Webanalyse als Marketingwerkzeug: Kein Blindflug mehr


Die Webanalyse macht die Erfolgsmessung für Internet-Auftritte und Digital-Marketing-Kampagnen auf einfache Weise möglich. Die Auswahl eines geeigneten Web-Analytics-Tools hängt allerdings stark von den individuellen Zielen der Website und des zu Grunde liegenden Geschäftsmodells ab. Noch einen Schritt weiter geht Predictive Analytics: Statt in den Rückspiegel wird in die Zukunft geschaut.

Wie lassen sich im Web erfolgreich Wälzlager vermarkten? Diese Frage bewegte auch die NSK Deutschland GmbH in Ratingen bei Düsseldorf. Interessieren sich die Kunden im B2B-Geschäft überhaupt für das eigene Angebot? Was wollen sie wissen, wenn sie die Website des Unternehmens besuchen? Wie bewegen sie sich dort? Die Antwort auf diese Fragen suchte Wälzlagerspezialist mit Hilfe der Webanalyse.

Sie zeigte, dass überraschend viele Besucher der NSK-Website wissen wollen, was eigentlich ein Wälzlager ist? Da es neben der Wikipedia und der „Maschinenbaubibel“ – dem Dubbel – bisher kaum seriöse Quellen zu diesem Thema im Internet gibt, nutzten die Antriebsexperten aus Ratingen ihr Fachwissen und schrieben auf Basis des Ingenieur-Kompendiums kurze sogenannte „Technical Insights“, die in das Thema einführen sollen. Kapitelweise kann der Besucher tiefer in das Thema einsteigen – bis hin zu Downloads von Fachbeitragen aus dem Wälzlager-Hauptkatalog des Herstellers.

Gesunder Menschenverstand statt Zahlengläubigkeit

Ein Beispiel dafür, wie die Webanalyse dabei hilft, den Interessen der Websitebesucher auf die Spur zu kommen und aus ihren Erkenntnisse praktische Schlussfolgerungen zur Verbesserung der Website und zur Content-Erstellung zu ziehen. Vor allem für Unternehmen, die online Geschäfte machen wollen, führt an der permanenten Analyse und Optimierung kein Weg vorbei. „Als Direktversicherer, der Umsätze im zweistelligen Millionenbereich im Internet realisiert, können wir uns keinen Blindflug erlauben“, sagt beispielsweise Dr. Jürgen Cramer, Mitglied des Vorstands der Sparkassen DirektVersicherung AG in Düsseldorf.

Weit über 80 Prozent seiner jährlich über 30.000 Neuverträge schließt der 1996 gegründete Internet-Pionier heute online ab. „Wir nutzen Adobe Analytics, um uns die Konversionspfade von Kunden und Interessenten anzuschauen und daraus Schlüsse für eine weitere Optimierung unserer Website zu ziehen“, so Dr. Cramer. Außerdem könne durch die Analyse sehr genau erkannt werden, wann sich Investitionen in bestimmte Performance-Marketing-Kanäle lohnen und wann nicht. Etwa in Display-Werbung, Suchmaschinenanzeigen oder die Zusammenarbeit mit Vergleichs- und Gutscheinportalen.

Wichtig ist für ihn auch die ständige Verbesserung des Webauftritts. Dafür werden dann zum Beispiel die Abbruchpunkte bei komplexen Formularen mit Hilfe von Adobe Analytics ausgewertet und nach Möglichkeiten zur Optimierung gesucht. Sechs Mitarbeiter in den Abteilungen Marketing und IT arbeiten heute mit der Webanalyselösung und nutzen aussagekräftige Reports, die auch vom Vorstand regelmäßig für seine strategischen Entscheidungen verwendet werden. Blind auf die Zahlen will sich Dr. Jürgen Cramer allerdings nicht verlassen. Sondern es komme auf ihre richtige Interpretation an. „Nur mit gesundem Menschenverstand kann man daraus erfolgreiche Strategien für ein erfolgreiches Geschäft ableiten“, ist er überzeugt.

