Seit dem Flugchaos im April 2010 sind Videokonferenzen und Webpräsentationen wieder in aller Munde. Der nachfolgende Zweiteiler skizziert, worauf es ankommt, wenn man diese Instrumente im Vertrieb einsetzt. Im ersten Teil werden allgemeine Erfolgsfaktoren dargestellt. Im zweiten Teil, der in zwei Wochen im Magazin erscheint, liegt der Schwerpunkt auf Content- und Collaboration-Management (CCM).
Der Vulkanausbruch in Island hatte auch positive Folgen – zumindest für Anbieter von Videokonferenz- und Webpräsentations-Lösungen. Aktuelle Berichte in Zeitungen wie die WELT und Süddeutsche lassen ahnen: Die Nutzung kollaborativer Angebote könnte künftig so selbstverständlich sein wie das Surfen auf einer Internetseite. Die Vorteile liegen auf der Hand: Treiber sind die Reduzierung von Fahrtkosten sowie die Möglichkeit zur multimedialen Real-Time-Kommunikation – selbst über große Distanz.
Diese Vorteile kann man nicht nur bei internen Prozessen wie Statusmeetings oder der Dokumentbearbeitung realsieren: Auch im Außenverhältnis lassen sich diese Instrumente mittlerweile erfolgreich nutzen. Die Praxis belegt: Der Vertrieb kann speziell mit der kleinen Schwester der Videokonferenz – der browserbasierten Webpräsentationen – unzählige Fahrten einsparen. Noch viel wichtiger: Es lassen sich damit (je nach Business) mehr Kontakte auf hohem Niveau bearbeiten als auf herkömmlichem Wege. Abhängig vom verwendeten Tool und dem inhaltlichen Angebot kann sogar eine Art ECommerce erfolgen: Dann wird sogar der Vertragsschluss in der Webpräsentation durchgeführt. Doch selbst wenn dieser letzte Schritt nicht erfolgt: In jedem Fall lässt sich der Vertragsschluss effizient und hochwertig anbahnen.
Voraussetzung dafür: Das passende Tool und ein praxisgerechtes Präsentationskonzept. Letzteres besteht zum einen aus der Anpassung von unternehmensspezifischen Vertriebsprozessen an die technischen Rahmenparameter. Zudem beinhaltet es die didaktische Strategie, denn das Wichtigste ist am Ende stets die souveräne und routinierte Durchführung der Präsentation selbst. Diese und andere Erfolgsfaktoren werden nachfolgend skizziert.
Typische Webpräsentationsoberfläche (am Beispiel von Spreed*)
* Links die Teilnehmerübersicht. In der Mitte die Bühne. Rechts Moderationswerkzeuge bzw. Whiteboard. Am unteren Rand werden interaktive Tools wie Chat und Mindmap sowie Erweiterungen wie Screensharing und Remote-Zugriff angeboten. Je nach System kann auch die Anzeige eines Webcam-Livestreams erfolgen. Bei Letzterem ist allerdings genau zu prüfen, ob und wie weit dies notwendig oder evtl. sogar negativ sein könnte (mehr dazu im 2. Teil).
1. Webkonferenz- und -präsentationssysteme
Trotz einiger Unschärfen hat sich die Unterscheidung von Webkonferenzen und Webpräsentationen etabliert.
Webkonferenz-Systeme sind meist Desktop-Applikationen mit Features wie Videoconferencing, Gruppenmoderation und/oder Desktop-Sharing. Solche Systeme erfordern bei allen Beteiligten eine Applikation des gleichen Herstellers. Obwohl Viewer-PlugIns mittels Link einfach zu installieren sind: Für den vertrieblichen Kontakt mit einem Neukunden wird jede noch so kleine Installation schnell zum Showstopper! Diese Systeme sind deshalb nicht uneingeschränkt für den Einsatz im Vertrieb zu empfehlen.
