Wie Internet-Agenturen der digitalen Transformation begegnen


Vereinfachtes Schichtenmodell der digitalen Transformation

An Projekten der digitalen Transformation sind Internet-Agenturen bislang nicht allzu oft beteiligt. Manche Agenturen reagieren damit, dass sie Chief Digital Officers und Innovationmanager nachrüsten. Doch das ist nicht der einzige innovative Ansatz, um bei der digitalen Transformation künftig mit dabei zu sein.

Jessica Federer, Chief Digital Officer (CDO) der Bayer AG, brachte die Entwicklung auf den Punkt:

How we work with agencies is dramatically changing … Our needs have really changed. I still remember the first time I had to tell an agency doing social and digital engagement for us, ‘We don’t really need you anymore.’ How we work with agencies is dramatically changing.

Eine harte Aussage! Sie ist mutmaßlich kein Einzelfall, denn Chief Digital Officers blicken mit eigenen Augen auf das Angebot digitaler Dienstleister. Sie suchen zwar auch Kreativität, digitale Erfahrung und IT-Umsetzungspower – nur eben anders als dies von Agenturen bisweilen angeboten wird.

Als wäre das nicht genug, gewinnt die Rolle des CDO auch noch rasant an Bedeutung: Seit Anfang 2016 hat sich ihre Anzahl im DACH-Bereich mehr als verdoppelt! Es sind in erster Linie Blue Chip Unternehmen wie Unilever, Ergo, VW, FAZ, Voestalpine, AOK, Deutsche Bank, SwissComm, ABB und viele andere Konzerne, die neuerdings CDOs im Unternehmen platzieren. Aber auch bei großen Mittelständlern ist die Rolle rasant im Kommen.

Nicht wirklich ein Grund zur Freude für Agenturen: Der CDO tickt schlichtweg anders als Marketing-, Online- oder ECommerce-Verantwortliche. Dies ist vermutlich auch einer der Gründe, die zur agenturkritischen Aussage von Jessica Federer geführt haben.

Entwicklung von CDOs in der DACH-RegionQuelle: www.cdo-kompass.de

Die Anzahl von Chief Digital Officern (CDO) nimmt über alle Branchen hinweg rasant zu. Das ist in sofern für Agenturen von Relevanz, weil CDOs (ähnlich wie Jessica Federer von Bayer) oft ganz andere Bedürfnisse im Hinblick auf digitale Dienstleistungen besitzen wie z.B. ein CMO oder CIO. Die Entwicklung verdeutlicht die inhaltliche Verschiebung im Hinblick auf die Frage, was digitale Transformation bedeutet und wen Unternehmen dafür als Dienstleister benötigen. Agenturen reagieren u.a. damit, dass sie selbst immer öfter einen CDO im Unternehmen platzieren.

Verstehen Agenturen ihre Kunden nicht (mehr)?

Falls es so ist wie Jessica Federer gesagt hat, was sind die Ursachen? Um die Hintergründe ihrer Aussage zu verstehen, sollte man zunächst beachten, dass viele Internet-Agenturen traditionell generalistisch geprägt sind: Das Motto der „Full Service“ Agenturen lautet bisweilen „Alles aus einer Hand“ – gemeint sind damit Services rund um die Webseite oder einen Online-Shop: Plattform-SetUp, Analytics und Social-Media, gewürzt mit etwas Beratung.

Digitale Transformation ist aber kein Job für Generalisten! Gesucht werden vielmehr Spezialisten, die man entlang der digitalen Transformation in zwei große Gruppen unterteilen kann – die Innovatoren und die Effizienz-Optimierer:

  • Einerseits geht es bei der digitalen Transformation um die Effizienz-Optimierung des bestehenden Business mittels digitaler Tools. Hier sind der CIO und mitunter auch der CMO die Hauptakteure. Dienstleister der Wahl sind hier häufig digital versierte Unternehmensberatungen, im Marketing-Umfeld auch Agenturen.
  • Darüber hinaus geht es um die „Neuerfindung“ der Spielregeln des Unternehmens bzw. einer ganzen Branche. Beim „Reinventing the core“ sind Innovationsbeauftragte und/oder CDOs in charge. Ihr Ziel liegt u.a. darin, neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Profiteure sind in diesem Umfeld insbesondere innovative NewComer und Methoden-Spezialisten.

In der ersten Säule spielen Agenturen zwar nach wie vor eine Rolle, allerdings befinden sie sich hier auch im Teufelskreis der von ihnen begleiteten Effizienz-Optimierung: Viele Agenturen verspüren einen wachsenden Preisdruck, zudem merken sie immer öfter, dass große Teile ihres angestammten Budgets in die zweite Säule wandern. Trotz wachsender Investitionen im digitalen Bereich wird daher das Kuchenstück der Agenturen am großen Digitalisierungskuchen gefühlt eher kleiner als größer.

Gewinner dieser Entwicklung sind innovative, digitale Newcomer: Die Rede ist von Startups, Methoden-Spezialisten, Innovations-Experten und vertikal spezialisierten Content-Anbietern, SaaS-Providern sowie Company-Buildern. Beispielshaft zu nennen sind diesbezüglich www.etventure.com, www.journey2creation.com, www.hyve.net, www.innovation-radicals.com oder www.bloom-partners.com. Mit dabei sind auch Hubs von und mit etablierten Unternehmensberatungen z.B. www.spielfeld.com, www.deloittedigital.com oder www.bcg-ventures.com. Letztere verfügen in der Regel über ein vitales Ökosystem, bestehend aus vielen agilen, hoch spezialisierten Unternehmen, mit denen die klassischen Berater die digitale Transformation bei Konzernen kollaborativ und interdisziplinär voran treiben. Als erfahrene Berater agieren sie – anders als Agenturen – zudem fast immer auf Vorstandsebene. Nicht jeder Agentur war und ist dies vergönnt.

