Vom CI/CD-konformen Intranet zu einem strategischen Instrument des internen Brandings


Häufig wird die Markenführung im Intranet auf die Anwendung des Online-Styleguides und die Ablage der Informationsmaterialien zu diesem Thema beschränkt. Dass diese Situation ihren Ursprung in einer der Print-Welt verhafteten Mentalität hat, ist dabei nicht zu übersehen. Denn in gedruckten Medien sind die Möglichkeiten damit tatsächlich schon ausgeschöpft. Digitale Arbeitsmittel wie ein Intranet können jedoch bedeutend mehr und die Markenführung von einer rein kommunikativen Vermittlung auf die Ebene des praktischen Erlebens und Anwendens im Arbeitsalltag anheben.

„Unser Werte sind im Intranet abgelegt und sogar direkt von der Startseite aus verlinkt.“ Eine Aussage, die man in Bezug auf die Markenführung so oder so ähnlich häufig zu Ohren bekommt und in der fast immer folgende unausgesprochene Botschaft mitschwingt: damit ist dann ja auch alles was nötig und möglich ist getan.
Dadurch wird ein für Intranets leider allzu oft anzutreffendes Phänomen auch im Bereich des „Internal Brandings“ wiederholt: die echten Potentiale dieses Instruments sind den Verantwortlichen nicht bekannt und das Unternehmen bleibt deshalb weit hinter den tatsächlichen Möglichkeiten zurück.

Im weiten Themenkreis der Markenführung fokussieren sich die nachfolgenden Ausführungen vor allem auf den Aspekt der Markenwerte[i]. Dahinter steht die Überzeugung, dass Marken von innen nach aussen strahlen, die Markenführung also bei den eigenen Mitarbeitern beginnen muss und zwar auf Basis eines gemeinsamen, geteilten Verständnisses des jeweiligen Markenkerns und der Markenwerte. Das Ziel davon: begeisterte Markenbotschafter, die mit ungleich mehr Authentizität und Sympathie die Marke in die (Um-) Welt tragen als jede Marketingmassnahme – gerade in Zeiten von Social Media ein unschätzbarer Wert.

Jenseits von Logo und Kommunikationskampagnen

Eine Beschäftigung mit der Markenführung in Bezug auf intern eingesetzte digitale Technologien – wie vor allem das Intranet bzw. der „Digital Workplace“ – macht es erforderlich, sich zunächst der grundsätzlichen Möglichkeiten bewusst zu werden.

Intranets & Co. wurden bislang lediglich als „Trägermedien“ für die entsprechenden Informationsmaterialien und äusseren Merkmale der Marke angesehen. So wurde beispielsweise praktisch jedes Intranet mit den entsprechenden Logos, Farben, Schriften etc. ausgestattet.
Neben diesen naheliegenden Möglichkeiten bieten Intranets jedoch auch Optionen, die auf ganz anderen Ebenen ansetzen und die – im Gegensatz zu den vorgenannten Punkten – keinen ausschliesslich kommunikativen Charakter besitzen.

Natürlich sollten die vorgenannten Massnahmen die Basis der Markenführung im Intranet bilden – man sollte sich aber auch deren Grenzen bewusst sein. Diese sind vor allem in folgenden Bereichen zu finden:

  • Zeitliche Begrenztheit: Informationsmaterialien werden meist vor allem im Rahmen von Kampagnen auch tatsächlich genutzt. Danach verebbt das Interesse daran merklich. Kein Mitarbeiter wird die Informationen zur Marke regelmässig erneut aufsuchen.
  • Limitierter Einfluss: die Flut von auf die Mitarbeiter einströmenden Informationen und Initiativen wächst unaufhaltsam. Egal, wie gross eine Markeninitiative angelegt sein mag, ihr Effekt auf die Mitarbeiter ist normalerweise deutlich geringer, als man sich das in den verantwortlichen Stellen eingestehen mag. Ich bitte die Mitarbeiter in den von mir beratenen Unternehmen häufig, mir die Markenwerte aus dem Kopf heraus aufzählen. Der Fall, dass nur ein Teil dieser Werte genannt werden können ist aus meiner Erfahrung deutlich verbreiteter, als dass den Mitarbeitern alle Werte bekannt und präsent sind.
  • Mangelnder Transfer in die Praxis: selbst dort, wo der Kern der Marke den Mitarbeitern geläufig ist, hat meist kein direkter Transfer in die Praxis stattgefunden. Was bedeutet ein bestimmter Wert für mein Verhalten im Arbeitsalltag? Wie kommen wir vom heutigen Ist-Zustand (der die Markenwerte typischerweise maximal teilweise repräsentiert) zu Verhaltens- und Einstellungsweisen, die sich massgeblich an der Marke orientieren? Auf diese und ähnliche Frage fehlen leider häufig die richtigen Antworten.

