Von der Notwendigkeit, Websites benutzerfreundlich zu gestalten, muss man heute niemanden mehr überzeugen. Jeder Auftraggeber will auf seiner Site „Usability einbauen“ – so formulieren es Kunde immer wieder.
Aber wenn es an die Kosten geht, hat man auch heute noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Auftraggeber mit wenig Erfahrung fragen, warum sie extra Geld ausgeben sollen für Card Sorting (Kartenlegen), Nutzerbeobachtungen oder Usability-Tests. Die Angebote der Konkurrenz sehen das nicht vor, scheinbar arbeiten dort bessere Konzepter, die selber wissen, wie die Site aussehen muss, damit sie benutzerfreundlich ist.
Dass Usability keine Funktion zum Einbauen ist, sondern nur in einem Prozess entstehen kann, das ist nicht leicht zu vermitteln. Dass es sich dennoch lohnt, dafür im Folgenden ein paar Argumente.
300 Millionen Dollar mit einem Knopf
Der Usability-Berater Jared Spool hat ein plastisches Beispiel dafür, wie sich eine Investition in Usability richtig rechnet. Er spricht vom „300 Millionen-Dollar-Button“. Der Witz an Spools Beispiel: Den Betreibern der Site war überhaupt nicht klar, dass ihr Bestellformular problematisch war. Es kamen viele Besucher damit zurecht, und so gab es jeden Tag Bestellungen. Doch ein Usability-Test zeigte: Etliche Besucher hatten Probleme mit dem Formular.
Das Formular war einfach, es sah nicht so aus, als könnte man hier als Konzepter oder Designer viel falsch machen. Es hatte zwei Felder:
- Passwort
Außerdem zwei Buttons:
- Login
- Registrieren
Und schließlich noch den Link „Passwort vergessen“.
So ein Formular sieht man jeden Tag im Web. Das Problem war nur: Wenn man nicht regelmäßig auf der Site einkauft, ist man sich eventuell nicht sicher, ob man dort schoneinmal seine Daten angegeben hat. Und wenn, dann kann man sich vielleicht nicht mehr erinnern, mit welcher E-Mail-Adresse man sich angemeldet hat. Vom Passwort ganz zu schweigen.
Das beobachtete Jared Spool bei seinem Usability-Test. Ein weiteres großes Problem: Das Formular erschien, wenn man seinen Einkauf abschließen wollte. Viele Nutzer hatten keine Lust, sich eigens zu registrieren, weil sie nicht wussten, ob sie in Zukunft auf der Site überhaupt nochmal einkaufen würden.
Das alles ist noch kein Beweis dafür, dass es etwas bringt, solch einen Prozess zu ändern. So machte Spool die Probe aufs Exempel: Er fügte in das Formular einen Button ein, über den man bestellen konnte, ohne sich zu registrieren. Zwar wurden in der Folge genau dieselben Daten abgefragt, wie bei der Registrierung, aber die psychologische Schranke des Registrierungszwanges fiel weg.
Sofort stieg die Zahl der Bestellungen um 45 Prozent. Innerhalb eines Jahres wuchs der Umsatz der Site um 300 Millionen Dollar. Ein eindrucksvolles Beispiel, dass es sich rechnet, Usability-Tests zu machen.
Klarheit als Erfolgsfaktor
Spools irischer Kollege Gerry McGovern zitiert die Ergebnisse von MarketingExperiments. Sie haben bei Usability-Tests herausgefunden, dass die ersten sieben Sekunden entscheiden, ob eine Seite erfolgreich ist. Haben die Benutzer nach dieser Zeit keine Antwort auf ihre drei elementaren Fragen, verlassen sie die Site. Denn wir Menschen suchen stets Orientierung. Landen wir auf einer Seite, die uns diese nicht gibt, ist die einfachste Möglichkeit, wieder Orientierung zu bekommen, den Back-Button zu klicken.
Die elementaren drei Fragen sind:
- Wo bin ich?
- Was kann ich hier tun?
- Warum sollte ich das tun?
McGovern empfiehlt daher kurze, klare Aussagen. Er rät dringend davon ab, Marketingphrasen zu verwenden. Immer wieder hört er bei Usability-Test von den Teilnehmern Sätze wie: „Auf der Seite hier steht nur Marketing-Gewäsch. Ich habe keine Zeit für sowas.“
Laut MarketingExperiments entscheiden die ersten sieben Sekunden über „Millionen, die man umsetzt – oder eben nicht“. Konkrete Belege dafür geben sie leider nicht an. Wer solche sucht und noch mehr zu dem Thema wissen will, dem empfehle ich das Buch Cost-Justifying Usability herausgegeben von R.G. Bias und D.J. Mayhew. Es ist zwar nicht ganz neu, aber es ist noch immer aktuell. Wer sich mit dem Return on Investment (ROI) von Usability befassen will oder muss, der findet hier detaillierte Beispiele und Tipps für die Umsetzung in eigenen Projekten.
Links
Der Artikel von Jared Spool zu seinem eindrucksvollen Beispiel (englisch)
Gerry McGoverns Artike l über MarketingExperiments (englisch)
Vor einiger Zeit ging es im Newsletter schon einmal ums Geld: benutzerfreun.de-Newsletter 01/2007 – Verkauf fördern (nicht nur) durch Usability
Cost-Justifying Usability. R.G. Bias, D.J. Mayhew. Morgan Kaufmann 2005. Infos/bestellen bei Amazon
Bildquellen
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