Web 2.0 – wirklich neu?
Unter dem Begriff Web 2.0 werden Schlagwörter wie Ajax, Soziales Web und Blogs gern zusammengefasst. Allen gemeinsam ist, dass dahinter keine neuen Techniken oder Ideen stecken. Es handelt sich nur um Dinge, die schon länger bekannt und im Einsatz sind, sich aber erst jetzt langsam durchsetzen. Im Folgenden eine persönliche Einschätzung, was diese für das Web im Jahr 2006 bringen.
Ajax
Ajax steht für Asynchronous JavaScript And XML und nutzt dynamisches HTML, XML sowie JavaScript, um Websites zu erstellen, die nicht eine ganze HTML-Seite laden müssen, um neue Inhalte anzuzeigen. Damit lassen sich Sites realisieren, die wirken wie lokale Anwendungen, weniger wie Websites. Beispiele für Sites, die Ajax einsetzen sind Google Suggest, die Amazon-Suchmaschine A9 oder der Bilderdienst Flickr. Auch Microsoft ist auf den Zug aufgesprungen. Seine Variante von Ajax hat es Atlas getauft.
Probleme von Ajax allgemein sind:
– manche Benutzer haben JavaScript ausgeschaltet
– dynamisch nachgeladene Inhalte sind von Suchmaschinen nicht zu finden
– Sites sind für Screenreader nicht zugänglich
– auf mobilen Browsern sind sie nicht oder nur eingeschränkt nutzbar
– Lesezeichen lassen sich nur schwer setzen
– weniger erfahrene Nutzer werden evtl. irritiert, wenn sich nur Teile einer Seite ändern
Web 2.0 – Das Aufkommen von Ajax zeigt nicht, dass die Benutzer interaktivere Anwendungen wollen, wie im letzten Jahr oft zu lesen war. Es zeigt vielmehr, dass die Menschen, die Websites erstellen, auch gerne mal etwas Neues machen und mit neuen Techniken experimentieren. Das ist auch gut so, nur so entsteht technologischer Fortschritt.
Ajax ist ein Werkzeug. Ob es für Ihre Site nützlich ist, müssen Sie ohne technophile Euphorie entscheiden. Nur weil man einen Hammer hat, muss man nicht alles behämmern, was man hat. Den meisten Dingen würde das sogar schaden – und auch bei einem Nagel muss man den Hammer richtig einsetzen, sonst nimmt er Schaden.
Ajax macht übrigens das, womit Flash seit mehreren Jahren wirbt: Web-Anwendungen mit Desktop-Anmutung. Es gibt einige wenige sehr aufwändige Flash-Sites mit komplexen Funktionen, die wunderbar funktionieren. Genauso gibt es spannende und gute Ajax-Sites. Aber es gibt frustrierend viele schlechte Websites, die bis heute noch nicht einmal richtig mit HTML arbeiten.
Vorbild Google
Die Usability von Google ist vorbildlich, es hat seine Hausaufgaben auf diesem Gebiet von Anfang an gemacht. Daher kann es sich auch erlauben, mit neuen Interaktionsformen zu experimentieren. Google setzt Ajax dort ein, wo es einen tatsächlichen Vorteil bringt. Dabei lässt es aber jedem Nutzer die Wahl, ob er solche Anwendungen einsetzen will. Der wichtigste Dienst von Google, die Suche, ist noch so simpel wie eh und je und kommt mit einfachstem HTML aus.
Soziales Web – Web 2.0
Web 2.0 als Soziales Web – Ursprünglich beschreibt der Begriff „Soziales Web“ eine Methode, Menschen und Organisationen im Web zu verknüpfen. Dazu gibt es technische Vorschläge zur Erweiterung der Mechanismen des Internet, um solche Vernetzungen zuverlässig zu ermöglichen – bei denen gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer gewahrt bleibt.
Doch wird der Begriff inzwischen meist in einem viel breiterem Sinn verwendet: um Sites zu bezeichnen, bei denen die Menschen im Mittelpunkt stehen. Das sind an erster Stelle die Wiki-Projekte wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia, bei der jeder Web-Nutzer beliebige Beiträge schreiben kann. Auch so genannte Networking-Plattformen wie openBC fallen in diese Kategorie. Hier können sich Menschen über ihre eingestellten Profile miteinander vernetzen – wichtig sind auch Funktionen, die es beispielsweise ermöglichen über eigene Bekannte neue Kontakte aufzubauen.
