Teil 1: Communities und User-generated-Content
Das Schlagwort „WEB 2.0“ steht für technische als auch inhaltliche Trends. „Communities“ und „User-generated-Content (UGC) sind dabei nicht nur eine Herausforderung für Portalbetreiber, sondern ebenso für Hersteller von CMS und Community-Software: Es gilt, beide Systeme zu einer homogenen Einheit zu formen. Anhand des schwedischen Portals www.expressen.se wird in drei Teilen dargestellt, wie sich Communities und UGC auf Content Management auswirken.
I. Theorie und Praxis von Communities und Community CMS
1. Verschlungene Erfolgsregeln
Community CMS: Communities lassen sich nicht auf dem Reißbrett planen. Online-User denken weder an das Wohl der Community-Betreiber, noch denken sie überhaupt in Begriffen wie „Community“. Vieles läuft bei Communities unterbewusst. Die Regeln sind verschlungen und schwer berechenbar. Vor allem für denjenigen, der damit im Internet Geld verdienen will.
Tatsache ist jedoch: Wenn etablierte Portale damit beginnen, Community-Angebote in ihrem Portfolio zu integrieren, dann geschieht dies selten aus Nächstenliebe. Sie erhoffen sich vielmehr neue Umsätze.
Dabei müssen allerdings die User mitspielen. Wer den Aufbau einer Online-Community fein säuberlich plant, kann daher durchaus vom Misserfolg und fehlender Akzeptanz überrascht werden: Manches aufwändig erstelle Community-Angebot wird nämlich gar nicht oder nur kurz genutzt. Statt neuer Umsätze nur verlorene Investitionen.
Aber selbst wenn die User ein Portal akzeptieren kann die erhoffte Werbung ausbleiben. Der Grund: Viele Markenartikler und Mediaplaner schalten ihre Banner lieber auf klassischen Webseiten anstatt auf Community-Angeboten. Auf klassischen Websites gibt es bekannte Regeln. Es gibt weniger Überraschungen und Risiken. Die Folge: Selbst eine erfolgreich aufgezogene Online-Community kann in die finanzielle Schieflage geraten.
Daher stehen nicht wenige Portale mit hoher IVW-Reichweite der Idee von WEB 2.0 skeptisch gegenüber. Eine zentrale Frage lautet daher: Welche greifbaren Vorteile bringt dieser Ansatz denen, die erfolgreich sind – und das ohne Community und UGC?
Vor der Antwortsuche sollte man zunächst fragen: Auf welchem Model basiert ein Portal überhaupt?
2. Unterscheidung von 2.0 Originals und 2.0 AddOns
Zunächst gilt es zu prüfen: Handelt es sich bei den Web 2.0 Elementen einer Website um ein „Original“ oder ein „AddOn“? Als Original lassen sich solche Angebote bezeichnen, die bereits beim ersten Launch Community-Elemente und/oder UGC beinhalten bzw. zum Schwerpunkt gemacht haben (z.B. myspace, ebay, flickr, wikipedia, bloglines). Bei AddOns handelt es sich dagegen um einen Angebotstyp, der bislang ohne inhaltliche Web 2.0 Elemente betrieben wurde und nun zusätzlich Community-Angebote integrieren möchte (häufig der Fall bei Newsanbietern und Markenartiklern).
Bei den 2.0 Originals ist die Community bzw. der UserContent ein originärer und damit wesentlicher Bestandteil des Portal-Erfolgs. Es ist mitunter das Basisangebot selbst. Die Systeme der 2.0 AddOns funktionieren dagegen auch ohne Community-Elemente. Und das durchaus recht gut. Ihre nachträglich aufgesetzten Web 2.0 Elemente wirken allerdings genau deshalb in vielen Fällen künstlich.
Die öffentlich geführte Diskussion um WEB 2.0 dreht sich vor allem um die Frage, wie bereits etablierte Marken und Unternehmen dem Trend folgen und ihr Web-Angebot um vermeintlich „soziale Elemente“ erweitern können. Heiß diskutiert wird daher vor allem das 2.0 AddOn-Modell.
