Mehrere 100 Content-Management-Systeme gibt es alleine auf dem deutschen Markt. Wer in diesem Dschungel auf der Suche nach einer geeigneten Lösung den Überblick behalten will, braucht Hilfe. Verschiedene Marktforscher und Berater bieten sie an. Doch es hängt von vielen Faktoren ab, für welches Unternehmen welches System Sinn macht?
Der CMS Garden – Dachverband der OpenSource-Content-Management-Systeme in Deutschland – hat zur diesjährigen CeBIT die zweite Auflage seiner „Gartenfibel“ vorgestellt. Das Kompendium enthält auf zirka 130 Seiten Überblicksartikel zu zahlreichen CMS mit freiem Quellcode in deutscher und englischer Sprache sowie die „CMS-Matrix“ – eine Übersicht, die die wichtigsten Funktionen der Systeme vergleicht. Mit dabei sind z.B. Drupal, Plone, Joomla!, WordPress, TYPO3, Contao, Scientific CMS, CONTENIDO, Papaya, OpenCms und REDAXO. Diese Übersicht macht das Buch zu einer wertvollen Informationsquelle für alle Entscheider in kleineren Unternehmen, die mit einem OpenSource-CMS liebäugeln. Ganz aktuell ist eine Vorstellung der 12 wichtigsten und größten quelloffenen Content-Management-Systeme durch CMS Garden in der August-Printausgabe des Upload-Magazins.
„Das“ allein seligmachende CMS gibt es nicht
Die „besten kostenlosen Content-Management-Systeme“ – konkret WordPress, Joomla, Drupal und TYPO3 – hat auch Christoph Plessner, geschäftsführender Gesellschafter des Stuttgarter Beratungsunternehmens visual4 GmbH, in einem Beitrag für die Computerwoche unter die Lupe genommen. Wobei diese Auswahl ausgesprochen subjektiv ist, was dem Tester auch in der Kommentarspalte zum Artikel unter die Nase gerieben wurde. Dort fanden dann auch phpWCMS, Open-Engine, Redaxo, WebBaker, Contao/Typoligth, concrete5 oder MODx als Beispiele für die „beste“ OpenSource-Lösung Erwähnung. Was wieder einmal beweist, dass es „das“ allein seligmachende CMS vermutlich nicht gibt und die Entscheidung, welches nun wohl das Beste sein mag, von sehr persönlichen Vorlieben und Kriterien abhängt.
Weiter auf unserer Reise durch den CMS-Dschungel: Das Portal ECIN (Electronic Commerce InfoNet) – ursprünglich im Jahr 1998 vom Dortmunder Forschungsinstitut für Telekommunikation und Kooperation (FTK) als Informationsplattform ins Leben gerufen – wartet ebenfalls mit einem „CMS-Vergleich: Marktübersicht mit Produkten und Anbieter“ auf. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte, bleibt allerdings im Dunkeln. Auf jeden Fall werden hier Äpfel mit Birnen verglichen: Auf der einen Seite (Fast)Kostenlos-Lösungen wie WordPress, Jimdo oder Magnolia, andererseits die Highend-Lösungen von Adobe, Sitecore oder FirstSpirit. Allenfalls als Startpunkt für die weitere Recherche taugt diese Liste.
Besser nicht Äpfel mit Birnen vergleichen
Der „Marktüberblick: Content-Management-Systeme“ des E-Commerce-Studiengangs der Fachhochschule Wedel hat zwar immerhin eine Matrix, auf der Schwerpunkte der einzelnen Lösungen wie z.B. Web Content Management (WCM), Social Publishing oder Dokumentenmanagement grafisch eingeordnet werden. Aber auch hier findet ein sehr subjektiver Äpfel-Birnen-Vergleich statt. Und so stehen darin Systeme wie Vignette, eZ Publish, Reddot oder Interwoven – um nur einmal einige bisher nicht erwähnte zu nennen – im bunten Mix neben Highend-Lösungen und Low-Cost-Angeboten. CMS-Marktführer ist laut dieser Übersicht übrigens WordPress mit 29 Prozent aller Installationen, was eine sehr gewagte These sein dürfte.
Wer übrigens noch ein paar mehr Namen hören will, kann auf netzwelt.de nachschauen, wo „20 Alternativen zu Joomla“ vorgestellt weckt. Was immerhin keine falschen Erwartungen weckt und für alle, die nach einem kostengünstigen oder freien OpenSource-CMS suchen, vielleicht ein paar Anregungen außerhalb der „üblichen Verdächtigen“ gibt.