Vor diesem Hintergrund bietet das Intranet jenseits von Logo-Einsatz und Informationsvermittlung einen ganz konkreten Ansatzpunkt für die interne Markenführung und Werteverankerung. Denn das Intranet kann als Instrument dazu verwendet werden, die Markenwerte durch ein exemplarisches „Vorleben“ im Arbeitsalltag konkret erlebbar zu machen und ebenso eine Operationalisierung des gewünschten Soll-Zustand ermöglichen.

Taten statt Worte

Ein Intranet kann Markeneigenschaften also ganz konkret vorexerzieren und damit ständig und wiederholt verfestigen. Leider ist in den meisten Unternehmen und Intranets heute eher das Gegenteil der Fall. Die Marke soll beispielsweise für „einfach“ und „hilfsbereit“ stehen, im Intranet wird man aber mit irrelevanten Informationen überschüttet und findet weder die richtigen Inhalte noch Ansprechpartner für seine Anliegen.

Der Beweggrund dafür, dass ein Intranet die Marke vorleben sollte, ist somit ganz einfach: „Action speaks louder than words“. Und das gilt vor allem für die nicht gerade seltene Situation, in der sich Worte und Taten offensichtlich unterscheiden. Wie häufig sprechen die blumigen Marken- und Unternehmenswerte die eine Sprache und das, was der Mitarbeiter tag-täglich erlebt eine völlig andere?

Hier kann das Intranet – eine entsprechende Ausgestaltung vorausgesetzt – eine wichtige Rolle spielen. Wird das Intranet von Anfang an um die Markenwerte herum konzipiert, kann ganz bewusst eine Repräsentation dessen, wofür die Marke steht, erzielt werden. Ihre Marke soll für „Einfachheit“ stehen? Dann muss das Intranet genau das vorleben: durch einfache Auffindbarkeit von Informationen, durch einfache Sprache, klare Begriffe (z.B. auch in der Navigation), durch ein nicht überladenes Layout, ein hohes Usability-Niveau etc.

Die wesentlichen Unterschiede zum rein optischen Design und der Bereitstellung von Informationen über die Marke dürften dabei auf der Hand liegen:

  • Deutlich höhere Authentizität: den Aufwand, den das Unternehmen in eine Marken-vorlebende Ausgestaltung des Intranets investiert, ist ein deutliches Zeichen, dass es dem Unternehmen damit wirklich ernst ist. Dem strategischen Ziel folgen also operative Taten, deren Ergebnisse für jeden sicht- und erlebbar sind.
  • Steter Tropfen: ein Grossteil der Mitarbeiter verbringt mittlerweile den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit am „Rechner“. Einen immer grösser werdenden Teil davon auch im Intranet. Die „Kontaktzeit“ mit dem Intranet ist somit ungleich höher, als dies mit Informationsmaterialien über die Werte je sein wird. Das Potential, den Mitarbeiter mehrere Stunden jeden Tag mit einem echten Spiegel der Werte zu konfrontieren ist von unschätzbaren Wert. Die dabei kontinuierlich erfahrene „Einfachheit“ (um bei diesem Beispiel zu bleiben) hilft, den Mitarbeiter zu einem ebensolchen Verhalten zu verleiten.