Nicht wenige 2.0 AddOns widmen sich dem Community-Thema, weil sie befürchten, die 2.0 Originals könnten ihnen eines Tages den Rang ablaufen. Viele Etablierte wollen zudem aus Prinzip ein Stück vom Community-Kuchen abbekommen, frei nach dem Motto: Wenn MySpace über 50 Mio. User hat, dann muss der Community-Kuchen riesig sein. Dann lässt sich damit Geld verdienen. Dann müssen wir auch etwas in Richtung Web 2.0 unternehmen.
Andererseits entzieht sich der User dieser Kopierer-Logik. Er spürt instinktiv: „Geht es bei einem Angebot wirklich um meine Interessen?“ Nur die Angebote, denen der User so etwas wie Echtheit unterstellt, werden tatsächlich als Community erfolgreich. Das sind gegenwärtig meist die Originals. AddOn-Angebote haben bislang deutlich weniger Erfolg.
Künftig könnte das anders sein:
Dann nämlich, wenn die AddOn-Angebote die Modelle der Originals nicht mehr ausschließlich dumpf kopieren und eigene originäre Ideen entwickeln. Die Situation wird auch anders, wenn Communities und UGC quasi flächendeckend zum Standard-Angebot von Websites dazu gehören und nicht mehr als einfallslose me-too Kopien wahrgenommen werden.
Aus Angst vor blutigen Nasen wird aber aktuell vielfach abgewartet. Trotzdem: Einige Portale sind bereits erfolgreich gestartet. Von ihnen gilt es zu lernen.
3. Das Beispiel Expressen.se
Jenseits von gut einem dutzend sehr erfolgreichen und allseits bekannten internationalen Originals Modellen wie myspace , flickr oder ebay gibt es zunächst nur wenig deutsche bzw. europäische Pendants wie z.B. OpenBC . Sucht man im deutschen oder selbst im europäischen Raum nach erfolgreichen AddOns, dann findet man ebenfalls nur wenige nachweislich erfolgreiche Beispiele. Die Anzahl jener, die ihr bereits bestehendes Basisangebot um Communities und UGC erweitert und damit echte Mehrwerte für ihre User geschaffen haben, hält sich eher in Grenzen. Die Beispielsarmut gilt insbesondere für das Thema Corporate Blogs, die von manch kritischen Experten sogar komplett totgesagt werden.
Eines der bislang wenigen existierenden erfolgreichen Beispiele dieser Art ist das schwedische Portal www.expressen.se .
Das der Bildzeitung ähnelnde Blatt ist Teil der inhabergeführten schwedischen Medienholding Bonnier-Group . Das Online-Angebot von Expressen ist mit 5 Mio. Visits/Woche eines der erfolgreichsten Webangebote Skandinaviens (vgl. Mediaindex von www.resoner.nu ). Die Site wurde im September 2005 – damals noch ohne Community-Elemente – zur beliebtesten Online-Plattform Schwedens gewählt.
Seit Februar 2006 werden in das bisherige Angebot fortlaufend Community-Aktivitäten integriert. Als Anlass für die sprunghaft gewachsene Bedeutung von Web 2.0-Elemente im eigenen Angebot hat man eine ebenso ernste wie überraschende Erklärung. Dazu Per Thelin, CTO Expressen.se:
„You could say that ‘citizen journalism’ was really started a little more than a year ago (07/07/2005) when the bombs in London exploded and newsdesks around the world was flooded with e-mails, pictures and sms/mms about their experience of the bombs. Also sites like flickr had an extreme impact on people where they could see other peoples images from the accident. It was a big eye opener for the whole media market and almost every newspaper use pictures sent in from readers.“ Diese Einschätzung macht in der Tat nachdenklich: Community und User-generated-Content werden viel zu häufig mit Fun, Games und Happy-Young-People gleichgestellt. Zwar haben innerhalb der viel gepriesenen „Spaßgesellschaft“ gerade diese Zielgruppen Community-Angebote besonders schnell aufgenommen. Ob man allerdings deshalb als etablierte Marke seine eigenen Angebote mit grellen Farben und vermeintlich lustigen URLs ins Rennen schicken sollte, bleibt fraglich.
