Usability Testing: Nutzerfreundlichkeit auf dem Prüfstand


Usability Testing

„Bitte sprechen Sie mir nach: Ich bin nicht die Zielgruppe“, schwört Jakob Nielsen, amerikanischer Usability-Papst, Macher und Verantwortliche auf einen Perspektivwechsel ein. Denn der eigentliche Erfolg einer Website oder eines Online-Angebots ist letztlich abhängig davon, wie und ob die Nutzer sie akzeptieren.

Die Nutzer fragen.

Rechtzeitig testen und entsprechend optimieren bringt nicht nur bessere Usability. Ein Usability-Test hilft auch frühzeitig Entscheidungen zu treffen und erübrigt Diskussionen. Damit spart er Zeit und Kosten vor dem Launch und minimiert die Aufwände für Optimierungen nach dem Online-Gang. Das gilt insbesondere bei der Neukonzeption oder einem Relaunch, bei dem zentrale Funktionen und/oder die Struktur der Website elementar verändert wurden.

Ein Usability-Test

  • führt zu Akzeptanz
  • erhöht die Nutzung
  • verbessert Conversions
  • sichert Qualität
  • erhöht Umsätze

%CAD2%

Die Basics – was bei jeder Website funktionieren muss

Folgendes sollte im Sinne eines nutzerzentrierten und erfolgsorientierten digitalen Angebots immer auf dem Prüfstand stehen:

  • Navigation: Bewegen Nutzer sich auf einer Website, so müssen sie sich Fragen wie: „Wo bin ich, wo komme ich her, wie komme ich wohin, was kann ich als nächstes tun“, beantworten können. Eine klare Informationsarchitektur schafft den notwendigen Orientierungsrahmen.
  • Verständlichkeit: Erwartungskonforme Begrifflichkeiten und Positionierungen orientieren sich am Wissen und den Gewohnheiten der Nutzer und sorgen für maximale Verständlichkeit bei minimalem Lernaufwand.
  • Zielerfüllung: Die für die Website definierten Kommunikationsziele im Hinblick auf das Markenimage und/oder die Absatzförderung/Vertrieb sollten bei den entsprechenden Nutzergruppen im Einklang mit deren Erwartungen und Bedürfnissen stehen.
  • Standards: Die Einhaltung von Usability-Kriterien wie den Grundsätzen der Dialoggestaltung nach DIN EN ISO 9241-110 sowie der Leitsätze Effektivität, Effizienz und Nutzerzufriedenheit sorgt bereits für eine grundsätzliche Nutzerfreundlichkeit.

Die Methoden – woher weiß ich, ob das funktioniert?

Es gibt quantitative und qualitative Erhebungsverfahren und Usability-Methoden. Quantitative Methoden zielen häufig auf Repräsentativität ab und erfordern daher hohe und damit auch kostenaufwändige Stichprobengrößen. Um Websites oder Online-Angebote mit individuellen Anforderungen zu testen und zu optimieren sind qualitative Methoden populär geworden.

Hier werden, fokussiert auf die Ziel- bzw. Nutzergruppen, Stichproben vorgenommen und sehr gezielt und profund gefragt und ausgewertet. Der zeitliche und finanzielle Aufwand ist vergleichsweise geringer und aus den Ergebnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Hier unterscheidet man zwischen experten- und nutzerbasierten Methoden.

Usability-Methoden

 Expertenbasierte Usability-Analyse

Die Tests werden von Experten nach allgemein gültigen und anerkannten Kriterien wie den Grundsätzen der Dialoggestaltung nach DIN EN ISO 9241-110 durchgeführt. Zudem werden Richtwerte anerkannter Usability-Experten wie Jakob Nielsen herangezogen

Darüber hinaus versetzen sie sich mit Hilfe vorgegebener Szenarien situativ und kognitiv in die Nutzer und beurteilen aus deren Perspektive.

Für eine Einschätzung der Website aus Nutzerperspektive eignet sich ein nutzerbasierter Usability-Test.

Expertenbasierte Methoden:
Experten testen nach gültigen Kriterien / versetzen sich in den Nutzer

  • Heuristische Evaluation: nach gültigen Kriterien
  • Heuristischer Walkthrough: Kombination aus Kriterien und Nutzerszenarien
  • Kognitiver Walkthrough: aus Nutzerperspektive

Nutzerbasierter Usability-Test

Beim nutzerbasierten Test werden Testpersonen aus definierten Ziel- bzw. Nutzergruppen zusammengestellt. Der Test selbst erfolgt dann in einem Usability-Lab, das über die entsprechende Hard- und Software verfügt, kann aber auch bei Nutzern zu Hause oder online stattfinden.

Letztlich geht es darum, Stellvertreter der relevanten Ziel- und Nutzergruppe vor eine oder mehrere repräsentative Aufgaben zu stellen und dabei eine möglichst alltagstypische Situation zu simulieren. Hierbei werden nicht nur Ergebnisse, sondern auch Erkenntnisse über die Gründe festgehalten.

Je nach Budget und Aufgabenstellung kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. So werden beim sog. Eyetracking Blickbewegungen mit Hilfe einer Software festgehalten, während begleitende Interviews Motive und Wahrnehmung der Nutzer abfragen und dokumentieren.

Nutzerbasierte Methoden:
Usability-Test mit Hilfe einer repräsentativen Fokusgruppe

  • Card Sorting
  •  Usability-Testing im Labor
  •  Interview Eye Tracking
  •  Fragebögen
  •  Concurrent Thinkaloud
  •  Constructive Interaction

 Die Aufgabe von Usability-Experten

Usability-Experten betrachten vorab das direkte Umfeld des betroffenen Online-Angebots und klären dabei zentrale Fragen wie: Was ist State of the Art in Branche und Medium und was erwarten die betroffenen Nutzergruppen?