Liste gibt Anhaltspunkte für den Ausschreibungsprozess
Für mittelständische und größere Unternehmen ist allerdings immer noch die Übersicht „Top 10 Content Management Systeme in DACH“ von J. Boye, dem internationalen Netzwerk für Web- und Intranet-Manager, der beste Ausgangspunkt. Mit Adobe (Experience Manager), Alkacon (OpenCMS), CoreMedia, Drupal, e-Spirit (FirstSpirit), Magnolia, Oracle (WebCenter Sites), SDL (Tridion), Sitecore und Typo3 werden darin 10 Systeme vorgestellt, die im deutschsprachigen Raum tatsächlich relevant sind.
Der Titel „Top 10“ täuscht allerdings etwas. Denn die Liste ist kein Ranking mit einem Spitzenreiter, sondern alphabetisch geordnet. Erwähnenswert sind laut den Verantwortlichen des J. Boye-Netzwerkes zudem noch Joomla, Kentico, Plone, SharePoint und WordPress. Ebenfalls wurden noch ein „High Five“ an jeweils ein System in Deutschland (onion.net), Österreich (Gentics) und der Schweiz (Jahia) vergeben.
Der Report aus dem vergangenen Jahr sagt nicht, dass diese 10 plus 8 Anbieter eine sichere oder gar die beste Wahl für jedes denkbare Szenario darstellen. Die Liste, die auf einer Anwenderbefragung, der Beurteilung von Ausschreibungen und einem Experten-Review basiert, soll lediglich eine Hilfestellung für große und komplexe Organisationen mit hohen Anforderungen an ein Content-Management-System bieten. Diese können diese Anbieter bei einer Ausschreibung zumindest in die engere Wahl aufnehmen. Letztlich ist aber eine praxisnahe und Use-Case zentrierte Ausschreibung vor jeder Entscheidung notwendig.
Volker Grünauer, der 2013 diese Übersicht mit erstellt hat und heute mit seiner Digital- und Strategieberatung Advatera, den regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen Digitalverantwortlichen sowie Kommunikations- und Marketingmanagern organisiert, schlägt eine Methode der „agilen CMS-Auswahl“ vor, bei der das Ausschreibungsdokument maximal zwischen 20 und 30 Seiten lang ist.
Statt Feature-Listen lieber 10 Use-Case abfragen
Das sind Grünauers Empfehlungen für das Vorgehen bei der CMS-Auswahl:
- Statt einer Liste an gewünschten Features sollten ca. 10 Use-Cases oder User-Stories formuliert werden. Die wichtigsten Geschäftsprozesse werden so anhand einer jeweils kurzen und prägnanten Geschichte aus Sicht des CMS-Anwenders oder Webseitennutzer erzählt. Die Implementierungspartner sollten dann im Auswahlprozess darstellen, wie sie diese Geschichten mit ihrem System umsetzen würden. Wenn ein Anbieter es schafft, diese 10 Geschäftsfälle gut zu implementieren, dann werden auch alle weiteren Anwendungen kein Problem darstellen.
- Neben den User-Stories müssen im Ausschreibungsdokument gewissen Rahmenbedingungen geklärt werden. Den Anbietern muss klar sein, wie umfangreich das gesamte Projekt ist. Das lässt sich aber aufgrund einer Beschreibung recht gut skizzieren, eine finale Funktionsliste ist dafür nicht erforderlich. Zudem müssen natürlich technische Voraussetzungen und No-Go’s geklärt werden.
- Eine gut formulierte Ausschreibung muss es dem Anbieter ermöglichen, einen Gesamtpreis für das Projekt (Total Cost of Ownership) zu definieren. Am besten wird ein vordefiniertes Excel-Dokument mitgeschickt, damit die Angebote vergleichbar sind.
- Referenzen sind immer ein spannendes Thema. Holen Sie sich die Referenzen von den Teammitgliedern im Projekt ab – am besten mit einem vorgefertigten Fragebogen. Dies fordert den Anbieter, denn er muss schon bei der Wettbewerbspräsentation ein mögliches Team für das Projekt präsentieren. Zudem erhalten sie wirkliche Referenzen und nicht Projekte. die von ganz anderen Personen abgewickelt wurden.