Professionelle Analysetools auf dem Vormarsch

Die Auswertung von 40.000 im Alexa-Ranking gelisteten Domains mit der Endung .de durch das Portal IdealObserver zeigt, dass mittlerweile in Deutschland rund 70 Prozent aller Internet-Auftritte ein Webanalyse-Tool nutzen. Dabei dominieren zwar die beiden kostenlosen Werkzeuge Google Analytics (53 %) und Piwik (37 %). „Doch unsere Auswertung aus diesem Sommer belegt auch, dass bei den reichweitenstärksten Angeboten zunehmend professionelle Lösungen zum Einsatz kommen“, sagt Portalbetreiber Marcus Nowak-Trytko. Dazu zählen vor allem die Tools etracker (27 % Anteil), econda (9,9 %), Webtrekk (6,8 %) und die High-Endlösung Adobe Analytics (4,3 %). Insgesamt erfasst IdealObserver in seinem Einkaufsführer über 80 Analysewerkzeuge, die nach einem umfangreichen Kriterienkatalog detailliert beschrieben und für Anwender vergleichbar gemacht werden.

Je reichenweitenstärker Websites sind, desto deutlicher ist der Trend zu professionellen und teuren Lösungen zu sehen. „Vergleicht man die zuletzt erhobenen Daten mit denen der zurückliegenden Jahre, so stellt man fest, dass es kaum noch Zuwachs bei der Gesamtnutzung von Webanalyse-Tools gibt“, berichtet der Berater. Hier blieben die Zahlen seit einiger Zeit nahezu konstant. Basis der IdealOberver-Untersuchung ist die Suche nach einem Analyticscode im Quelltext der untersuchten Websites, was zu gewissen Unzulänglichkeiten hinsichtlich einer vollständigen Erfassung führt. So können Analyse-Lösungen, die allein serverseitig arbeiten oder deren Code auf den Seiten maskiert ist, nicht erfasst werden.

Gute Gründe für kostenpflichtige Tools

Auch wenn Gratis-Analysewerkzeuge wie Google Analytics oder Piwik permanent an Leistungsumfang gewinnen, so gibt es doch gute Gründe für die Nutzung der Profi-Tools. „Dreimal der gleiche Report, dreimal andere Sampling-Raten, dreimal komplett verschiedene Ergebnisse“, beschreibt Lukas Oldenburg, Senior Digital Analyst beim E-Commerce-Spezialen Unic AG mit Hauptsitz im schweizerischen Zürich, seine Erfahrungen mit Google Analytics. Da für die Bereitstellung der Analysewerte in einer vertretbaren Zeit riesige Serverkapazitäten erforderlich sind, nutzt der Suchmaschinengigant die Sampling-Methode. Statt jede Zeile auszulesen, prüft er nur jede dritte, vierte, zehnte oder gar hundertste oder tausendste.

Eine solche repräsentative Auswahl führt zwar in der Meinungsforschung zu brauchbaren Ergebnissen, aber in der Segmentierung bei der Webanalyse kann dies fatale Folgen haben. „Je mehr Traffic, je komplexer das Segment, desto stärker greift Google Analytics zum Sampling, und desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass Daten bis zur Unbrauchbarkeit verzerrt werden“, so Oldenburg. Für High-Traffic-Websites sei dies ein guter Grund, sich zweimal zu überlegen, ob man seine Analysen wirklich mit dem Gratis-Tool fahren wolle.

Aber auch der fehlende individuelle Support spreche dagegen. „Für mich ist es wichtig, einen Anbieter zu haben, den ich bei meinen Problemen mit seinem Tool persönlich anschreiben oder anrufen kann“, sagt der Webanalyse-Profi. Denn der erspare ihm die Zeit, tage- oder wochenlang selber eine Lösung zu erarbeiten – oder diese Lösung trotz langer Suche gar nicht zu finden, weil es derzeit keine gibt. Schließlich könne vom Browser des Besuchers bis zum Webanalyse-Report vieles schiefgehen. Zu den Hauptfehlerquellen zählen:

  • Das Tracking wird nicht richtig ausgeführt
  • Die Daten werden nicht richtig gesammelt/gespeichert
  • Die Daten werden nicht richtig verarbeitet
  • Reports werden nicht richtig konfiguriert
  • Es findet eine falsche Interpretation der gesammelten Informationen statt
Bei Google Analytics bleibt man stets im Dunkeln: Man weiß nicht, was da eigentlich genau wie gespeichert wird

Einige dieser Fehlerquellen könne man schnell erkennen und abstellen. Aber wenn erkannt werden soll, ob die Daten richtig gesammelt wurden, helfe nur der Blick in die Rohdaten, also Logfiles oder Datenauszüge direkt aus diesen. Und dieses Feature bieten nur die kostenpflichtigen Tools. „Bei Google Analytics bleibt man dagegen stets im Dunkeln: Man weiß nicht, was da eigentlich genau wie gespeichert wird“, konstatiert Lukas Oldenburg.

