – Pflicht, nicht Kür

Unter dem Schlagwort Reputations-Management oder englisch Reputation Management versteht man, dass Sie ihre Reputation, also Ihr Ansehen, nicht dem Zufall überlassen. Das Web bietet Ihnen viele Möglichkeiten, dieses aktiv zu gestalten. Wie diese aussehen, sollten Sie zumindest wissen.

Ärger macht mitteilsam

Sie kennen das: Sind Sie mit einem Produkt oder einem Unternehmen zufrieden, ist das Mitteilungsbedürfnis gering. Sind Sie völlig begeistert, erzählen Sie vielleicht ein, zwei Menschen davon. Ist man aber verärgert, weil das Produkt defekt ist oder die Mitarbeiter des Unternehmens pampig sind, dann schimpft man gern und oft, um seinem Ärger Luft zu machen. Dazu gibt es den alten Marketing-Spruch, dass man mit zehnmal so vielen Menschen über negative Erfahrungen spricht wie über positive.

Das entzog sich bis vor Kurzem vollständig Ihrer Kontrolle. Doch mit der immer stärkeren Verbreitung der Sozialen Medien ist das anders geworden. Dabei gibt es zwei Aspekte, um die Sie sich beide kümmern sollten: Zuhören und Mitreden.

Zuhören – was man über Sie spricht

Je größer Ihr Kundenkreis, um so mehr wird über Sie geredet. Dank Internet haben Sie heute die Möglichkeit, das auch mitzubekommen. Dazu müssen Sie nicht ständig die Suchmaschine anschmeißen – das vergisst man sowieso regelmäßig zu tun. Am einfachsten ist, Sie nutzen z. B. Google Alerts . Hier können Sie etwa den Namen Ihrer Firma oder den eines Produktes eintragen. Dann bekommen Sie täglich eine E-Mail, in dem alle neuen Seiten aus dem Web aufgelistet sind, auf denen diese Wörter vorkommen.

Sie müssen meist etwas experimentieren, bis die Schlüsselwörter stimmen und Sie nicht zu viele falsche Treffer bekommen. Aber der Aufwand lohnt sich, denn so finden Sie die wichtigsten Seiten, die Sie erwähnen, bequem in Ihrem Posteingang.

Ein Mail zu den Schlagworten „Content Crew“ von Google Alerts

Auch für Twitter gibt es vergleichbare Dienste. Ich erwähne hier nur Social Mention , da auch dieser Mails verschickt und man keine Website besuchen muss, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Diese beiden Dienste sind meiner Meinung nach das Mindeste, was Sie tun sollten. So bekommen Sie zumindest rechtzeitig mit, wenn über Sie gesprochen wird – sei es Gutes oder Schlechtes.

Natürlich ist es zusätzlich sinnvoll, sich mit den Sozialen Netzwerken vertraut zu machen und zumindest immer mal wieder zu sehen, was dort so vorgeht – auch wenn dazu eigentlich immer die Zeit fehlt.

Mitreden – von sich reden machen

Der zweite Schritt macht mehr Mühe: Beteiligen Sie sich an den Sozialen Medien. Ihre ersten Experimente können Sie mit einem privaten Account machen, wenn Sie sich unsicher fühlen.

Auch wenn Sie glauben, Sie haben nichts zu sagen, probieren Sie es einfach mal aus. Zum einen stellen Sie fest, dass Sie sicher dennoch Interessantes beizutragen haben. Zum anderen lernen Sie auch, wie die jeweiligen Medien funktionieren.

Das brauche ich nicht!

Wenn Sie sich entschließen, Social Media nicht zu nutzen, kann das von Kosten/Nutzen-Aspekten her in Ihrem Fall richtig sein. Das ist allein Ihre Entscheidung. Was Sie aber nicht in der Hand haben ist, wie Ihre Kunden Soziale Medien nutzen. Wenn diese sich geärgert haben über eines Ihrer Produkte oder einen Ihrer Mitarbeiter, dann schreiben sie sich ihren Frust möglicherweise auf Twitter oder in Facebook vom Leib. Wenn das passiert, sollten Sie zumindest Bescheid wissen. Das kann Ihnen helfen, Ihre Produkte oder Ihren Service zu verbessern.