Das Attentat von London zeigt ebenso wie die Tsunami-Welle, dass die Idee vom Web 2.0 mitunter eine Folge der geänderten technischen Möglichkeiten auf User-Seite ist. Speziell Online-Magazine müssen sich darauf einstellen, dass fast jeder heute eine Digitalkamera für Bild und Video besitzt. Ebenso verbreitet sind Fotohandys und MP3-Player mit Recording-Funktionen, deren Ergebnisqualität den Möglichkeiten des Mediums entspricht. Die gleichen Menschen besitzen zudem immer häufiger DSL-Zugänge, mit denen selbst datenintensive Inhalte wie Videos in kurzer Zeit aufgespielt werden können.
Zudem gilt: Professionelle Journalisten und Fotografen können schon rein statistisch gar nicht so nah am Geschehen sein wie ein technisch gut gerüsteter Bürger, der in der Regel unfreiwillig in eine oft kurzlebige Grenzsituation gerät und multimedial festhält. Originalaufnahmen der Betroffenen wirken in diesen Fällen häufig authentischer, glaubwürdiger und echter als die von Reportern. Nach derartig originären Inhalten haben die meisten Bürger ein Bedürfnis. Auf die Einbindung derartiger Inhalte im eigenen Web-Angebot muss man aber gut vorbereitet sein, wenn man im tatsächlichen Ernstfall Raum für UGC anbieten möchte!
Neben der technischen Infrastruktur ist es vielleicht die ernsthafte Analyse der Londoner Ereignisse und die Bewertung als „Bürgerjournalismus„, die den tieferen strategischen Ansatz von expressen.se auszeichnet. Jedenfalls wurden auf Basis der Einschätzung von tieferen Userbedürfnissen folgende Aktivitäten bereits erfolgreich durchgeführt bzw. sind geplant:
– seit Februar 2006: Artikelkommentierung durch User
– seit März 2006: Einsatz einer umfangreichen Community-Platform (u.a. Blogging)
– fortlaufend: Diverse innovative Community-Aktivitäten
Die strategischen Ziele durch Community-Elemente sind dabei vor allem:
– Erhöhung der Verweildauer der User
– Einfachere Einbindung von Premium-Services für User
– Gesteigerte Loyalität der User
– Langfristig: Ausbau von ECommerce
– Crossmedia-Publishing von UGC
Bereits das erste Ziel, Erhöhung der Verweildauer, wurde von expressen.se innerhalb kürzester Zeit eindrucksvoll erreicht: In wenigen Wochen nach Einführung von Artikel-Kommentierung und Blogs konnte die durchschnittliche Verweildauer der User um z.T. mehr als zweitausend Prozent erhöht werden.
Die Bedeutung dieses Ziels darf nicht unterschätzt werden: Je mehr User ein Portal bereits besitzt, desto schwieriger ist es, neue User hinzu zu gewinnen. Um mehr Traffic zu generieren, muss daher z.B. die Dauer der Nutzung erhöht werden, um bei etwa gleicher Useranzahl mehr Online-Advertising zu ermöglichen.
Die Online-Verwertung ist nicht das einzige Community-Ziel. Es gibt bereits weitergehende Pläne, was mit dem durch User erstellten Content passiert. Dazu Per Thelin:
„We don’t stop by just using the content on our website or in our newspaper, we use it in all our ways of distribution, tv, webb-tv, sms/mms and mobile-sites.“
Nach mehreren Monaten praktischer Erfahrung steht für Expressen fest: Die Communities haben sich bereits gelohnt. Die Thematik wird weiter ausgebaut. Klar wird aber auch: Vorhandene Techniken, Workflows, aber auch Begriffe werden durch das Aufeinanderprallen von Content Management und WEB 2.0 intensiv auf die Probe gestellt.
