Ein Intranet ist wie eine Reise. Und wie bei einer richtigen Reise gilt es viele Fragen zu beantworten: Wo soll man die Reise beginnen? Wie sicher stellen, dass sie einen ans gewünschte Ziel bringt? Wie dafür sorgen, dass die Mitreisenden (also die Benutzer) nicht auf der Strecke bleiben? Die beiden in der Februar-Ausgabe von Intranets Live vorgestellten Intranets stellen Wege vor, damit die Intranet-Reise ein Erfolg wird.
Stephan Schillerwein war wieder Teilnehmer der Veranstaltung und fasst die Höhepunkte des Programms kurz zusammen (alle abgebildeten Screenshots wurden dabei „live“ aufgenommen).
Behörden-Intranets sind grau und unverständlich, oder?
Mit 95.000 Mitarbeitern ist das Ministry of Justice (MoJ) eine der größten Behörden in Großbritannien. Kann in einem solchen Umfeld überhaupt ein benutzerfreundliches und an den Bedürfnissen der Mitarbeiter ausgerichtetes Intranet entstehen? Ja, es kann, wie Luke Oatham, interner Berater für Informationsarchitektur und Usability beim MoJ eindrücklich demonstrierte. Der Startschuss der Intranet-Reise beim MoJ beginnt 2008 mit einer Anweisung „von oben“, die besagte, dass das Intranet zum wichtigsten Kommunikationsinstrument der Organisation werden soll. Für das Web-Team war klar: wenn das gelingen soll, muss großer Wert auf Konsistenz gelegt werden. Und zwar auf allen Ebenen: angefangen von der Navigation über die Informationsmenge bis hin zur dauerhaften Aufrechterhaltung der Qualitätsansprüche.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, das Intranet wirkt bereits auf den ersten Blick ansprechend, aufgeräumt und übersichtlich:
Jedes Element auf der neuen Startseite des MoJ Intranets wurde sorgfältig und gemeinsam mit den Nutzern konzipiert
Dabei sind es auch die kleinen Dinge, die im Alltag über die Zufriedenheit der Anwender entscheiden. Ein Beispiel dafür sind die in den Hauptnavigations-Elementen verwendeten Begriffe. Diesen hat das Projektteam viel Aufmerksamkeit gewidmet. So sollte beispielsweise der Punkt „Guidance & Support“ zunächst „Corporate Services“ heißen. Die Mitarbeiter konnten sich darunter aber nichts konkretes vorstellen. Als das Projektteam erläuterte, welche Inhalte dort zu finden sein sollten, sagten die befragten Mitarbeiter sofort „aber das sind doch alles Dinge, die die Themen Guidance und Support betreffen, wieso nennt ihr das nicht so?“.
Oftmals wird in Intranets jedoch nur diesen Hauptnavigations-Elementen Aufmerksamkeit gezollt. Tiefer liegende Navigationsoptionen werden hingegen ihrem Schicksal überlassen. Im MoJ-Intranet wird jedoch Wert darauf gelegt, dass Inhalte und Strukturen auf allen Ebenen eine hohe Qualität aufweisen. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen:
Schnell erfassbare und leicht verständliche Texte mit ausreichend „Leerfläche“ auf der Seite
Themenbezogene Übersichten
Bewusst auf das wesentliche eingeschränkte Navigationsoptionen („contextual navigation“)
Vereinfachung des Zugangs zu umfangreichen Themen
Der Live-Gang des Redesigns stellte einen wichtigen Meilenstein für das MoJ-Intranet dar. Es ist jedoch allen Beteiligten klar, dass die Reise damit nicht abgeschlossen ist, sondern jetzt erst recht an Dynamik gewinnt. So soll u. a. die erreichte inhaltliche Qualität im Arbeitsalltag nicht wieder verloren gehen. Die Mitarbeiter bleiben deshalb auch nach Projektabschluss eingebunden.
So kann zum Beispiel jeder Mitarbeiter per Mausklick neue Einträge für den als wichtiges Navigationsinstrument etablierten A-Z Index vorschlagen. Oder dafür stimmen, dass es zu einem für ihn interessanten Thema weitere Inhalte geben soll.
Eine wichtige Rolle kommt natürlich auch den Autoren zu. Deren Ausbildung ist sehr breit gefächert und deckt alle wichtigen Themen von der Accessibility über das Findbarmachen von Inhalten bis zum Schreiben für Online-Medien ab.
Unterstützend wirkt hierbei auch die Kultur der Organisation: diese ist per se stark auf Qualität fokusiert und von formellen Vorgängen geprägt. Das kommt der Sicherstellung einer hohen inhaltlichen und strukturellen Qualität im Intranet sehr entgegen.
