Die Auswahl eines geeigneten Content Management Systems (CMS) ist im Projektalltag häufig eher eine quasi-religiöse als eine wirklich objektive Entscheidung. Subjektive Wahrnehmungen sowie konkrete persönliche Erfahrungen und Systemkenntnisse beherrschen die Auswahlentscheidungen maßgeblich.
Aus dieser persönlich geprägten Praxis heraus ist es oftmals schwierig, die Entscheidungsfindung an objektiven, für die Geschäftsziele relevanten Kriterien auszurichten. Gerade das ist aber dringend anzuraten, denn schließlich bindet man sich mit einem CMS in der Regel über mehrere Jahre an einen Hersteller/Systemanbieter bzw. eine bestimmte Community und an die dahinterstehenden technischen Konzepte, Programmiersprachen und Systemplattformen. Demzufolge ist es sinnvoll, die Auswahl an IT-Standardprozesse, hier konkret die Auswahl und Einführung eines IT-Systems, zu knüpfen. Ein gutes Beispiel sind die Best Practice Vorgaben nach ITIL. Daraus lassen sich sowohl funktionale als auch nicht-funktionale Aspekte ableiten, die sich um weitere Anforderungen aus betrieblicher Sicht sowie aus Sicht der IT-Sicherheit ergänzen lassen.
Das Open Source Angebot
Betrachtet man die nackten Marktzahlen (bspw. http://www.cmscrawler.com/country/DE), sind die CMS-Platzhirsche im Open Source Umfeld nach wie vor typische LAMP-Systeme wie TYPO3, Joomla, WordPress und Drupal. Während TYPO3 ein besonders im deutschsprachigen Raum beliebtes Enterprise CMS für den Einsatz im gehobenen Mittelstand, Konzernumfeld und im Bereich des E-Governments ist, findet Joomla verstärkt im Umfeld kleinerer bis mittlerer Websites (Vereine, KMUs) Anwendung. Drupal ist insbesondere in kollaborativ geprägten und community-lastigen Webplattformen im Einsatz und ebenso wie WordPress – ein stark Inhalte-getriebenes und primär zur Nutzung als Blogging-Software ausgelegtes System – eher international etabliert. Hinsichtlich ihres jeweiligen Funktionsumfangs unterscheiden sich die Systeme daher erheblich. Einen guten Überblick bietet hier etwa die bekannte Matrix-Übersicht http://www.cmsmatrix.org.
Welche Funktionen braucht man?
Das Funktionsspektrum quelloffener Systeme ist äußerst diversifiziert. Es gilt daher, die konkreten Projektanforderungen im Auge zu behalten und den Nutzen gegebenenfalls durch praktische Teststellung zu überprüfen. Außerdem nimmt die Bandbreite an Systemen für bestimmte branchenspezifische Einsatzzwecke stetig zu. Was die Entscheidungsfindung zunächst zu erschweren scheint, kann im Detail durchaus hilfreich sein. Agenturen und Softwarehäuser können die Kernleistungsfähigkeit einer quelloffenen Lösung etwa durch spezifische Branchenanpassungen (bspw. für Immobilienwirtschaft, produzierendes Gewerbe, o.ä.) weiter steigern. Insbesondere durch standardisierte Verbindungen mit anderen branchenetablierten betrieblichen Informationssystemen wie ERP, CRM und DMS oder der Anbindung an zentrale Marktplätze können hier entscheidende Stärken erwachsen.
Nicht-funktionale Anforderungen
Weiterhin sind sogenannte nicht-funktionale Kriterien bei der Systemauswahl zu prüfen. Wie hoch ist etwa die Performanz sowie Skalierbarkeit des Systems? In der Regel müssen bei der Auswahlentscheidung auch andere beteiligte Software-Komponenten (DBMS, Server-Betriebssystem, u.a.) sowie die Kombination von Software und Hardware geprüft werden. Ist das CMS beispielsweise für einen Hochlast- und Clusterbetrieb ausgelegt? Gibt es Randbedingungen, die das System bei Lastspitzen besonders gut oder schlecht abschneiden lassen? Zumindest TYPO3 und Drupal bieten hier einen „Track-Record“, der deutlich zeigt, dass diese quelloffenen Systeme für entsprechende Architekturen geeignet sind. Besonderer Vorteil ist hier häufig auch die tiefe Verzahnung der Software verschiedener Ebenen in einem Open Source Stack.
Projektspezifische Erweiterungen
Ein zusätzliches Kriterium ist die Individualisierbarkeit bzw. projektspezifische Erweiterungsfähigkeit des Systems. In diesem Punkt verfügen Open Source Systeme naturgemäß über besondere Stärken – die allerdings nur ausgespielt werden, wenn unter der Haube auch sauberer und gut strukturierter Quellcode vorherrscht. Quelloffene Content Management Systeme entwickeln eine zunehmend starke Fokussierung auf moderne Software-Architekturen und Entwicklungskonzepte. Insbesondere investierte die TYPO3 Community in den letzten Jahren viele Ressourcen in den Aufbau einer modernen Entwicklungsinfrastruktur bis hin zu einem vollkommen eigenen PHP-Framework namens FLOW3, welches Grundlage des CMS-Entwicklungszweiges TYPO3 Neos ist. Und auch bei Drupal ist mit der Hinwendung zum PHP-Framework Symfony eine entsprechende Strategie erkennbar. Deshalb sind CMS wie TYPO3 und Drupal auch als Entwicklungswerkzeuge zu betrachten.
Sicherheit entscheidet mit
Zur Auswahl des richtigen Systems unter dem Aspekt Sicherheit liegt seit August 2013 eine Open-Source-spezifische Sicherheitsstudie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor. Diese Hinweise können eine Auswahlentscheidung wesentlich erleichtern. Zusammen mit weiteren – oftmals Agentur-eigenen – Sicherheitslösungen sowie fachmännischer Konfiguration sind quelloffene Systeme geeignete Optionen bei der CMS-Auswahl.
Blick hinter die Kulissen
Diese Stärken in technisch-funktionaler Hinsicht und in Bezug auf deren Erweiterbarkeit, die die Open Source Systeme ihren Communities zu verdanken haben, gehen aber häufig mit einer bestimmten Schwäche einher. Leider fehlt es an der entsprechenden Marketing-Power, um diese Leistungsfähigkeit auch erfolgreich nach außen zu kommunizieren. So haben kommerzielle Systemanbieter wie Adobe (Adobe CQ5) oder CoreMedia (CoreMedia 7) gegenüber der Open Source Welt hier sicher einen Vorsprung. Ihre Produktpositionierung ist wesentlich klarer und besser ausgearbeitet als die der quelloffenen Lösungen. Dementsprechend sind die Nutzenargumente verständlicher formuliert und für Entscheider häufig schneller greifbar, auch wenn sich die reine Funktionsliste objektiv betrachtet nur im Detail unterscheidet. Dass kommerzielle Systeme in bestimmten Umfeldern (spezifische Medien-CMS oder Fokussierung auf spezifische Personalisierungsfunktionen) ihre Berechtigung haben, bleibt unbestritten. In Summe muss aber auch hier im Auswahl-Prozess genau geprüft werden: handelt es sich nur um eine gut anzusehende Marketing-Verpackung oder ergeben sich tatsächlich konkrete Nutzenvorteile für den geplanten Einsatzzweck des CMS?
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