Vor allem das Ziel des Crossmedia-Publishing lässt erahnen, welche Herausforderungen beim weitergehenden Content Management durch UGC entstehen werden.
4. Die typische Reihenfolge von 2.0 AddOn-Projekten
Während Originals häufig von Beginn an ein eigene maßgeschneiderte Softwareumgebung entwickeln, zeichnen sich Projekte von AddOns durch eine historisch bedingte Reihenfolge beim Vorgehen aus: Sie setzen – daher der Name AddOn – die Community-Elemente auf ein bestehendes CMS oder ECommerce-System auf.
Folgende Charakteristika sind regelmäßig gegeben:
– Es existiert bereits ein Portal mit Basisinhalten
– Für dieses Portal ist ein CMS im Einsatz
– Communities werden inhaltlich wie technisch um „diese Basis herum“ gebaut
– Das Basisangebot bleibt weitgehend unverändert erhalten
– langfristig kommt es bei erfolgreicher Integration zum Merger von Basisangebot und UGC
Dieses Vorgehen ist auch durchaus vernünftig:
Solange sich das Zusatzangebot nicht als wirklich erfolgreich heraus gestellt hat, führt es ein zumindest temporäres Eigenleben. Durchaus erkennbar ist dies rein äußerlich an eigenen URLs für die Communitiy-Aktivitäten. Auch werden die firmeninternen Strukturen wie Zuständigkeiten von Redakteuren, Workflows etc. meistens nicht durch die neuen Aktivitäten durcheinander gebracht. Frei nach dem Motto „Never touch a running system“ wird also ein Community-Parallelsystem aufgezogen. So entstehen im Idealfall früher oder später zwei running systems, die dann zu einem System integriert werden.
Die Kehrseite der Medaille: Dadurch entsteht zumindest temporär eine doppelte Infrastruktur. Sie besteht aus dem bisherigen CMS mit dem traditionellen Content sowie einem neuen System, mit vom User generierten Inhalten (Community-Plattform).
5. Integration von Communities ins bisherige CMS?
Besonders bei großen Webportalen spielt die Homogenität der IT eine große Rolle. Daher liegt der Gedanke nah, dass man statt zwei Systemen (eins für die bisherigen Angebote, eins für Communities und UGC) das bestehende CMS in Richtung Community „aufbohrt“.
Dass und warum dies aktuell noch nicht so ohne weiteres möglich ist, wird im Folgenden dargestellt.
II. Vertikales und horizontales Content Management
Das Zusammenspiel von klassischen CMS und Community-Plattformen lässt sich in vertikale und horizontale Elemente unterteilen. Diese Differenzierung erfordert die richtige Einordnung von User-generated-Content.
1. Einordnung von User-generated-Content (UGC)
Als User-generated-Content (UGC) bezeichnet man Inhalte, die vom User z.B. auf ein Web-Portal gestellt werden können (Text, Bild, Video, Links etc). Ein Reiseportal kann Beispielsweise multimediale Urlaubsberichte seiner Kunden ins Netz stellen. Bei einer Zeitung kann der User seine (Fach-)Artikel direkt veröffentlichen.
Bei UGC geht es schon begrifflich eindeutig um Content. Seine Erstellung, Strukturierung, Veröffentlichung und Weiterverwertung ist folglich eine Variante von Content Management. Je mehr Webcontents durch User erzeugt werden, desto mehr wird auch der Begriff des Content Management durch UGC geprägt werden.
Wie unterscheidet man nun UGC von dem Content, wie er bisher auf Webseiten angeboten wird?
Der geläufige Begriff des „Corporate Blog“ suggeriert in Abgrenzung zu „Private Blog“ eine diesbezügliche Unterscheidbarkeit. Ein möglicher Ansatz ist daher die Differenzierung danach, ob es sich bei den Inhalten einer Website um Corporate oder User-generated-Content handelt.