Eventuell wollen Sie aber auch verhindern, dass sich diese schlechte Nachricht weiterverbreitet. In diesem Fall kommen Sie nicht umhin, sich aktiv an den Sozialen Netzwerken zu beteiligen. Wenn Sie das tun, dann sollten Sie aber auch wissen, was Sie tun. Denn wer sich hier daneben benimmt, der vergrößert mitunter den Schaden sogar noch.

Was kann schon passieren?

Wie bei jeder anderen Kommunikation auch kann es bei der Kommunikation im Web 2.0 Katastrophen geben.

Das BP-Desaster

Ein Beispiel ist BP. Nach dem Öl-Desaster im Golf von Mexiko versuchte die PR-Abteilung, den Image-Schaden klein zu halten. Doch das gelang kaum. Zunächst versuchte man, wenige Presseerklärungen abzugeben und abzuwarten. Erst gut einen Monat nach dem Unfall hat das Unternehmen begonnen, Soziale Medien für die PR zu diesem Thema zu nutzen. Aber auch das kam bei den Nutzern nicht gut an.

Das Tech-Magazin Wired nennt als Hauptgrund dafür, dass die Nutzer im Social Web Offenheit erwarten – ganz wie im persönlichen Umgang mit Menschen. BP vermied es jedoch, sich für die gewaltige Umweltverschmutzung zu entschuldigen oder gar Schuld einzugestehen. Das ist aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar, führte aber zu noch schärferen Reaktionen in Twitter und Blogs. In Youtube tauchten Videos auf, die sich über den Konzern lustig machten, so etwa „Super Mario: BP Oil Spill Edition“.

Screenshot des Youtube-Videos Super Mario: BP Oil Spill Edition

Dann kaufte BP Suchwörter wie „oil spill“ auf Google, Bing und Yahoo und zeigte auf den Trefferseiten der Suchmaschinen prominent Links zu Informationen an, was BP tut, um das Ausmaß des Schadens zu begrenzen. Doch das kam auch nicht gut an – der Vorwurf war, BP investiere mehr darin, das eigene Image zu retten als das eigentliche Problem zu lösen.

Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die Fernseh-Spots, die BP dann schaltete. Insgesamt sollen diese laut Wired 50 Millionen Dollar gekostet haben – auch dies ein Argument der Gegner, die BP vorwerfen, nur auf den schönen Schein bedacht zu sein.

In Twitter und auf zahllosen Blogs hagelt es seit Wochen negative Kommentare. In Youtube stehen viele Videos, die ätzenden Spott über BP ausgießen.

Natürlich kann auch kein noch so virtuoser Social-Media Experte verhindern, dass nach einer Katastrophe wie dieser schlecht über ein Unternehmen geredet wird. Das Beispiel BP zeigt aber, wie man durch ungeschickte Kommunikation den Imageschaden noch vergrößern kann. Und es zeigt vor allem, dass die heftige Kritik weltweit Gehör findet, auch wenn sie teilweise nur von einzelnen Menschen ausgeht. Wer einen treffenden Tweet schreibt, einen guten Blogartikel postet oder ein bissiges Video hochlädt, der kann sicher sein, dass er von Menschen auf der ganzen Welt wahrgenommen und vor allem verlinkt wird. So verbreitet sich seine Botschaft in Minuten lawinenartig von Freund zu Freund durch alle Sozialen Netzwerke.

Die gemeinsame Arbeitsgruppe der US-Regierung und BP hat übrigens mehr Geschick bewiesen. Zehn Tage nach dem Unfall hatte sie eine Website, einen Twitter-Account, eine Facbook-Seite und nutzte Youtube intensiv – und vor allem professionell.

Der Kommunikationsberater Klaus Eck (Korrektur 12.8.2010 nach einem Hinweis von Klaus Eck) sieht es differenzierter: Er sieht einen „holprigen Start“ und kritisiert, dass auf die vielen Kommentare bei Facebook nicht eingegangen wird, obwohl hier viel mehr Menschen aktiv sind als bei Twitter. Generell attestiert er BP aber anfangs einen guten Umgang mit den Sozialen Medien. Allerdings setzt er sich in einem späteren Beitrag ebenfalls sehr kritisch mit der PR des Unternehmens auseinander.