Zudem können die Logfiles bei den Profi-Werkzeugen mit weiteren Daten angereichert oder noch einmal nach anderen Kriterien verarbeitet werden. Beim kostenlosen Google Analytics fehle diese Möglichkeit. Allerdings bietet der Internet-Konzern mit dem seit 2013 auch in Deutschland verfügbaren „Google Analytics Premium” eine kommerzielle Lösung an, bei der die drei Kritikpunkte Sampling, Support und Rohdaten kein Problem mehr darstellen. Sie ist allerdings mit einem Mindestpreis von 105.000 Euro im Jahr und einem Traffic-abhängigen Preismodell so teuer, dass sich für Unternehmen – so Experte Oldenburg – „stattdessen vielleicht eher ein Blick auf ein ganz anderes Tool lohnt“.

Die Auswahl einer geeigneten Web-Analytics-Lösung hängt dabei stark von den individuellen Zielen des Internet-Auftritts und des zu Grunde liegenden Geschäftsmodells ab. Aber auch von der Komplexität der Nutzerdaten, welche ausgewertet sollen. Ebenso von den Rahmenbedingungen, wie z.B. personellen und finanziellen Ressourcen, technischem Know-How oder gesetzlichen Vorgaben. In einer Trendbefragung, die Unic in der Schweiz unter Entscheidungsträgern von E-Commerce-Anbietern durchgeführt hat, wurde der Stand des Einsatzes von Digital Analytics und die Hauptherausforderungen ermittelt.

Informationen nicht nur sammeln, sondern nutzen

Danach haben die befragten Unternehmen die Digitale Analyse, bei der neben dem Web auch mobile Endgeräte untersucht werden, zwar als wertvolles Instrument für die Optimierung ihrer Online-Auftritte erkannt. Allerdings schöpfen sie ihr Potenzial bei Weitem noch nicht aus. Sie sammeln Informationen, nutzen sie aber nur beschränkt, um ihrer digitalen Marketing-Aktivitäten ganzheitlich zu messen und zu steuern.

Zwei Drittel der befragten Unternehmen gewinnen mit Hilfe der Analytic-Tools Informationen, wie ihre Website genutzt wird. 42 % analysieren außerdem wie sich einzelne User auf der Webseite verhalten und verfolgen die Customer Journey. Die konsequente Nutzung der mittels Digitaler Analyse gewonnenen Informationen ist allerdings laut der Studie noch wenig verbreitet: Nur rund ein Drittel der Entscheidungsträger leitet aus diesen Erkenntnissen Maßnahmen zur Optimierung der Webseite in den Bereichen Navigation, Content, Usability und Design ab oder überprüft die Erreichung der Ziele, die sie sich mit ihrer Webseite gesteckt haben.

Auch für die Optimierung des Suchmaschinen-Marketings oder des gesamten Online-Marketings werden die Informationen nur selten eingesetzt. Erst in ganz wenigen Unternehmen werden die Erkenntnisse als Entscheidungsgrundlage für das Management, zur Segmentierung von Besuchern und zur Erfolgsmessung über den gesamten Customer Life Cycle verwendet.

Was hindert die Unternehmen aber daran, die gesammelten Informationen besser zu nutzen? Neben Zeit und Budget fehlen oft die Erfahrungswerte und das Wissen, um die Daten und Metriken richtig zu interpretieren. Viele Unternehmen sammeln „blind“ Daten, ohne zu wissen, zu welchem Zweck, diese ausgewertet werden sollen. Ähnlich viele Firmen kämpfen mit der technischen Infrastruktur. Weitere Hindernisse, mehr mit dem Wissen etwas anzufangen, sind laut der Befragung fehlerhafte Daten, die fehlende Definition von messbaren Website-Zielen und ein genereller Mangel an Know-how.

Predictive Analytics ist der Zukunftstrend

Digitale Analyse ist ein interdisziplinäres Thema an der Schnittstelle zwischen Marketing, Branding, Produktmanagement, Informatik, Vertrieb, Business-Analyse und weiteren Disziplinen. Die unterschiedlichen Fachspezialisten an einen Tisch zu bringen, ist ebenfalls nicht ganz einfach in den Unternehmen“, stellt die Trendstudie fest. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Report „The Forrester Wave: Web Analytics Q2.2014″, der weltweit die relevantesten Web Analytics-Anbieter im Enterprise-Segment beurteilt.