Somit gehört es zu den Grundlagen eines auf die Unterstützung der Markenführung ausgelegten Intranets, dass es insbesondere in folgenden vier Bereichen ein hohes Niveau erreichen muss:

Intranet

Jedem Praktiker dürfte klar sein, dass das alles andere als eine einfache Anforderung ist. Durch markante Fortschritte in diesen Bereichen gehen jedoch Worte und Taten plötzlich (zumindest) im Intranet Hand in Hand und die Markenwerte werden dauerhaft vorgelebt und dadurch sämtliche kommunikativen Botschaften entsprechend verstärkt und verankert.

Die Lücke zwischen Strategie und Umsetzung

Grosse strategische Initiativen haben in Unternehmen oft ein mindestens ebenso grosses Problem. Und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um eine neue Unternehmensausrichtung, die Erhöhung des Employee Engagements oder die „Verwandlung“ der Mitarbeiter in Markenbotschafter handelt: trotz ungezählter bunter PowerPoint-Folien, Workshops, Roadshows und der üblichen Kaskadierung der neuen „Botschaften“ von oben nach unten mangelt es meist an der operativen Umsetzung der Initiativen in der alltäglichen Arbeitspraxis jedes einzelnen Mitarbeiters.

Die Mitarbeiter „wissen“ zwar hoffentlich zumindest in der Theorie, für was die Marke steht und wie die Werte heissen, in ihrem Alltag erleben sie aber weitestgehend das, was sie immer schon im Unternehmen erlebt haben. Die Marke und ihre Werte existieren praktisch in einer Schattenwelt, die mit der eigentlichen Praxis wenig zu tun haben.

Was fehlt ist die operative Umsetzung der Initiativen in konkrete Veränderungen von Arbeitsweisen, Verhalten und Einstellungen – etwas, das Kommunikation alleine nicht bewirken kann.

Auch hier kommen wieder die besonderen Fähigkeiten digitaler Arbeitsinstrumente ins Spiel: als alltägliche Werkzeuge sind sie in der Lage, die Arbeits- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter nachhaltig zu beeinflussen. Das geschieht aber nicht durch die Technologie oder das Instrument Intranet per se, sondern durch dessen Fähigkeit, veränderte Arbeits- und Verhaltensweisen überhaupt erst zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund muss man auch eine altgediente (aber falsche) Annahme über die Wirkungszusammenhänge in Bezug auf derartige Systeme über Bord geworfen werden:

Eine neue Technologie wird bereitgestellt und dadurch verändern sich die Arbeits- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter

Dass diese Vorgehensweise nicht funktioniert, kann jedes Unternehmen sicher anhand von eigenen bisherigen Erfahrungen mit Instrumenten wie Email, Intranet oder Plattformen für „Social Collaboration“ nachvollziehen.

Was angestrebt werden sollte ist der genau umgekehrte Weg: zunächst definieren, welche Verhaltens- und Arbeitsweisen zukünftig benötigt werden und dann die entsprechenden Technologien, die zur Umsetzung dieser Arbeitsweisen erforderlich sind, konzipieren und bereitstellen.

Hierzu sind ganz konkret die Anwendungsgebiete zu erarbeiten, die erforderlich sind um ein werte-konformes Verhalten ermöglichen.

Dazu ein paar Beispiele mit entsprechenden Markenwerten:

