Die Einführung eines Systems für Product Information Management (PIM) ist technisch und organisatorisch anspruchsvoll. Liegt es da nicht nahe, mit einem Open Source PIM wenigstens Lizenzkosten zu sparen? Und bietet quelloffene Software nicht auch mehr Unabhängigkeit vom Hersteller als proprietäre Enterprise-Lösungen?
Motor der Digital Economy
Viele digitale Errungenschaften gäbe es ohne Open Source Software nicht, oder wir müssten deutlich mehr für sie zahlen. Die Google-Suche, Netflix, Shopping bei Amazon, aber auch Auto-Navis, Digitalkameras und vernetzte Industriemaschinen – all diese Produkte und Dienste nutzen quelloffene Software. So sparen ihre Anbieter Lizenzkosten und optimieren den Code für ihre Zwecke. In dreißig Jahren schuf die Open Source Community Technologie-Gemeingüter, denen die Digitalwirtschaft einen wesentlichen Teil ihres Wachstums verdankt.
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Innovationskosten teilen
Aus wirtschaftlicher Sicht ist Open Source eine Strategie, um die Kosten für die Entwicklung komplexer Technologien auf viele Schultern zu verteilen. Sie hebt Skalenvorteile jenseits wirtschaftlicher Konkurrenz. Zum freien Betriebssystem Linux etwa trugen seit 1991 mehrere Tausend Entwickler bei, im Schnitt arbeiten 1.400 Programmierer an der nächsten Version des Kernels. So wuchs Linux von 10.000 auf mittlerweile 25 Millionen Codezeilen an. Koordiniert wird die Arbeit von der Linux Foundation, zu deren 1.000 Mitgliedern führende ITK-Unternehmen zählen, die die Organisation personell und wirtschaftlich unterstützen.
Gegenmittel zu Monopolen
Der größte Nutzen, Innovation auf diese Weise zu organisieren, sind weder freie Lizenzen, noch eine weltweite Entwicklergemeinde. Open Source ist ein wirksames Mittel gegen den schädlichen Einfluss von Monopolen. Selbstverständlich hätte Linux-Erfinder Linus Torvalds ein eigenes Softwareunternehmen gründen können so wie Bill Gates. Aber damit wäre die Entwicklung eines so vielfältig einsetzbaren Betriebssystems mehr als unwahrscheinlich gewesen.
Im Wettbewerb mit Platzhirschen wie Microsoft und Sun Microsystems hätten sich die Konkurrenten auf die lukrativsten Märkte beschränkt. Entstanden wären streng getrennte technische Einflusssphären weniger Hersteller, die ihre Kunden mit allen Mitteln auf ihren Plattformen einsperren. Stattdessen etablierte Linux einen Technologiestandard für die Weltwirtschaft, auf den Generationen von Entwicklern ausgebildet wurden. Daraus wuchs ein gigantischer Investitionsschutz für ergänzende Geschäftsmodelle. Am Ende wurde der Kuchen größer für alle.
Commoditisierung der Technologiebasis
Trotzdem hat Open Source kommerzielle Software nicht abgeschafft. Bewährt hat sich der Ansatz quelloffener Lösungen vor allem bei Basistechnologien wie Betriebssystemen, Programmiersprachen, Webservern oder Datenbanken. Sie sind relevant für eine große Zahl von Anwendern und Organisationen quer durch alle Branchen. Daraus wächst die Bereitschaft, in geistige Gemeingüter zu investieren. Open Source macht die Technologiebasis zur Commodity, so dass sich kommerzielle Ressourcen für Detailaufgaben bündeln lassen – bei geringerem Risiko und höheren Margen.
Passt Open Source zu PIM?
Zu welcher Kategorie von Software zählen PIM Systeme? Lassen sie sich ähnlich commoditisieren wie ein Betriebssystem? PIM Systeme sind Nischenlösungen. In ihrer Komplexität gleichen sie einem ERP. Unternehmen müssen sie hochgradig an ihre Prozesse und ihr Sortiment anpassen, um das Potenzial der Software auszuschöpfen. Entsprechend kleiner ist der Hebel für eine vernetzte Entwicklung jenseits des Wettbewerbs.
Lizenzkosten versus Gesamtkosten
Gängige Open Source PIMs sind alle Teil einer „Zwei-Lizenzen-Strategie“: Kunden haben die Wahl zwischen einer Open Source- und einer Enterprise-Lizenz desselben Product Information Management Systems. Die Open Source-Variante darf kostenfrei genutzt werden. Dafür erhalten sie nur eine Light-Version der Software mit deutlich eingeschränkten Basisfunktionen.