- Der rechtliche Rahmen und Einkaufsbedingungen dürfen natürlich nicht fehlen. Diese sollten aber als Anhang mitgeliefert werden und nicht übertrieben lang sein.
- Nehmen Sie 4 bis 6 Anbieter in die engere Auswahl und klären sie mit diesen in kurzen Gesprächen noch mal die Rahmenbedingungen ab. Letztlich sollten Sie 3 Anbieter zur Wettbewerbspräsentation laden.
- Nehmen Sie sich Zeit für die Wettbewerbspräsentationen. Sie müssen mit dem gewählten Anbieter in den nächsten Monaten und Jahren ein gutes Team bilden. Versuchen Sie ein gutes Klima einer Partnerschaft zu schaffen. Aber fordern Sie die Anbieter auch – beispielsweise indem Sie ein Testsystem verlangen, welches Ihre Redakteure gleich austesten können.
- Mit dem gewählten Partner sollte man sich nicht gleich ganz verheiraten. Besser ist es, eine Proof-of-Concept Phase einzuführen, in der das Projekt noch einmal ausgiebig konzipiert wird. Um Sicherheit auf beiden Seiten zu schaffen, muss es eine klar formulierte Ausstiegsklausel nach dem Proof-of-Concept geben.
Alleine die Verwaltung von Webinhalten reicht nicht mehr aus
Vor allem größere Unternehmen verlassen sich auch auf die weltweit agierenden Beratungsfirmen wie Gartner oder Forrester Research, da diese frühzeitig neue Trends identifizieren und die Anbieter umfassend beurteilen. So haben die Fprrester-Analysten gerade ihren Report „The Forrester Wave: Digital Experience Delivery Platforms, Q3 2014” veröffentlicht. Wie der Name schon verrät, geht die Studie weit über das reine CMS-Thema hinaus. „Eindeutig beschränken sich Web-Content-Management-Tools heute nicht mehr nur auf die Verwaltung von Webinhalten, sondern sie haben sich zum Eckstein eines Ökosystems an Werkzeugen entwickelt, mit deren Hilfe digitale Erlebnisse für Kunden bereitgestellt werden können“, heißt es darin.
Forrester Research untersuchte in seinem Report 13 Plattformen, die dieses Kriterium erfüllen und mit denen weltweit agierende Unternehmen personalisierte Nutzererlebnisse – im Web und mobil – managen können. Dazu zählen die Angebote von Acquia, Adobe, Demandware, Digital River, HP Autonomy, hybris, IBM, Intershop, OpenText, Oracle, salesforce.com, SDL und Sitecore. Neben Systemen mit WCM-Schwerpunkt wurden also auch Lösungen für E-Commerce und Customer Relationship Management anhand von 29 Kriterien unter die Lupe genommen. Denn nach Ansicht der Analysten wachsen diese Systeme zusammen und überlappen sich zum Teil.
Ganz oben rechts in der grafischen Darstellung ist die Adobe Marketing Cloud als „Strong Performer“ und beste Lösung im Feld positioniert. Begründung: „Adobe hat eine Plattform mit vielfältigen Funktionen für die Bereitstellung von digitalen Kundenerlebnissen geschaffen. Sie beinhaltet das Web Content Management, das Digital Asset Management, Targeting und Social. Diese Lösungen sind zudem integrierter Teil der Marketing Cloud, die auch Analysefunktionen, die Anzeigenoptimierung und das Kampagnenmanagement bietet“.
Adobe Experience Manager jetzt in der Version 6.0
Herzstück ist die gerade erschienene Version 6.0 von Adobe Experience Manager (AEM), die eine massive Veränderung der bisherigen Architektur mit sich bringt. Aber auch zahlreiche neue Funktionen erweitern das Einsatzspektrum der ursprünglich von dem Schweizer Unternehmen Day unter dem Namen CQ entwickelten Software. Dazu zählt beispielsweise ein Touch-Interface, das den Launch von Web- und Mobil-Sites stark vereinfacht.
Neue Dashboards erleichtern den Technikern die Überwachung der Internet-Auftritte und geben den Marketingverantwortlichen Hinweise darauf, wie ihre Inhalte bei den Besuchern ankommen – inklusive SEO-Empfehlungen. Die nahtlose Integration mit Adobe Analytics ermöglicht das Tracking und die Analyse der Webseiten-Besuche. Die automatische, maschinengestützte Übersetzung erleichtert die rasche Umsetzung internationaler Projekte.
