Gütesiegel kennt man aus allen Lebensbereichen: ob CE- oder GS-Zeichen, Ökotex-Standard, Bio-Siegel oder Blauer Engel – die Idee ist immer gleich: Als Konsument geht man davon aus, dass Produkte mit einem Siegel die versprochene Qualität aufweisen und bedenkenlos gekauft werden können.
Ein bedingungsloses Vertrauen in Gütesiegel kann aber trügerisch sein, denn wer weiß schon genau, wofür jedes einzelne Siegel steht? Mit Details wird es wahrscheinlich schon bei den bekannten Siegeln schwer.
Ganz ähnlich stellt sich die Situation im eCommerce dar. Auch hier suchen etliche Kaufinteressenten nach Möglichkeiten, bei Online-Shops die Spreu vom Weizen zu trennen und die Anbieter zu finden, die die bestellte Ware auch zuverlässig liefern.
Diesem Wunsch entsprechen derzeit 25 Anbieter von Gütesiegeln für Online-Shops. Bleibt dem Shop-Betreiber da tatsächlich nur noch die Qual der Wahl, welches Siegel seinen Shop zieren soll? Wenn ja, worauf sollte er bei der Auswahl achten? Oder sind Shop-Siegel eher überflüssiger Schnick-Schnack, der von den Kunden kaum beachtet wird?
Es geht um Vertrauen
Gehen wir nochmal zurück zum Anfang und machen wir uns klar, warum es überhaupt Güte- und Shop-Siegel gibt? Ganz einfach – weil kein direkter Kontakt zwischen Hersteller bzw. Anbieter und Kunden besteht. Betrachten wir folgendes praktisches Beispiel: Wenn ich direkt beim Bauern Eier kaufe, brauche ich kein Gütesiegel. Ich sehe die Hühner mit eigenen Augen auf der Wiese herumlaufen, kann mir die Eier direkt aus dem Stall holen und mit dem Bauern sprechen. Daraus resultiert mein Vertrauen in die Qualität der Eier.
Kaufe ich Eier hingegen im Supermarkt, fehlt dieser direkte Kontakt zum Anbieter und ich muss der Kennzeichnung Glauben schenken. Selbst wenn ich die Eier noch so genau betrachten würde, könnte ich keine sicheren Rückschlüsse auf die Haltungsform ziehen.
Bei einem Kleidungsstück, das ich in einem Laden in der Stadt kaufe, kann ich die Qualität besser beurteilen. Wenn ich mich dann für den Kauf entscheide, tausche ich mein Geld direkt gegen das Kleidungsstück. Und sollte dieses beispielsweise beim ersten Waschen auseinander fallen, kann ich erneut in den Laden gehen und es reklamieren. Ich fühle mich also bei diesem Kauf auf der sicheren Seite.
Im Online-Shop ist es erstens nicht möglich, die Ware in natura zu sehen und zu probieren, zweitens erfolgt der Austausch zwischen Ware und Geld nicht gleichzeitig am gleichen Ort und drittens ist der Shop bei Reklamationen nicht vor Ort greifbar. Ich weiß also nicht, ob mir der Händler tatsächlich die Ware sendet, wenn mein Konto bereits belastet ist oder ob er mir das Geld erstattet, nachdem ich die Ware zur Reklamation zurückgesendet habe.
All diese Unsicherheitsfaktoren sollen Güte- und Shop-Siegel mildern. Die Kunden möchten beim Kauf sicher sein, dass alles glatt geht. Da man die Vertrauenswürdigkeit des Anbieters selber nur bedingt prüfen kann, sucht man eine andere Instanz, die dafür die Bestätigung liefert.
Aber damit ist das Dilemma noch nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wenn man dem Shop- Betreiber nicht vertraut, warum sollte man dann dem Siegelanbieter vertrauen? Weil sein Siegel bekannt ist und von vielen Shops verwendet wird? Weil seine Prüfbedingungen und Angebote plausibel klingen? Das muss es wohl sein, denn sonst sollte man vom Online-Shopping die Finger lassen.