Auch diese Dinge sind nichts Neues, aber sie werden vor allem für das Privatleben immer wichtiger – weshalb Sie sie auch geschäftlich im Blick behalten sollten.
Blogs & Podcasts
Blogs und Podcasts werden ebenfalls meist als Ausprägung des Sozialen Web aufgefasst. Denn in Blogs schreiben einzelne Menschen über die Dinge, die sie persönlich interessieren. Podcasts sind sozusagen gesprochene Blogs zum Anhören. Der Begriff ist ein Kunstwort aus broadcast (Englisch für „senden“ bzw. „Rundfunk“) und iPod (da sich Podcasts am einfachsten über die iPod-MP3-Player von Apple wiedergeben lassen). Eine Einschätzung des Nutzens von Blogs für Ihre Site finden Sie im benutzerfreun.de-Newsletter vom November 2005.
Tagging / Folksonomy
Ein weiteres modisches Kunstwort ist Folksononmy, gebildet aus Folk (englisch für „Volk“) und Taxonomie (=Klassifizierung; üblicherweise durch Experten). Es bezeichnet die Art und Weise, in der Inhalte von einer Vielzahl von Menschen klassifiziert werden. Diese Klassifikation erfolgt über „Tags“ (Etiketten bzw. Schlagwörter), weshalb Folksononmy als eine Art von Tagging betrachtet wird.
Bekanntestes Beispiel für den Einsatz von Folksonomy ist der Lesezeichen-Dienst del.icio.us. Hier kann jedermann seine Lesezeichen (Bookmarks) speichern, die dann auch allen anderen Benutzern zur Verfügung stehen. Dadurch werden populäre URLs von allen Benutzern sortiert, bewertet und damit die populärsten URLs herausgefiltert. Dieses Prinzip kommt auch bei Flickr zum Einsatz – hier versehen die Benutzer die von anderen hochgeladenen Fotos mit Tags, unter denen diese dann gefunden werden können.
Tagging ist zentral für das Semantische Web. Das ist ein weiteres Schlagwort, das keine Technik bezeichnet, sondern einen Oberbegriff darstellt. Es steht für eine Vision des World Wide Web, in dem die Inhalte so aufbereitet sind, dass sie nicht nur für Menschen, sondern auch für Maschinen lesbar und interpretierbar sind. Dadurch könnten beispielsweise Suchmaschinen optimale Treffer liefern. Derzeit sind die Suchmaschinen mehr auf Vermutungen angewiesen – basierend auf einigen Regeln ordnen sie die gefundenen Seiten so, dass diejenigen oben stehen, die am wahrscheinlichsten die gesuchten Informationen enthalten.
Bislang ist das Semantische Web noch eine Vision. Derzeit ist noch immer der beste Weg, im Web gefunden zu werden der, webgerechte Texte zu schreiben, und vernünftige, an die Suchmaschinen angepasste Meta-Informationen für jede Seite vorzusehen.
Was ist Web 2.0? – Fazit
Alle diese Entwicklungen sind sicher spannend und bieten viele Möglichkeiten für neue, hilfreiche Websites. Sie sind für die Medien wie Entwickler gleichermaßen interessant, eben weil sie bisher wenig bekannt sind. Darüber zu berichten, dass viele Websites an ganz grundlegenden Usability-Problemen leiden ist dagegen nicht interessant. Das hat man schon oft gelesen. Und als Entwickler ist es natürlich viel aufregender, eine Site zu erstellen, die neue Techniken einsetzt und deshalb in der Entwickler-Gemeinde viel Beachtung findet, als seine Energie darauf zu verwenden, dass eine Site alle bekannten und bewährten Usability-Regeln berücksichtigt.
Dennoch: Wenn Sie eine Site planen oder betreuen, sorgen Sie zuerst dafür, dass Ihre wichtigsten Zielgruppen mit der Site gut klarkommen. Dazu brauchen Sie keine neuen Techniken oder schicke Modewörter. Fast alle Usability-Probleme auf Websites lassen sich mit sehr wenig Aufwand beheben – indem Sie zum Beispiel Formulierungen von Menüeinträgen verbessern, die Position oder Farbe von Elementen anpassen, die Texte webgerecht aufbereiten. Wenn diese zwar wenig aufregenden aber dafür umso erfolgsversprechenderen Hausaufgaben erledigt sind, dann können Sie sich mit den neuen Trends befassen und Ihren Benutzern aufregende Funktionen bieten. Aber auch hier gilt natürlich: testen Sie so viel wie möglich, denn neue Techniken bieten immer auch neue Möglichkeiten, Usability-Fehler zu machen.
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