Web-Analysen haben sich als Schlüsselkomponente digitaler Informationsbeschaffung etabliert. Damit lassen sich neue, gestiegene Anforderungen an die Kundenorientierung erfüllen und das Ökosystem aus intelligenten digitalen Technologien und Daten-Management-Lösungen erweitern. Sie sind also Pflicht für alle, die erfolgreiche Maßnahmen zur Gewinnung von digitalen Informationen implementieren möchten“, heißt es darin.

In seiner auf 75 Kriterien basierenden Überprüfung von Anbietern für Web-Analysen hat Forrester die sechs bedeutendsten Namen der Branche ermittelt – Adobe, AT Internet, Google, IBM, SAS Institute und Webtrends – und diese untersucht, analysiert und bewertet. Unter Berücksichtigung aller Bewertungspunkte erreicht Adobe Analytics den Spitzenplatz. Dicht gefolgt von IBM, Webtrends und AT Internet. „Google Analytics Premium” wurde als „Strong Performer“ bewertet und befindet sich laut Forrester auf dem aufsteigenden Ast. Ein Pluspunkt für den Sieger sind dessen Möglichkeiten für „Predictive Analytics“, die Unternehmen dabei unterstützen, den Erfolg einer Kampagne vorherzusehen und das Optimum aus ihren Online-Werbeausgaben herauszuholen.

Statt nur – wie bei der klassischen Webanalyse – in den Rückspiegel zu schauen und die Vergangenheit zu analysieren, wird hier mit Hilfe der bisherigen Trends der Blick in die Zukunft gewagt. Siegfried Stepke, Gründer und Geschäftsführer der österreichischen Spezialagentur e-dialog, sieht eine Entwicklung in Richtung „Programmatic Marketing“, also durch Regeln und Algorithmen gesteuerte Online-Marketing-Maßnahmen. „Kennt man seine Zielgruppe und weiß man auch, in welcher Kaufphase sich der potenzielle Kunde befindet, so lassen sich Kampagnen, Botschaften, Kanäle, Werbemittel und Preise zum richtigen Zeitpunkt entsprechend definieren und optimieren“, ist er überzeugt.

Die Webanalyse liefert heute bereits in etlichen Unternehmen Erkenntnisse und Entscheidungsgrundlagen für Business-Entscheidungen. Sie ist deshalb mehr als bloß ein Reporting von einigen – oder auch vielen – Basiskennziffern. Ohne Webanalyse und kontinuierliche Tests ist keine systematische Konversionsoptimierung mehr möglich.

Doch während der Blick in die Vergangenheit mittlerweile die Pflicht für jeden Website- und Onlineshopbetreiber ist, geht es künftig um die Kür. Durch „Lernen” aus der Fülle bereits erhobener Daten, liefert Predictive Analytics anwendbare Ergebnisse – weit jenseits von Standard-Reports und klassischen Umsatzprognosen.

Keine Wahrsagerei, sondern statistische Wahrscheinlichkeiten

Diese Vorhersagen können alle Kanäle umfassen, sowohl Online als auch Offline. Welche Kunden werden kaufen, klicken, antworten, konvertieren oder stornieren? Wer das mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, ist auf der Gewinnerseite. Denn er kann mit Hilfe seines CMS Web-Inhalte oder Cross-Selling-Produkte für jeden Besucher so anzeigen, dass daraus die gewünschte Reaktion resultiert.

Predictive Analytics ist dabei aber kein Blick in die Glaskugel oder Wahrsagerei, sondern basiert auf Mathematik und Algorithmen. Es kann die Zukunft nicht exakt vorhersagen oder genau empfehlen, was als nächstes zu tun ist. Sondern diese Methode beschreibt einfach die wahrscheinlichste Richtung, wohin sich bestimmte Dinge entwickeln. Die endgültige Entscheidung darüber, was auf Basis dieser Daten getan werden sollte, bleibt weiterhin in den Händen der Marketingverantwortlichen. Sie können zum Beispiel:

  • In verschiedenen Was-wäre-wenn-Szenarien Kennzahlen so verändern, dass unterschiedliche Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse sichtbar werden
  • Für verschiedene Performance-Marketings-Kanäle optimierte Mediamix-Modelle generieren, um so insgesamt einen höheren Return on Investment zu erzielen
  • Frühindikatoren identifizieren, um damit bevorstehende Risiken und Anomalien zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen gegenzusteuern
  • Hypothesen für Tests ermitteln und diese dann ausprobieren

Das Wichtigste ist aber, mit Hilfe der Einblicke aus Predictive Analytics Strategien für ein vorausschauendes Handeln zu entwickeln und so das Rätselraten zu beenden, dass heute immer noch an vielen Stellen das Marketing prägt.

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