Anders ist dies bei Webpräsentationssystemen: Dabei handelt es ich um browserbasierte „Light-Versionen“. Mitunter besitzen sie nicht einmal eine Webcam-Funktion. Der Vorteil: Da die meisten Standard-Browser über ein aktuelles Flash-PlugIn verfügen, erfordern diese Anwendungen keinerlei Installation. Sie können ähnlich wie eine Website über eine URL aufgerufen und nach einer kurzen Account-Registrierung ad hoc genutzt werden. Deshalb eignen sich diese Systeme besonders gut für Vertrieb.
Produktbeispiele:
Webkonferenz-Lösung | Webpräsentations-Lösungen | |
Anbieter | Telekom Webmeeting Netviewer meet Teamviewer |
Telekom Webpräsentation Netviewer Present cwip (CCM, siehe 2. Teil) |
Kombinierte Systeme* | Adobe Connect Spreed instandpresenter webex |
|
Installation | Via Download und Setup. z.T. Link zu Runtime-Installern / plugIns für Viewer. | Bei Standardbrowsern über Nutzung des Flash-PlugIns. Daher keine Installation. Aufruf über URL |
* kombinierte Systeme sind Hybridlösungen, die im Rahmen desselben Produkts eine Erweiterungsmöglichkeit bieten. Es handelt sich daher meist ebenfalls um Flash-basierte Grundversionen, die mittels zusätzlichem PlugIn auf Konferenzfunktionen erweitert werden können. Die kombinierten Systeme lassen sich also auch ohne weitergehende Installation für den Vertrieb nutzen.
Im Internet finden sich viele Auflistungen und Übersichten, u.a.:
www.realtime-collaboration.de/…
www.webconferencing-test.com/de/webkonferenz…
www.webconferencing-test.com/en/webconferencing…
2. Webpräsentationen im Sales
a) Erklärungsbedürftige Produkte
Der Vertriebsprozess besteht aus der parallelen Bewältigung von zwei Aufgaben: Der Vermittlung von Hardfacts ( Produkterläuterung, Leistung, Preis, Lieferzeit etc.) sowie der kundenorientierten Beratung ( Vertrauensbildung, Bedarfsanalyse, individuelle Anpassung, Finanzierungsberatung, Services, Entscheidungshilfe, Verhandlung etc.).
Im Hinblick auf Hardfacts helfen Webpräsentationen, komplexe Produkte und Zusammenhänge auf Distanz in Echtzeit nachvollziehbar z.B. anhand von Charts und Tabellen zu erläutern. Bezüglich Beratung ist zu klären: Welchen konkreten Nutzen bietet das Angebot dem konkreten Kunden? Was ist er bereit, dafür zu zahlen? Wer ist am Entscheidungsprozess beteiligt etc.? Die Lösung dieser Aufgaben erfordert mehr als die bloße Zusammenstellung von Charts und Slides in einer Webpräsentation. Hier muss der Kunde aktiv mitwirken. Dafür benötigt er neben dem Telefon zusätzliche interaktive Werkzeuge.
Viele Kunden haben aber wenig oder kaum Erfahrung mit Webpräsentationen. Daher gilt es, die Mitwirkung des Kunden Schritt für Schritt zu erhöhen. Das gelingt insbesondere aufgrund der Möglichkeit, mehrstufige Sessions durchzuführen. Jede einzelne Stufe ist dabei ihrerseits in drei Stufen untergliedert:
- Session-Vorbereitung
- Session-Durchführung
- Session-Nachbereitung
Hinzu kommt das Erfordernis, je nach Präsentationsphase unterschiedliche Inhalte zu verwenden, die eine gesteigerte Mitwirkung des Kunden ermöglichen bzw. erfordern:
- statische Präsentationsinhalte ( Bilder, Folien, Charts )
- interaktive Tools ( Whiteboard, Mousepointer, Mindmap, Fragesysteme, Konfiguratoren)
b) Kundennutzen in den Vordergrund stellen
Zuerst aller erst gilt es aber, den Kunden für das Prinzip der Webpräsentation überhaupt zu gewinnen! Erfolgreiche Strategien für Webpräsentationen kommunizieren dabei gezielt den Kundennutzen, den der Kunde durch eine Teilnahme erhält!