Die Integration von Video und sozialen Communities wird durch das „Major Release“ ebenso mit neuen Features unterstützt wie der Aufbau von vereinfachten Workflows zwischen Grafik und Webdesign, IT und Marketing, die zur Beschleunigung der Content-Bereitstellung führen sollen.
„Industrielle Produktion“ statt „Handarbeit“ in der Mobile App-Erstellung
Durch die Kombination mit der neuen PhoneGap Enterprise-Lösung lassen sich nun sehr schnell plattformübergreifende Service-Apps für mobile Endgeräte bauen und über die App-Stores verbreiten. Mit dem Drag-und-Drop-Interface von AEM können diese Anwendungen einfach in der Marketing-Abteilung editiert, hinzugefügt und mit frischen Inhalten versorgt werden.
„Kunden erwarten mittlerweile ein konsistentes, relevantes und personalisiertes Erlebnis – ganz gleich über welchen Kanal, beziehungsweise an welchem Touch Point sie mit einem Unternehmen interagieren“, sagt Gunnar Klauberg, Product Marketing Manager bei Adobe Systems. In Zeiten von Google Glass, Smart-Watches oder Speaking Windows müssten Marketingverantwortliche den Content nicht nur maßgeschneidert für Smartphones und Tablets mit unterschiedlichen Betriebssystemen und Displays bereitstellen, sondern immer mehr mobile Geräte in ihre Strategie einbinden.
Und sie sollten sich auch Gedanken darüber machen, inwieweit sie eine Personalisierung über die verschiedenen Kanäle umsetzen können – idealerweise in Kombination mit einer kontextbezogenen Ansprache. Um diese Herausforderungen in einer vertretbaren Time-to-Market-Zeit bewältigen zu können, sei in der App-Entwicklung statt der heute verbreiteten „Manufaktur“ eine kostengünstige und schnelle „industrielle Produktion“ erforderlich – mit arbeitsteiligem Prozessen und einer Trennung von Contentpflege und App-Weiterentwicklung.
„Durch die vollständige Integration der App-Erstellung in Adobe Experience Manager ist es sehr viel einfacher geworden, mobil-optimierte Websites in Apps zu verwandeln, die ohne Probleme auf unterschiedlichen Plattformen wie iOS, Android oder BlackBerry laufen und leicht mit neuen Inhalten versorgt werden können“, sagt Gunnar Klauberg. Denn dadurch ließen sich die Entwicklungskosten für plattformübergreifende Apps drastisch reduzieren und die Zeit bis zur Auslieferung verkürzen.
Durch das Drag-and-Drop-Interface sind nun auch Nicht-Programmierer in den Marketingabteilungen in der Lage, notwendige Veränderungen an den Anwendungen selbst vorzunehmen. Vor dem Hintergrund der rasanten Verbreitung von Smartphones, Tablets und anderer mobiler Endgeräte werde der Bedarf an attraktiven und nutzwertigen Apps als Teil der digitalen Nutzererlebnisses in den nächsten Jahren exorbitant wachsen. Darauf müssten sich Unternehmen bei der Auswahl ihres WCM-Systems schon heute einstellen.
Bei Forrester Research sieht man das ähnlich. In der Studie „Prognosen 2014: Mobile Trends für Marketer“ stellen die Analysten fest, dass „Mobile das Potenzial hat, jeden Aspekt des Geschäfts zu verändern, vom Vertrieb und Marketing bis hin zum Personal und den internen Prozessen. 2014 ist das Jahr, in dem Unternehmen die Voraussetzungen für diese Entwicklung schaffen.“
Lesen Sie auch unser Interview mit Dr. Joachim Weiß zum Thema „Auswahl des CMS“
Danke für diesen schönen Überblick der einmal mehr zeigt, dass der CMS-Garten eher einen CMS-Dschungel gleicht. Zur jüngsten Forrester Wave gab es übrigens vorletzte Woche eine – wie ich finde – sehr lesenswerte Replik von Scott Liewehr, dem Gründer der Digital Carity Group in den USA http://www.digitalclaritygroup.com/opentext-demandware-and-salesforce-com-are-all-on-a-buyers-shortlist-what-are-they-buying/