Der volle Leistungsumfang bleibt der kostenpflichtigen Lizenz vorbehalten: Nur sie bietet unverzichtbare Funktionen für das Enterprise-Umfeld wie Schnittstellen zur Business-IT, Workflows, Rechtemanagement und eine Versionierung. Hier erhalten Kunden auch automatische Updates, Sicherheitspatches, Professional Services und Support. Das gilt ebenso für moderne Ansätze wie Software as a Service als Alternative zum Eigenbetrieb.
Bei einem Gesamtkostenvergleich ist zu berücksichtigen, dass Kunden diese Leistungen bei Open Source-Produkten selbst organisieren oder von Dritten beziehen müssen. Beim professionellen Einsatz sind sie letztlich doch auf den Leistungsumfang der Enterprise-Version angewiesen. Insofern sind Open Source PIMs keine Alternative zu vollausgeprägten Systemen. Sie dienen den Herstellern in erster Linie als Marketing-Instrument für die kostenpflichtigen Lizenzvarianten.
Demo mit Anspruch
Interessant sind Open Source-Lizenzen als kostenfreie Demo. Allerdings brauchen Kunden PIM- und Software-Know-how, um die Lösung aufzusetzen und einzurichten. Auch kommerzielle Produkte bieten gemanagte und ebenfalls kostenfreie Testumgebungen, aber mit dem freien Zugriff auf den Code bietet Open Source PIM hier höhere Freiheitsgrade. Allerdings kann auch eine Open Source-Lizenz keinen professionell durchgeführten Proof of Concept ersetzen, der letztlich nur mit dem Funktionsumfang einer Enterprise-Lizenz aussagekräftig ist.
Auch Open Source PIM braucht engagierte Hersteller
Die Open Source-Entwicklung ist in der Community kein Selbstläufer mehr. Selbst nicht bei prominenten Beispielen wie Linux: Der Anteil der Hobbyprogrammierer fiel zwischen 2007 und 2019 von 20 auf knapp 12 Prozent. Die meisten Entwickler sind heute bezahlte Profis, die für Firmen aus dem Linux-Umfeld arbeiten. Das gilt erst recht für Nischenprojekte wie ein PIM. Hinter allen PIM Lösungen, die auch als Open Source-Lizenz verfügbar sind, steht ein einzelner Software-Hersteller. Er stellt die Mehrzahl der beitragenden Entwickler. Ohne seine Patronage wären diese Projekte nicht überlebensfähig. Insofern garantiert auch der Open Source-Ansatz keine größere Unabhängigkeit von Softwareherstellern. Sie bestimmen nach wie vor Entwicklungstempo und -richtung ihres Projekts. Ihr Engagement und ihr kommerzieller Erfolg sind der wichtigste Investitionsschutz bei PIM Lösungen.
Nähe zum Softwarehersteller entscheidend
Nischenprojekte wie ein Open Source PIM mögen nicht über die Reichweite einer großen, weltweiten Community verfügen. Diese ist nur wenigen prominenten Projekten wie Linux oder dem Blog-CMS WordPress vorbehalten. Trotzdem profitieren Kunden von Entwicklungen Dritter, die der Softwarehersteller beispielsweise als Add-ons über einen digitalen Marktplatz zugänglich macht. Entscheidend bei spezialisierter Nischen-Software wie PIM ist am Ende aber der direkte Zugang zum Software-Hersteller und dass er auch ein Ohr hat für Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen. Das gilt für Open Source- wie für Enterprise-Lösungen.
Nikolaos Henschen (55) ist seit 2017 CEO des Softwarehauses pirobase imperia GmbH. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur bringt bereits mehrere Jahre Erfahrung in leitenden Positionen in der IT- und Softwarebranche mit. Zuvor arbeitete er neun Jahre bei der Disc Direct Computer Handels AG als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied und verantwortete dort den Aufbau des europaweiten Vertriebs, Einkauf und Logistik. 2002 war er Mitgründer der Across Systems GmbH, einem Anbieter von Übersetzungssoftware mit Prozessunterstützung. Nikolaos Henschen hat griechische Wurzeln, lebt mit seiner Familie in Waldbronn bei Karlsruhe und ist passionierter Langdistanztriathlet.
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