Vorteile von Webpräsentationen für Kunden sind u.a.:
- Komplexe Inhalte können dialogisch und nachvollziehbar vermittelt werden
- Sie ermöglicht flexible Terminierung (erst Recht bei mehreren Teilnehmern)
- Die Webpräsentation verschafft angenehme Distanz statt vorschneller Nähe
- Der Kunde spart Zeit und hat jederzeit die Möglichkeit zum Ausstieg
- Es können (sogar spontan) mehrere, aufeinander aufbauende Meetings erfolgen
- Es können zur Laufzeit beiderseits zusätzliche Teilnehmer hinzu kommen
- Es gibt die Möglichkeit der interaktiven Teilnahme des Kunden
- Es erfolgt eine gute Dokumentation der Gesprächsinhalte
- Ein potenzieller Vor-Ort-Termin wird besser vorbereitet bzw. nachbereitet
- Zudem kann der Kunde Erfahrungen mit Webpräsentationen sammeln
- Schließlich macht es Spaß!
Viele Kunden wollen sich diesen Nutzen nicht entgehen lassen. Oft sind sie zumindest neugierig, jedenfalls offen gegenüber der Präsentation. Die positive Erwartungshaltung darf aber nicht durch eine überfordernde Session enttäuscht werden.
c) Mehrstufiges Vorgehen
Genau aus diesem Grund ist bei vertrieblichen Webpräsentationen ein mehrstufiges Vorgehen einzuplanen. Mehrere kurze bis mittlere Sessions versprechen mehr Erfolg als eine lange Session. Für jede Session gilt es, Dauer, Ziel, Inhalte und Beteiligte der Webpräsentation vorab genau zu definieren und offensiv zu kommunizieren. Je nach Angebotskomplexität kann dabei sogar ein 9-Stufiges Vorgehensmodell sinnvoll sein. Die Aktivität der Teilnahme des Kunden wird dabei Schritt für Schritt erhöht.
Prozessbeispiel*:
* Die Übersicht verdeutlicht unter anderem: Webpräsentationen sind vor allem dort sinnvoll, wo regelmäßig zeitaufwändige Vor-Ort-Besuche mit ungewisser Erfolgswahrscheinlichkeit durchgeführt werden müssen. Hier die Webpräsentation ihre größten Stärken. Das gilt erst recht, wenn die erklärungsbedürftigen Produkte nur eine geringe Marge ermöglichen. Je nach Produkt ist beim Einsatz von Webpräsentationen das Ziel, den Erfolg von Vor-Ort-Besuchen signifikant zu erhöhen oder sogar vollständig zu ersetzen.
Ein meist recht guter „Aufwärmer“ für den Einstieg in den inhaltlichen Dialog mit einem bislang unbekannten Kunden ist die kollaborative Nutzung von Google-Maps.
Einstiegsbeispiel*:
* Mit Google-Maps bekommt der Kunde eine schnell eingängige, andererseits auch unverbindliche Vorstellung, was mit Webpräsentationen alles möglich ist. Der Berater erhält zudem die Möglichkeit, sich vor der inhaltlichen Auseinandersetzung ein erstes Bild vom Gesprächpartner zu verschaffen.
* Ist der erste Einstieg gelungen, können neben Präsentationsfolien und Bildern auch interaktive Charts mit Kunden besprochen werden. So lassen sich z.B. im Finanzsektor hochaktuelle Inhalte von Aktienkursen kollaborativ erläutern: Der Kunde zeigt mit dem Mousepointer, was er erläutert haben will und der Berater ist in Echtzeit in der Lage, den gewünschten Inhalt auszuwählen und zu vertiefen.