Content Management, wie es bisher bekannt ist, wird mit Corporate Contents erstellt. Gemeint sind damit Inhalte, für die der Anbieter zumindest die Verwertungsrechte oft auch das geistige Eigentum besitzt. Dies erfolgt durch eigene Erstellung (z.B. Arbeitsvertrag), Einkauf (Kauf- bzw. Lizenzvertrag) oder anderweitigen entgeltlichem Erwerb (z.B. Dienst-/Werkvertrag). Viele Inhalte wie z.B. Produktdaten stammen ohnehin direkt aus dem Unternehmen.
Corporate und User-generated-Content
Letztlich ist die Abgrenzung Corporate/User-genereated-Content aber häufig unscharf. Man kann nämlich – je nach Vertrag mit den Usern – jeden User-generated-Content zum Corporate Content machen. Umgekehrt könnten Angestellte eines Portals durchaus als Privat-User agieren und auf diese Weise user-generierte Inhalte beisteuern. Eine Abgrenzung der Inhalte z.B. nach Urheberecht oder verwendeten Verträgen ist zwar im Einzelfall möglich, aber die entsprechenden Varianten sind nahezu unerschöpflich.
Auch aus diesen Gründen beginnt sich eine andere Unterscheidung durchzusetzen, die vor dem Hintergrund von Zielgruppenbestimmung, Arbeitsabläufen und technischen Systemen entstanden ist:
Gemeint ist die Unterscheidung von vertikalem und horizontalem Webcontent bzw. von entsprechendem Content Management.
Horizontaler und vertikaler Webcontent
Vertikale Contents sind demzufolge Angebote im klassischen Sinne „Redakteur an User„. Horizontale Inhalte sind hingegen Content-Angebote von „User zu User„.
2. CMS und Community-Plattformen
Bei Expressen wird das CMS „Polopoly“ eingesetzt. Die Zufriedenheit mit dem System ist nach wie vor hoch. Gleichwohl galt es zu erkennen: Klassische CMS sind nicht für das vertikale Content Management konzipiert und optimiert – auch wenn dies aus Sicht der meisten CMS-Hersteller ungern eingestanden wird. Daher hat man sich für den User-generated-Content, also das horizontale Content Management, eine zusätzliche Software eingekauft: Die Community-Plattform XCAP des schwedischen Anbieters Josh .
Solche Community-Plattformen zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass darin das Praxis-Know-how erfolgreicher Communities einfließt („Originals“). Nicht anders bei Josh: Das gesamte Team war wesentlich beim Aufbau der in Skandinavien äußerst populären Seite www.marslives.se beteiligt.
Neben der nachweislichen Praxisbewährung von Community-Plattformen und technischen Detailaspekten gibt es aber auch allgemeine kritische Faktoren, die den Einsatz von CMS bei Communities erschweren.
Herkömmliche CMS können in der Regel nur von geschulten Mitarbeitern bedient werden. Zudem müssen CMS-Workflows die oft komplizierte Hierarchie des Unternehmens widerspiegeln: Wer hat welche Rolle? Wer gehört zu welcher Gruppe? Wer muss wessen Beiträge freischalten bzw. prüfen und redigieren? Wer hat welche Rechte?
Kurz: Wer darf was / was nicht?
Jeder CMS-Anbieter weiß: Allein das Aufsetzen von diesem Prozess kann bei nur zehn Redakteuren/Mitarbeitern ein typisches Content-Management-Projekt wochenlang im Kreis drehen lassen und zudem enorme Kosten aufwerfen. Nimmt man noch Aufwände für Schulung und Korrekturschleifen hinzu, fallen die Lizenzkosten in der Regel weit hinter die Implementierungskosten zurück.
Bei UGC ist ein derartiger Prozess nicht nur aus Kostengründen unvorstellbar:
Im Gegensatz zum vertikalen Content Management und seinen mitunter verschlungenen Wegen, muss das horizontale Content Management möglichst einfach, eingängig und, simpel sein. So einfach, dass eine Mehrzahl durchschnittlich technisch begabter User das System ohne Schulungen versteht.
Während das vertikale Content Management also in der Regel von einem mehrstufigen hierarchischen Kontrollworkflow geprägt ist, muss das horizontale Content Management davon soweit wie möglich befreit sein. Andererseits ist auch hier Kontrolle wichtig. Dazu später in Teil 3.