Nachtrag (27.6.2010): Ich habe seitdem auch weiterhinsonst niemand anderen gefunden, der die Arbeit von BP in Ordnung findet. Techcrunch z. B. berichtet am 26.6.2010 ebenfalls nur negativ.

Weltkonzern Nestlé gibt klein bei

Der Lebensmittelkonzern Nestlé setzt im Jahr 75 Milliarden Euro um und beschäftigt weltweit über 278.000 Menschen. Im März 2010 deckte die Umweltschutzorganisation Greenpeace auf, dass Nestlé Palmöl (etwa für Schokoriegel) von einer Firma bezieht, die dafür illegal den indonesischen Regenwald abholzt – und damit die letzten Lebensräume des Orang-Utan zerstört.

Nachdem der Konzern die Verträge mit dem Lieferanten nicht vollständig kündigte, startete Greenpeace eine Kampagne, bei der Social Media die Hauptrolle spielte. Entscheidend war vor allem ein Video, bei dem ein Kitkat-Käufer plötzlich statt dem Schokoriegel, in den er genüsslich beißen will, einen Orang-Utan-Finger in der Hand hält. Das Video wie auch die anderen Informationen von Greenpeace verbreiteten sich schnell über Youtube, Facebook und Twitter – Links dazu wurden millionenfach per Mail verschickt.

Nestlé versuchte, die Kritik zum Verstummen zu bringen und ließ die Videos bei Youtube wegen „Urheberrechtsverletzungen“ löschen. Die lagen aber mittlerweile auf vielen anderen Sites und verbreiteten sich so weiter. Die Kritik auf Nestlés eigener Facebook-Seite für Kitkat wurde so stark, dass Nestlé sie schließlich vom Netz nahm. Deren 750.000 registrierte Nutzer merkten so, dass der Konzern an einem Dialog mit ihnen nicht interessiert war.

Die Kritik auf Blogs, Twitter, Youtube aber auch zunehmend in traditionellen Medien wurde letztlich so groß, dass Nestlé schließlich klein beigab und die Verträge mit dem Palmöl-Lieferanten kündigte.

Die Facebook-Seite von Kitkat nahm Nestlé nach zu viel Kritik vom Netz

Machtverschiebung

Der Journalist und Podcaster Thomas Knüwer analysiert in seinem Blog sehr gut, wie sich das „Campaigning“ geändert hat. Waren früher spektakuläre Aktionen nötig, genügen heute Kreativität und gute Vernetzung. Es gibt sogar Organisationen, die sich fast ganz auf die Arbeit im Internet beschränken, wie etwa CampAct.de. Auf dieser Site kann man sich schnell über Themen wie Atomkraft, Klimawandel oder Sozialkürzungen informieren – sehr gut gelöst sind die „5-Minuten Infos“. Hier werden auch komplexe Sachverhalte in einem griffigen Text zusammengefasst, den man in fünf Minuten gelesen hat. Am Schluss stehen die Forderungen der Organisation und der Aufruf, diese durch Teilnahme zu unterstützen und den Link an seine Freunde zu verschicken.

Lehren für Betreiber kleiner Sites

Schadenfreude gegenüber BP oder Nestlé ist fehl am Platz, und auch die Verantwortlichen bei BP etwa hätte ich nicht beraten wollen dabei, wie sie besser kommunizieren. Aber klar ist: Man muss heute viel vorsichtiger vorgehen als früher. Aussitzen funktioniert nicht mehr. Je größer ein Unternehmen, desto mehr Menschen interessieren sich dafür. Und desto leichter gerät es in die Kritik.

Je mehr der folgenden Eigenschaften auf Ihre Kunden zutreffen, desto wichtiger ist für Sie das Thema Soziale Medien:

  • jung
  • technikinteressiert
  • untereinander in starkem Austausch
  • es sind viele

All diese Faktoren machen es wahrscheinlicher, dass sich ein verärgerter Kunde in Sozialen Netzen äußert und dass diese Äußerung sich dort weiterverbreitet.

Bildquellen

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