Übrigens: Ich gehe vom seriösen Kunden aus, der die bestellten Artikel wirklich haben und ordnungsgemäß bezahlen möchte. Dass es aber auch andere Fälle gibt, in denen der Shop-Betreiber vor unseriösen Kunden geschützt werden müsste, soll zumindest nicht verschwiegen werden.
Die Shop-Siegel unter der Lupe
Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung der 25 Shop-Siegel sind die Kriterien, nach denen die Anbieter die Shops vor der Erteilung des Zertifikats prüfen. Dabei findet man auf den ersten Blick viele Gemeinsamkeiten, denn die meisten Anbieter prüfen, ob das Impressum alle rechtlich vorgeschriebenen Angaben enthält, ob die Kunden den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustimmen müssen und ob sie gesetzeskonform über ihr Widerrufs- und Rückgaberecht informiert werden. Wer die Rechtslage kennt, kann diese Punkte natürlich auch selber prüfen bzw. sollte das auch vor jedem Kauf tun. Aber juristische Texte lesen sich schwer und wenn eine neutrale Prüfung grünes Licht signalisiert, ist das doch viel angenehmer.
Noch interessanter wäre allerdings die Prüfung von Kriterien, die der Kunde selber nicht vornehmen kann. Wer möchte nicht wissen, was mit persönlichen Daten passiert und wie vor allem sensible Zahlungsdaten behandelt werden? Wenn sich die Siegelanbieter dabei aber lediglich auf die Angaben des Shop-Betreibers verlassen, ist natürlich auch nicht viel gewonnen. Hier können nur neutrale Untersuchungen und Testbestellungen helfen.
Manche Siegelanbieter haben Beschwerdeformulare oder Schlichtungsstellen eingerichtet. Über die hierüber eingehenden Meldungen erhalten sie Feedback zu den Shops und können bei wiederholt auftretenden Problemen das Siegel aberkennen. Eine funktionierende Schlichtung bietet den Kunden die Sicherheit, im Falle eines Problems einen neutralen Ansprechpartner zu haben. Wie gut die Schlichtung aber in der Praxis funktioniert, ist eine andere Frage.
Ein weiteres Problem ist, dass die Zertifizierung immer nur eine Momentaufnahme darstellt und der Shop-Betreiber nach Erhalt des Siegels durchaus Änderungen am Shop vornehmen könnte, angesichts derer ihm das Siegel eigentlich wieder aberkannt werden müsste.
Die Siegelanbieter prüfen zwar die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen, verweisen aber stets darauf, dass sie keine rechtliche Prüfung oder Rechtsberatung übernehmen. Die Frage ist also, inwieweit sich der Shop-Betreiber damit auf der abmahnsicheren Seite fühlen kann und was bei Gesetzesänderungen passiert.
Trotz dieser zum Teil kritischen Anmerkungen haben sich bei der Analyse drei Anbieter aus der Masse hervorgehoben, die das Vertrauen der Shop-Betreiber und Kunden verdienen:
- Trusted Shop
- EHI
- TÜV – Safer Shopping
Dabei ist Trusted Shop der einzige Anbieter, der standardmäßig einen Käuferschutz anbietet. Sollte der Shop die Ware nicht liefern oder bei einer Reklamation das Geld nicht zurückerstatten, springt Trusted Shop ein und entschädigt den Kunden. Der einzige kleine Haken dabei: Der Kunde muss diesen Käuferschutz nach Abschluss seiner Bestellung explizit aktivieren. Wer das nicht weiß, hat Pech gehabt. Wer es weiß und tut, kann ruhigen Gewissens kaufen. Beim Safer-Shopping-Siegel kann der Shop-Betreiber optional eine Geld-zurück-Garantie bei einem Versicherungsunternehmen buchen.
Trusted Shop hat auch bei den Zusatzleistungen die Nase vorn und bietet verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung bei der Vermarktung des Shops und ein von der europäischen Kommission gefördertes Schlichtungsverfahren. Die hohe Zahl an zertifizierten Shops spricht ebenfalls eindeutig für das Trusted Shop-Siegel.