Weitere „Leassons learned“:
- Um etwas zu vereinfachen muss man bewusst auf bestimmte Dinge verzichten – so wurde bspw. die Anzahl der Inhalte im Rahmen des Relaunch um die Hälfte auf ca. 3.000 Seiten reduziert.
- Wem eine hohe Usability wirklich wichtig ist, der kann sich nie zufrieden mit dem Erreichten zurücklehnen, sondern muss durch ständige Weiterentwicklung sicherstellen, dass es mindestens so gut bleibt oder möglichst noch besser wird.
- Man muss nicht in jedem Bereich die beste Lösung haben, sondern vor allem die wirklich wichtigen Dinge gut machen – so wurde der Fokus aktuell auf Kommunikation und Informationsbereitstellung gelegt, Transaktionen jedoch wegen technischer Beschränkungen außen vor gelassen.
Mit dem Benutzer auf Du und Du
In seiner Intranet-Reise noch einen Schritt weiter hinten befindet sich die Rabobank . Das Finanzinstitut, das während der Krise als sicherste Bank eingestuft wurde und viele Auszeichnungen für seine Leistungsfähigkeit erhalten hat, steht aktuell vor der Herausforderung, herausfinden, was wirklich das Ziel des Intranets ist und dann eine entsprechende Strategie dafür festzulegen.
Dementsprechend weist das heutige Intranet auch noch keine klare Fokussierung auf – ein Zustand, den es mit den Intranets vieler Unternehmen gemein hat:
Daniel Leonard, seit letztem Jahr Intranet Project Manager bei der Rabobank, setzt für die Überarbeitung des Intranets auf „Personas“. Bei diesem vor allem aus dem Marketing bekannten Konzept werden fiktive Personen kreiert, die unterschiedliche Nutzertypen repräsentieren. Damit wird das immer existierende Problem adressiert, dass die Intranet-Verantwortlichen in einem größeren Unternehmen unmöglich alle ihre „Kunden“ kennen können und folglich das Intranet nur bedingt an den Bedürfnissen, Arbeitsweisen und Präferenzen der Mitarbeiter ausrichten können.
Jede Persona steht für einen bestimmten Benutzertypen. Das kann bspw. ein typischer Projektleiter sein, der ganz andere Informationsbedürfnisse hat als ein typischer Service-Mitarbeiter. Aber nicht nur die Funktion eines Mitarbeiters kann als Unterscheidungskriterium dienen, sondern bspw. auch Faktoren wie Betriebszugehörigkeit, Web-Affinität, Nutzungshäufigkeit, typische Aufgaben oder Verhaltensmuster.
Für jeden identifizierten Nutzertypen wird ein „persönliches Profil“ erstellt. Die Persona bekommt einen Namen, eine Beschreibung und vielleicht sogar ein Foto und eine „Lebensgeschichte“. Damit werden die Personas (be-)greifbar und man kann sie für konzeptionelle Entscheidungen heranziehen, z.B. um Fragen wie diese besser beantworten zu können:
- Welche Funktion würde unsere Persona Peter Müller in dieser Situation benötigen?
- Würde Katja Meier an dieser Stelle wirklich die Personalisierungsoptionen nützen?
- Interessiert Paul Schneider die Information über XYZ hier wirklich?
Mit diesem Ansatz stellt die Rabobank die Mitarbeiter ganz bewusst in den Mittelpunkt ihrer konzeptionellen Überlegungen rund um das Intranet. Damit will man sich auch von einer Denkweise verabschieden, bei der die Funktionen der eingesetzten System und technische Möglichkeiten im Vordergrund stehen.
Intranets zwischen Werbung und Kulturförderung
Bei der nächsten Episode von Intranets Live am 2. März hebt sich um 16:00h der Vorhang für die Intranets von JWT (eine der größten Werbeagenturen der Welt) und des British Councils (das sich um die kulturellen Beziehungen von Großbritannien in der Welt kümmert). Für die erstmalige Teilnahme stehen erneut kostenlose Gästekarten zur Verfügung.
Weitere spannende Veranstaltungsrückblicke:
– Spektrum der Intranets: Sprint und IBM meistern Herausforderungen
– Spektrum der Intranets: es wächst zusammen, was zusammen gehört
– Blogs statt News bei Adidas, Self-Service bei British Airways
– Content Branding, Wiki-Intranet und Portal Roadmap
– Suchprobleme auch im Intranet von Google?
– Werkzeugkasten bei Nokia und Knowledge Sharing bei der BBC
– Deloitte’s Social Network ‚D-Street‘
– Shell und Westminster Abbey bei Intranets Live
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