Für jeden Abschnitt sollte der Vertrieb speziell vorbereitete Präsentationsinhalte besitzen.
d) Doppelte Einwandbehandlung
Der Vertrieb muss versiert zu diesem Schrittmodell hinführen. Insbesondere muss er die verschiedenen Einwände kennen – und dies gleich doppelt: Im Hinblick auf die Webpräsentation und natürlich das inhaltliche Vertriebsziel.
Doppelte Einwandsbehandlung | |
gegen Webpräsentation |
gegen inhaltliche Angebote |
Insbesondere fehlende Gewohnheit und Sicherheitsbedenken |
Kein Bedarf, unpassendes Angebot, zu hoher Preis etc. |
Der Vorschlag der Webpräsentation liefert keine unüberwindbaren Ablehnungsgründe – vorausgesetzt, dass man auf typische Bedenken vorbereitet ist. Das gilt insbesondere für Fragen der Sicherheit und der Installation. Gerade diese Punkte darf man auf keinen Fall am Telefon „herunterspielen“. Im Gegenteil: Es gilt den Kunden darin zu bestärken, dass diese Bedenken generell berechtigt und bekannt, aber im konkreten Fall unbegründet sind.
e) Vorlagen & Checklisten:
Im Idealfall besitzt man zur Überwindung möglicher Einwände vorab erstellte Unterlagen, die solche Einwände antizipieren. Das Einstiegsdokument sollte eine knappe, möglichst ein- bis zweiseitige Übersicht zu der beabsichtigen Form der Webpräsenationen sein.
Das Dokument zur Vorbereitung des ersten Meetings sollte enthalten:
- Übersicht zu Sicherheit und Nutzen der Webpräsentation
- Hinweise zu den technischen Voraussetzungen (inkl. einem Test-Link)
- Zugangsinformationen
- Ansprechpartner für Rückfragen
Ein einfaches Beispiel für dieses Dokument finden Sie hier .
Für die Folgemeetings sind ebenfalls entsprechende Dokumentvorlagen vorzusehen: Für die Vorbereitung des jeweils nächsten Meetings, aber auch die Nachbereitung der bereits durchgeführten Session. Die Gestaltung dieser Dokumente ist allerdings stark abhängig von der Branche, dem präsentierten Angebot und natürlich auch den Möglichkeiten der verwendeten Software.
f) Inhaltsverwaltung
Bei Videokonferenz-Systemen können die Inhalte direkt von der Festplatte eines Desktoprechners übertragen werden. Dagegen müssen bei Webpräsentations-Systemen die Inhalte zunächst auf einen Webserver upgeloaded und konvertiert werden. Anschließend müssen die Inhalte wie bei einem Website-Contentmanagement-System auf dem Server verwaltet und zusammen gestellt werden.
Selbst wenn dadurch einiger Mehraufwand bei der Vorbereitung einer Webpräsentation entsteht, so bietet dieses Instrument gerade wegen der Bündelung aller möglichen Inhalte auf einem Server verschiedene Vorteile, z.B.:
- Einfache Kombination verschiedener Inhalte
- XML-basierte Sessionverwaltung und -archivierung
- Zur Verfügungsstellung der Präsentationsinhalte als Direct-Link zur Nachbearbeitung
- XML-basierte Anbindung an andere Systeme (z.B. Datenbanken)
Die damit entstehende Herausforderung wird als Content- und Collaboration-Management ( CCM ) bezeichnet. Um dieses Thema und die damit verknüpfte Auswahl und Sortierung von Inhalten speziell für den Vertrieb wird es im zweiten Teil gehen. Zudem wird dort ein kurzer Einblick in die Gestaltung einer vertriebsorientierten Präsentationsdramaturgie gegeben.
Bildquellen
- B2B Whitepaper: Pexels
No Comment