  • „Transparenz“: Vertriebsmitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen und Ländern sollen gemeinsam besser bei Produktbereichs-übergreifenden Angeboten zusammenarbeiten. Zunächst müssen die organisatorischen Hindernisse dieser in der Vergangenheit schlecht funktionierenden Zusammenarbeit durch eine Koordination der Ziele der entsprechenden Bereiche beseitigt werden. Neben den entsprechenden Tools zur Ermöglichung einer Zusammenarbeit an Angeboten (bspw. in speziellen Projekt-Workspaces mit entsprechenden Funktionen) werden auch Sales-Communities ins Leben gerufen, die den ständigen themenbezogenen Austausch der Mitarbeiter ermöglichen. Somit wird nicht nur in der unmittelbaren Zusammenarbeit sondern auch durch dauerhaften Wissensaustausch eine auch über die betroffenen Bereiche hinaus ersichtliche Transparenz geschaffen.
  • „Dynamisch“: die News-lastige Intranet-Startseite, die wenig aktuell und noch schlechter genutzt war, wird durch einen persönlichen Activity Stream erweitert, der in der Logik der jedem bekannten Facebook-Timeline dem Mitarbeiter die aus seiner Sicht relevanten Aktivitäten in seinem Netzwerk im Unternehmen anzeigt. Somit ist eine dynamische Sicht auf aktuelle Ereignisse gegeben und ein direktes Reagieren darauf möglich. Der Mitarbeiter spürt plötzlich, welche Dynamik im Unternehmen tatsächlich vorhanden ist.
  • „Verbindlich“: Entscheidungen werden in Unternehmen heute oft hinter verschlossenen Türen getroffen, sowie schlecht (oder intransparent) dokumentiert. Die Verbindlichkeit einer Entscheidung und die damit verbundenen Aktionen und Verhaltensweisen ist entsprechend gering. Werden Entscheidungen stattdessen mit Hilfe des Intranets vorbereitet, getroffen und dadurch gleichzeitig dokumentiert, wird die Verbindlichkeit deutlich erhöht. Das beginnt damit, dass sich interessierte (und natürlich dazu berechtigte) Personen bereits im Vorfeld über eine anstehende Entscheidung informieren können und ggf. Fragen und Inputs einbringen können. Dadurch wird auch das Commitment der betroffenen Personen zur jeweiligen Entscheidung erhöht, was wiederum einer höheren Verbindlichkeit in deren Anwendung zu Gute kommt.

Kleine Ursache, grosse Wirkung

Sobald das Intranet nicht mehr nur als Transportmedium verstanden wird und das Bewusstsein dafür geschaffen ist, dass ein Intranet ein strategisches Instrument der internen Markenführung sein kann – sowohl durch konkretes, praktisches Vorleben entsprechender Markenwerte als auch durch Ermöglichen von neuen, werte-konformen Arbeits- und Handlungsweisen – wird sich im Unternehmen auch eine neue Sichtweise auf das Thema „Change Management“ einstellen.

Beides zusammen – ein erweitertes Verständnis der Möglichkeiten des „Internal Brandings“ und deutlich konkretere Handlungsansätze im Veränderungsmanagement – erlaubt einen nachhaltigen Wandel der Markenführung im digitalen Zeitalter.

Dabei dürfen das Intranet und andere digitale Technologie jedoch nicht als Selbstzweck oder Auslöser für Veränderungsprozesse angesehen werden, sondern das Vorgehen muss mit den zu lösenden geschäftlichen Problemen und vorhandenen Potentialen beginnen. Dann kann sich das Intranet auch zu einem unverzichtbaren und aktiven Bestandteil der internen Markenführung entwickeln.

Auch dazu abschliessend noch ein Beispiel: ein Problem, mit dem die meisten Intranets zu kämpfen haben, sind veraltete, redundante und qualitativ unbefriedigende Inhalte. Zu einem Markenwert wie zum Beispiel „Verlässlichkeit“ passt das natürlich überhaupt nicht. Diese Qualitätsprobleme werden meistens durch mangelnde Skills und Ressourcen der Autoren verursacht. Die Ursache dahinter ist üblicherweise der Umstand, dass aus geschäftlicher Sicht keine direkte Verbindung zwischen den Inhalten und ihrer Qualität mit der jeweiligen Leistungserbringung und der Arbeitsqualität der Mitarbeiter gesehen wird. Hier kann ein bei den Mitarbeitern und im Management akzeptierter Markenwert dabei helfen, die „Brücke“ zwischen der Ressource Information und der Performance des Unternehmens zu schlagen.
Ein Akt, der ohne einen konkreten Bezug zu einem geschäftsrelevanten Faktor – wie einem entsprechenden Markenwert – leider oft nur schwer gelingt.

 

[i] Für eine umfassende Betrachtung des Themas wird auf das Buch „Innen beginnen – Von der internen Kommunikation zum Internal Branding“ von Karin Krobath und Holger J. Schmidt verwiesen

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