Es scheint wie ein Kampf David gegen Goliath, bei dem Goliath immer weiter und schneller wächst: Bei der Frage von Print- versus Digitalmedien war sich lange Zeit jeder einig, dass das Aus der Printmedien bald besiegelt sei. Publisher und Verleger, die etwas anderes behaupteten, wurden höchsten müde belächelt. Auf den ersten Blick schien das auch richtig zu sein.
“Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende”, konstatierte vor wenigen Monaten der Geschäftsführer der taz, Karl-Heinz Ruch. Kunden und Angestellte müssten sich auf einen Abschied von der gedruckten Ausgabe der Tageszeitung einstellen, die bald nur noch als Online-Variante zur Verfügung steht. Die Aussage erweckt den Eindruck eines nahenden Schlusspunkts, der sich schon seit Jahren andeutet: Die gedruckten Zeitungsauflagen sinken kontinuierlich und erreichen Jahr für Jahr einen neuen Tiefpunkt. Dagegen haben sich die verkauften E-Paper-Auflagen zwischen 2007 und 2017 um mehr als das 24-fache gesteigert.
Das Ende einer analogen Institution
Und damit könnte der Artikel hier auch enden: Die Print-Tageszeitungen sind am Ende, das Zeitalter digitaler Newspaper ist angebrochen. Behäbige Druckversionen können mit schnellen Informationen aus Onlineportalen, über Mobile Devices beinahe in Echtzeit zu konsumieren, nicht mithalten. Die Kernkompetenz, zeitnah Informationen über das Tagesgeschehen zu vermitteln, ging an die digitale Konkurrenz verloren.
Diese Entwicklung ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. So ließe sich dem rasanten Verfall der Tageszeitungen beispielsweise die Auflagenentwicklung der Wochenzeitungen entgegenstellen: Diese sinkt zwar auch kontinuierlich, doch weitaus langsamer, von 2,2 Millionen 1995 auf 1,7 Millionen 2017 – also über einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Ein baldiger Einbruch ist nicht in Sicht. Hier spielt ein eminenter Vorteil der Printmedien hinein, der sich durch Skandale und Fake News in den sozialen Medien noch verstärkt: Printmedien gelten mit großem Abstand als vertrauenswürdiger als soziale Medien. Einer PwC-Studie zufolge vertrauen Facebook als Spitzenreiter weniger als 20% der Befragten, während Printmedien fast 70% ihr Vertrauen schenken. Dieser Vorteil ist elementar für das weitere Bestehen von Verlagen und Publishern, denn er ist einer der größten Trümpfe, den sie einer sich schnell wandelnden Medienlandschaft gegenüberstellen können. Es verwundert daher nicht, dass sich diesen auch andere Bereiche wie das Corporate Publishing zunutze machen.
Totgeglaubte leben länger – und anders
Gerade bei (Kunden-)Magazinen zeigt sich, wie die Print- gegenüber der Digitalversion bevorzugt wird: Laut Freeport Press nutzen 41% der Personen, die ein bis zwei Magazine lesen, diese lieber als Printausgabe. Nur 27% konsumieren die digitale Variante. Dazu kommen weitere vorteilhafte Aspekte wie eine längere Lesedauer und Auseinandersetzung mit den Print-Angeboten. Das Lesen einer Printvariante anstelle einer digitalen Version erzeugt offensichtlich ein anderes Erlebnis. und gerade durch diesen besonderen Charakter können sich Printmedien weiterhin behaupten: Neben dem Vorteil des größeren Vertrauens der Leser und informativen, umfangreicheren Formaten erschließen sie sich neue Bereiche, etwa als Premiumprodukt für exklusive Kundenansprache. Sie sind dann nicht mehr nur ein monatlich erscheinendes ‘alltägliches’ Format. Vielmehr können Magazine, die zu besonderen Anlässen erscheinen, als eine wirkliche Exklusivität eine neue Nische besetzen. Verleger und Publisher müssten sich dann zumindest teilweise neu erfinden.
Ein unerwarteter, verstärkender Effekt könnten dazu neue gesetzliche Vorgaben wie die DSGVO in Europa oder der California Consumer Privacy Act in den USA haben. Durch diese Verordnungen ist es rechtlich schwieriger geworden, den Konsumenten digital zu erreichen. Dadurch kommt es womöglich teilweise zu einer Art Rückbesinnung, Interessenten wieder im Real Life, beispielsweise mit Printmedien, zu begegnen.
Nicht Print vs. Digital
Auch wenn es sich nach einem starken Wettkampf anhört, weil die digitalen Medien wachsen und Printmedien stagnieren oder schrumpfen, kann im Moment noch nicht von einem eindeutigen Sieger gesprochen werden. Große Teile der Budgets für Marketing und Advertising werden neben der Onlinepräsenz auch für bestehende Printartikel ausgegeben und damit in die klassische Arbeit von Verlags- und Medienhäusern investiert. Es handelt sich grundsätzlich bei Print- und Digitalmedien nicht um ein Gegeneinander, vielmehr um ein ergänzendes Miteinander: Bei Printangeboten stehen das haptische Erlebnis, die Exklusivität als Premiumprodukt, die Authentizität und die Professionalität im Vordergrund. Auf der anderen Seite können die digitalen Angebote durch schnellere Personalisierung, Individualisierung, erhöhte Zugänglichkeit und kundenfreundlichere Vernetzung der Angebote punkten.
Dieses Miteinander zeigt sich letztendlich auch in der Übernahme oder Schaffung neuer Formate, mit denen Publisher auf veränderte Konsumgewohnheiten reagieren. So werden immer mehr Printformate in digitale Versionen umgesetzt oder gleichzeitig angeboten: Magaloge als kleine, mehrseitige Paper, die Elemente von Magazinen und Katalogen verbinden, stellen kurze Geschichten und auch die Produkte selbst vor. Sie werden sowohl als Print- wie auch als Digitalvarianten präsentiert. Andersherum können auch Aspekte der Personalisierung und Individualisierung auf Druckmedien übertragen werden.
Geteilte Zukunft?
Es ist schwer, eine allgemeine Zukunftsprognose zur Entwicklung der gedruckten und digitalen Medienlandschaften zu geben. Während für Onlinemedien ein stetiges Wachstum als sicher angenommen werden kann, zeigt sich bei den Printmedien ein differenzierteres Bild: Boulevard- und Tageszeitungen werden kurzfristig stärker kämpfen müssen, um sich weiterhin gegen die Online-Konkurrenz zu behaupten oder nicht noch mehr Anteile zu verlieren. Wochenzeitungen und Kundenmagazine werden mit ihren relevanten Inhalten dagegen wahrscheinlich noch eine ganze Zeit vertrauensvolle Ergänzungen der digitalen Medien sein. Dabei wird es mehr und mehr darauf hinauslaufen, dass sich die präsentierten Formate einander zwischen Digital und Print angleichen und ineinander aufgehen.
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