Jedenfalls ist ein Umdenken gefordert:
Herkömmliche CMS-Projekte funktionieren häufig gar nicht „ohne Druck von oben“. Auf die eigenen User kann man dagegen keinen Druck ausüben. User werden auch nicht für ihre Arbeit am Portal bezahlt, sie machen diesen Job aus Spaß und/oder Überzeugung. Gibt man ihnen die Möglichkeit, diesen Gegenwert ohne große Reibungsverluste zu erhalten, machen sie sogar in großer Anzahl mit.
Genau dann tritt für klassische CMS ein weiteres Problem auf:
Bei UGC gibt es eine für das klassische System häufig viel zu große Zahl an Redakteuren, die in unvorhersehbaren Rhythmen veröffentlichen. Zudem müssen sich diese Redakteure ihr Profil im CMS weitgehend selbst anlegen.
Der User-Redakteur muss also in der Lage sein, all diese Fragen selbständig zu beantworten:
– Wie lege ich mein Profil an?
– Wo darf ich Inhalte publizieren?
– Wie pflege ich Inhalte?
– Wie interagiere ich als Redakteur mit anderen Usern?
– Welche Freigabeprozesse muss ich beachten?
– Welche Templates kann und darf ich nutzen?
– Wie werden die Templates ausgewählt?
– usw …
Eine Binsenweisheit lautet: Ausgerechnet Usability bildet die Achillesverse vieler klassischer CMS!
Viele Systeme können unglaublich viel. Nur wissen selbst professionelle Redakteure nur allzu selten, wie man die Möglichkeiten ausschöpft. Oft muss ein Redakteur den Techniker zu Rate ziehen, bevor er seine Ziele umsetzen kann.
Nur äußerst selten sind CMS wirklich bedienungsfreundlich und annähernd selbsterklärend. Häufig sind sie selbst für erfahrene Experten nicht ohne intensive Schulungen zu verstehen. Für horizontales Content Management ist daher ein ganz anderes Interface notwendig als beim vertikalen Content Management. Es muss wesentliche laienfreundlicher sein als sein vertikales Pendant.
Damit nicht genug:
Eine Community mit ein paar Handvoll aktiver User ist kein großer Erfolg. Online-Communities wollen tausende von Usern. Nicht jedes klassische CMS würde aber die Anzahl von mehreren tausend Redakteuren aus Performance-Gründen bewältigen. Extrem hohe Skalierbarkeit ist daher für eine Community-Lösung ebenso notwendig wie eine sehr hohe Performance beim gleichzeitigen Zugriff einer großen Anzahl von Redakteuren.
3. Software für horizontales Content Management
Die meisten klassischen CMS sind daher mit den Anforderungen des UGC regelmäßig überfordert bzw. sie sind überhaupt nicht auf diesen Fall ausgelegt. Je mehr man ins technische Detail geht, desto komplizierter wird dabei die Problematik. Dazu Per Thelin, CTO von Expressen.se:
„The difference in how the content is used, how often content is created and primarily how and when the server caches and flushes their caches makes the current CMS systems on the market inpropriate for user generated content.“
Bei Expressen hat man sich daher mit XCAP für eine sog. Community-Plattform entschieden, die als horizontales System das vertikale CMS Polopoly ergänzt. Das System generiert und verwaltet nicht nur die User-Profile, es besitzt auch eine Schnittstelle zum Web-Frontend, das in vielen Bereichen nach wie vor aus dem bisherigen CMS generiert wird.
III. Technik und Workflows
In den folgenden beiden Teilen werden zuerst die technischen Aspekte des Frontends/Backends einer solchen Lösung dargestellt. Anschließend werden daraus resultierende Workflows näher dargestellt.
Fortsetzung Teil 2: Technische Fragestellungen (u.a. Frontend und Backend, Integration
Fortsetzung Teil 3: Workflowfragen (u.a. Rollen, Inhaltskontrolle, Crossmedia)
[…] Community CMS […]