Während die Umsätze im Print-Bereich (Bücher, Magazine) weiter sinken, verzeichnen die Verkaufszahlen digitaler Produkte (z.B. E-Books) weiterhin großen Zuwachs. Der Umsatzanteil von E-Books im deutschen Publikumsmarkt liegt 2015 zwar „nur“ bei knapp über 5 % (Statista 2015), doch der Trend hin zur Digitalisierung verfestigt sich nachhaltig und zwingt die Verlage zum Umdenken.
Einige Verlage haben sich auf die anstehenden Herausforderungen eingestellt und ihre Geschäftsmodelle angepasst. Eine neue Form des Storytelling gewinnt dabei an Bedeutung und eröffnet Verlegern neue Möglichkeiten ihre Geschichten zu vermarkten: Unter dem Stichwort „Transmedia“ versteht man die Veröffentlichung von voneinander unabhängigen und doch zusammenhängenden Geschichten, verteilt über verschiedene mediale Plattformen. Mit dieser Art der modernen Geschichtenerzählung können Verlage neue, kreative Umsatzkanäle entdecken, ihre Kundenbeziehungen optimieren, so wie eine höhere Markenloyalität und ein höheres User Engagement erreichen.
Die Bedeutung von Transmedia für Verlage
Der Autor Henry Jenkins beschreibt Transmedia in seinem Buch „Convergence Culture“ als einen Prozess, in dem wichtige Teile einer Geschichte, Romane oder Sachbücher, auf verschiedene Kanäle systematisch verteilt werden, um so eine einheitliche und koordinierte Leseerfahrung zu erschaffen. „Im Idealfall trägt jedes Medium auf seine eigene Art und Weise zur Entfaltung der Geschichte bei“, schreibt Jenkins und sagt voraus, dass Leser künftig Inhalte nicht mehr beobachtend konsumieren sondern an ihrer Entstehung aktiv teilhaben. Leser mit gleichen Interessen formen eine Community, online wie offline, interagieren miteinander und bringen ihre eigenen Ideen mit ein.
Bei Transmedia geht es also nicht darum ein gedrucktes Buch im e-pub Format anzubieten. Es ist vielmehr die Weiterentwicklung und Einbindung neuer Plattformen wie Digi-Novels, Games oder Apps. Für Verlage stellt die veränderte, aktive Rolle des Publikums, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, so wie die Suche nach Autoren, die transmediale Geschichten entwickeln können, durchaus eine große Herausforderung dar.
Zudem brauchen Verlage IT-Lösungen, um die Inhalte effizient auf verschiedenen Plattformen anzubieten, ohne dabei Qualitätseinbußen bei der User Experience hinnehmen zu müssen. Wie kann man also die Inhalte so ausspielen, dass ein Leser über verschiedene Kanäle und Endgeräte die gleiche Erfahrung mit der Geschichte macht, und damit auch mit der damit verbundenen Marke?
Die Inhalte müssen auf verschiedenen Bildschirmgrößen funktionieren, in unterschiedlichen Formaten, Bilder und Videos müssen nahtlos in die Geschichte integriert werden, die Social Media Aktivitäten müssen einheitlich mit anderen Marketingaktivitäten synchronisiert werden, egal ob der Leser die Inhalte auf seinem Computer, Tablet, Phablet, Smartphone oder SmartTV konsumiert.
Hier müssen Verlage in Zukunft in neue Software investieren, um mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten und sich die neuen Möglichkeiten durch Transmedia auch direkt im Unternehmenserfolg widerspiegeln.
Transmediale Geschichten – Beispiele
Ein bekanntes Beispiel, um Transmedia besser zu verstehen, sind die Bücher „Herr der Ringe“ vom Autor J.R.R. Tolkien. Die ursprüngliche Trilogie aus den 1950er Jahren wurde über 50 Jahre später auf verschiedene Plattformen ausgeweitet. Spiele wurden entwickelt (Brettspiele, Kartenspiele, Computerspiele, Mobile Spiele), Cartoons, die berühmten Kinofilme, Lieder, Merchandise, Internetseiten mit Fanforen, oder reale Offline-Events, in der sich Fans verkleiden und ihre Helden live treffen können.
Ein weniger bekanntes, aber beeindruckendes Beispiel für die richtige Anwendung von transmedialen Strategien, ist die Geschichte Cinderella 2.0. In der neuen Version der uralten Geschichte, springt „Cinderella“ auf die Bühne und singt ein Lied, das Publikum ist begeistert. Die Security des Events entfernt das junge Mädchen jedoch von der Bühne, und währenddessen wirft sie einen Schuh in das Publikum. Die Geschichte nimmt in den sozialen Medien Fahrt auf und verbreitet sich viral auf unterschiedlichen Plattformen.
Die genaue Geschichte und die Nachwirkungen werden wunderbar in folgendem Video erklärt (auf Englisch):
Der CSI-Macher Anthony E Zuiker hat mit Level 26 eine digitale Horror-Geschichte ins Leben gerufen. Gestartet ist das Projekt mit einem Buch, das online über www.level26.com abgerufen werden konnte. Diese transmediale Story hat den Leser vom Buch zu visuellen Inhalten auf der Website geleitet.
In der Praxis wird Transmedia oft mit einem Franchise-Konzept verknüpft. Eine übergeordnete Geschichte, verteilt auf verschiedene Plattformen, kann so eine neue, wichtige Einkommensquelle für Verlage darstellen. Kreative Elemente können unter dem Dach einer Hauptgeschichte dezentral speziell für ein einzelnes Medium entwickelt, und so auf verschiedenen Ebenen monetarisiert werden.
Der Hype um Transmedia liegt also im Wesentlichen in der spannenden visuellen und technologischen Umsetzung einer Geschichte. Verleger müssen anfangen in diese Form des Storytellings zu investieren, um den Anschluss nicht zu verpassen und um mittel-und langfristig von diesem Trend zu profitieren.
Weitere Insights aus dem Verlagswesen finden Sie auch hier in unserem kostenlosen Whitepaper „Publizieren im Wandel – Digitalisierung, Crossmedia und Technologie im Verlagswesen“.
Bildquellen
- Multimediales Storytelling – Geschichten erzählen 2.0: Contentpepper®
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