Statt „alles aus einer Hand“ wird in der digitalen Transformation also eher  „Spezielles aus spezialisierten Händen“ gesucht – zudem Hände, die interdisziplinär und gemeinschaftlich an einem Strang ziehen! Und Agenturen? Sie sind als generalistische Internethandwerker bei dieser Reise nur allzu selten mit an Board.

Kreativität und Innovation dringen in den Product-Core vor

Warum auch? Bei der Digitalisierung geht es weniger darum, ein CMS oder einen Shop zu integrieren und darauf basierende Services anzubieten. Die wachsende Anzahl hoch spezialisierter digitaler Services benötigt als Software as a Service (SaaS) in der Regel gar keine Installation mehr, sie wird out-of-the-box geliefert und vom Anbieter mit geringem Aufwand an individuelle Wünsche der Fachabteilungen angepasst. Schon läßt sich das Digital Business beflügeln.

Innovative StartUps wie www.userlane.com oder junge Unternehmen wie www.innosabi.com liefern ihren Kunden zudem weit mehr als nur Software as a Service: Ein zentraler Aspekt ist die erfrischende Kultur, die mit neuen, innovativen Services einher geht. Vielen Internet-Agenturen ist genau diese Kultur im Laufe der Zeit abhanden gekommen. Manche von ihnen stehen aus Sicht der Kunden sogar im Ruf ähnlich kompliziert zu agieren wie sie selbst. Solche Dienstleister braucht es nicht, wenn es darum geht, neue Produkte und/oder Services zu entwickeln.

Vereinfachtes Schichtenmodell der digitalen TransformationQuelle: www.cdo-kompass.de

Während die digitale Transformation alle Schichten des Models umfasst, ist die Rolle von Internet-Agenturen meist auf den äußeren Ring beschränkt. In die Bereiche der Produkt- und Service-Entwicklung dringen sie nur ganz selten vor. Das gilt selbst für den Bereich des Prototyping von Virtual Reality und/oder Augumented Reality, Apps und Portalen. Umgekehrt erledigen die Spezialisten der inneren Schichten immer öfter die Aufgaben der äußeren Schichten effizient mit. Ihr Vorteil liegt zudem häufig darin, dass sie aufgrund ihrer vertikalen Expertise die Customer Centricity besser beherrschen und leben als die Agenturen.

Einige Agenturen haben bereits auf die sich immer deutlicher abzeichnende Entwicklung reagiert. Zum Beispiel der Marktführer Serviceplan. Dort gibt es neuerdings nicht nur einen CDO, sondern auch Innovationmanager. Sie sollen dafür sorgen, dass die Agenturwelt nicht von den vielen kleinen Digital-Spezialisten abgehängt werden. Ähnlich und doch anders macht es Unterschied & Macher: Die Frankfurter Digitalschmiede bietet neben klassischen Agenturleistungen auch StartUp as as Service. Agenturen wie Virtual Identity betreten ebenfalls innovative Wege: Das Unternehmen hat sich das Thema UBX (Usefull Brand Experience) auf die Fahnen geschrieben und sogar einen eigenen kleinen Makerspace in der Münchner Zentrale implementiert. Allein durch einen solchen Schritt entwickelt sich wie von selbst so etwas wie ein innovatives „Produktentwicklungs-Flair“.

Kunden rüsten ihrerseits auf

All das ist durchaus sinnvoll, mehr noch dringend erforderlich, denn spannende Entwicklungen gibt es auch und vielleicht sogar vor allem auf Seiten der Kunden: Wer gezielt danach sucht, findet im Internet z.B. ein konzernnahes, interdisziplinäres „digital’SWAT-Team“, das dabei hilft, die neuen Herausforderungen der digitalen Transformation auf innovative Weise zu bewältigen.

Innovative Wege wohin man schautQuelle: www.cdo-kompass.de

Oft unterschätzen Agenturen die digitale Power, die mittlerweile in vieler Konzernen steckt: Viele Kunden agieren auf gleicher fachlicher Augenhöhe. Wer als Internet-Dienstleister Mehrwerte liefern will, braucht daher schon eine Spezialität, die einerseits aus Kundensicht relevant ist und andererseits nicht von anderen Mitbewerbern in ähnlicher Form günstiger angeboten wird. Die Frage ist wo liegt diese Spezilatät: Im Bereich der Ideation, der Conception, der Creation und/oder der Activation?

Das Fazit: Internet-Agenturen sind immer öfter gezwungen, die sich rasch ändernden Umstände wahrzunehmen und in kreative Lösungsansätze umzuwandeln. Insbesondere müssen sie erkennen und akzeptieren, dass ein CMS oder Online-Shop nicht das „Herz der digitalen Transformation“, sondern eher eine von vielen digitalen Baustellen ist. Sie sollten sich zudem darauf einstellen, dass ihre Kunden immer öfter auf Augenhöhe agieren oder z.T. sogar darüber. Kurzum: Agenturen dürfen sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen – für sie besteht ebenso wie für die Welt der Konzerne die Herausforderung des „Reinventing the core“! Gleiches gilt für die Herausforderung der „Customer Centricity“. Kurzum: Auch bei Agenturen wird die digitale Transformation einen Change bewirken – vielleicht wird es dann in Zukunft noch mehr CDOs in Agenturen geben, die ihn vorantreiben.

Nähere Infomation rund um die Entwicklungen beim Chief Digitial Officer und der digitalen Transformation unter www.cdo-kompass.de

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