Das Safer-Shopping-Siegel kann sicher mit der Bekanntheit des Namens „TÜV“ punkten. Der Vergleich mit den anderen Siegeln hinkt aber ein wenig, weil hier ein Audit der internen Prozesse eingeschlossen ist. Dadurch scheint es auch das teuerste Angebot zu sein, auch wenn die Preise, die von der technischen Infrastruktur abhängen sollen, auf der Webseite nicht angegeben werden.
Alle drei Anbieter führen die Rechtsform der GmbH und sind schon viele Jahre tätig. Bei den anderen Siegelanbietern handelt es sich meist um Einzelunternehmer oder eine Ltd. mit Sitz im Ausland. Einige der Siegelanbieter betreiben auch andere Seiten, die oft – trotz thematischer Unterschiede – untereinander verlinkt sind. Auch wenn man dies nicht pauschal verurteilen kann, sollte man es im Einzelfall doch kritisch hinterfragen.
Die Siegel der drei großen Anbieter sind bekannt und haben einen hohen Wiedererkennungswert bei erfahrenen Online-Käufern. Die anderen Siegel, die ihnen zum Teil verblüffend ähnlich sehen, findet man in der Tat in einigen laufenden Shops, aber längst nicht auf allen Sites, die die Anbieter in ihren Referenzlisten nennen.
Die Dauer der Zertifizierung könnte einen Hinweis auf die Gründlichkeit geben, mit der vorgegangen wird. Aus Zertifizierungen von Kunden-Shops bei Trusted Shops wissen wir, dass es durchaus einige Zeit dauert, bis die umfangreiche Liste abgearbeitet ist. Und so scheint eine Zertifizierung innerhalb weniger Tage unrealistisch – zumal wenn Nachbesserungen nötig sind.
Die Kosten für die Siegel variieren zwischen kostenlos und einem 4-stelligen Betrag. Meist werden eine Einmalzahlung für die Einrichtung und Monatsbeiträge verlangt. Es gibt aber auch Anbieter, die das Siegel lebenslang für einen Pauschalpreis vergeben. Bei Trusted Shop und EHI hingegen sind die Kosten nach Umsatz gestaffelt, quasi als Erfolgsbeteiligung. Die Kosten mögen auf den ersten Blick schrecken – gerade wenn man einen Shop neu aufmacht. Sie sollten sich aber relativ schnell durch gesteigerte Umsätze relativieren.
Akzeptanz der Siegel
Ein Siegel ist nur dann nützlich, wenn es bekannt ist und das Vertrauen rechtfertigt. Deshalb müssen sich aus der Masse der angebotenen Siegel zwangsläufig einige wenige herauskristallisieren und den Markt unter sich aufteilen.
Außerdem bleibt noch einiges zu tun, um den Bekanntheitsgrad der Shop-Siegel zu steigern und ihre Bedeutung zu verdeutlichen. Die Online-Käufer müssen lernen, worauf sie beim Einkauf achten müssen und wie sie sich vor unseriösen Shops schützen können. Hier sind neben den Siegelanbietern vor allem Konsumentenschützer und auch die Medien gefragt, noch mehr Aufklärungsarbeit zu betreiben und die Käufer mit neutralen Informationen zu versorgen.
Die Shop-Betreiber ihrerseits sollten die Kraft des gewählten Siegels erkennen, dieses prominent auf allen Seiten platzieren und es vermeiden, zu viele zum Teil nichts sagende Logos in ihrem Shop anzubringen. Zusätzliche Erklärungen zum Siegel und zur Selbstverpflichtung des Anbieters auf einer „Über uns“- Seite können helfen, das Vertrauen in den Shop und in das Siegel weiter zu stärken.
Dem Online-Shopping gehört sicher die Zukunft, und viele Stellen können dafür sorgen, dass es eine gute Zukunft wird.
Die komplette Tabelle finden Sie in der Ausgabe 10/2010 des eStrategy-Magazin.
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