  • Mithilfe von Use Cases, Anwendungsszenarien aus Nutzerperspektive, werden konzeptionellen Anforderungen im Hinblick auf die Nutzererwartungen konkretisiert.
  • Konzept und Design werden im Projektverlauf mehrfach auf den Prüfstand gestellt und optimiert. Idealerweise findet bereits in einem frühen Stadium ein Usability-Test mit Nutzerbeteiligung statt.
  • Zur Durchführung eines Usability-Tests wird ein Prototyp erstellt. Je nach Zeit- und Kostenbudget werden Programme oder Mittel eingesetzt.
  • Fragestellungen und der optimale Aufbau des Prototypens werden gemeinsam mit dem Kunden entwickelt.
  • Auswahl adäquater Methoden sowie Planung des Testablaufs. Rekrutierung der Probanden gemäß definiertem Nutzerprofil.
  • Testdurchführung: Einzelsessions im Usability Lab, Beobachtung aus dem Observation Room.
  •  Analyse & Auswertung, deren Dokumentation sowie konkrete Handlungsempfehlungen.

Beispiel 1: Qualitativer Usability-Test mit Eyetracking und Kontextinterviews

Funktioniert unser Konzept und wird das Design von unseren Nutzern akzeptiert?“ Im Usability-Test wird untersucht, ob und in welchem Umfang ein digitales Produkt (z.B. eine Website oder ein Klickdummy) seine Nutzer ausreichend unterstützt oder behindert und ob die gesetzten Usability-Ziele erreicht werden. Dabei untersuchen nicht Experten die Website, sondern relevante Vertreter der Zielgruppen, die nach bestimmten Kriterien ausgesucht werden.

Im Usabiliy-Lab werden den Probanden alltagstypische Aufgaben gestellt, die es auf der Website zu lösen gilt. Die komplette User Experience wird von einer Usability-Software nahtlos aufgezeichnet, um Stärken und Schwächen zu identifizieren. Zusätzlich hakt ein Moderator im Aufgabenkontext nach: Was war positiv oder negativ? Wie wird das Interface bewertet? Entspricht es den Erwartungen?

Im separaten Beobachtungsraum können Auftraggeber und Projektbeteiligte die Tests live verfolgen: Sie sehen den Bildschirm der Probanden (Screenrecording), die Teilnehmer selbst (als Picture-in-Picture), hören ihren Aussagen zu (Think-Aloud) und verfolgen deren Augen- und Mausbewegung. In der Regel reichen 6-8 Probanden aus, um das Optimierungspotenzial einer Website zu identifizieren.

Beispiel 2: Card-Sorting

Die richtige Informationsstruktur
Ziel ist es, eine Informationsstruktur zu entwickeln, die der Nutzererwartung entspricht und dabei aussagekräftige Begrifflichkeiten zu finden. Die Methode ist je nach Zeit- und Kostenbudget sowie Anforderungen skalierbar. Sie reicht vom einfachen Zuordnen vorgegebener Begriffe in feste Kategorien (geschlossenes Card-Sorting) bis hin zum gemeinsamen Sammeln, Clustern und Zuordnen inklusive Namensgebung (offenes Card-Sorting).

Das Card-Sorting führt bereits im ganz kleinen Kreis zu schnellen Ergebnissen. Empfohlen werden in der Regel mindestens 15 repräsentative Testpersonen. Die Zuordnung kann in mehreren Stufen erfolgen. Über das reine Sortieren hinaus können im Rahmen eines Workshops Namensgebung und Wording differenzierter analysiert werden. Card-Sorting kann mit Hilfe einfacher Karten oder sogar online softwarebasiert durchgeführt werden.

Fazit – Fragen rechnet sich

Nach dem Relaunch ist vor dem Relaunch – der Usability-Test als Teil der Qualitätssicherung bietet sowohl Vorteile im Testing von Neuentwicklungen als auch beim Monitoring. Aus dem Test resultierende Verbesserungen der Nutzerfreundlichkeit für spezifische Zielgruppen stellen eine äußerst effiziente und wirksame Kundenbindungsmaßnahme dar.

Beim Identifizieren von Usability-Problemen helfen Indikatoren. Ergebnisse von Logfileanalysen, sinkende Zugriffszahlen, Abbruchquoten, verdächtige Ausstiegsseiten – aber auch Online-Befragungen, Kunden- und Nutzerfeedback – geben Auskunft über Problemfelder einer Website, für die im Rahmen der Usabilityuntersuchung Lösungen gefunden werden können.

Immer mehr Unternehmen nehmen Usability-Testing auch intern ernst, bauen eigenes Know-How auf. Sie sehen dies als hocheffizienten Teil der Qualitätssicherung und das Bewusstsein für den Webauftritt steigt.

Während früher bei fünfstelligen Etats häufig noch nicht einmal ein Prozent in das Usability-Testing investiert wurde, gelten heute zehn Prozent als optimal. Auch wenn sich der ROI für das „Fragen“ und Optimieren schwer in Zahlen ausdrücken lässt: Ausgehend von einer damit einhergehenden Verdoppelung der Usability ist das eine lohnende Investition.

Autor: Klaus Cloppenburg, Geschäftsführer interactive tools GmbH – Agentur für digitale Medien

Bildquellen

  • interactive tools UX & Usability Lab: interactive tools UX & Usability Lab
Previous So digital ist der Mittelstand
Next Adwords: den Optimierungswillen von Google sinnvoll nutzen

No Comment

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

4 × eins =